Deutschland und Polen unterzeichneten ein Abkommen zur Vertiefung der Oder auf 1,80 Meter. Hochwasser- und Umweltexpert:innen sowie Umweltverbände lehnen dies ab. Wie ist Ihre Position zum Oderausbau?
Sehr geehrter Herr Winter,
Deutschland und Polen unterzeichneten 2015 ein Regierungsabkommen, um die Grenzoder vorgeblich für den Hochwasserschutz durch tiefgehende Eisbrecher sowie für die Binnenschifffahrt zu vertiefen. Auch soll Schwedt für Küstenmotorschiffe erreichbar werden.
Statt der Oder mehr Raum zu geben wurden seit dem Hochwasser 1997 im Wesentlichen nur die Deiche erhöht. Die Vertiefung der Grenzoder nach der Stromregelungskonzeption gemäß Abkommen ist auch nicht hochwasserneutral.
Gegen die Umweltentscheidung zum Ausbau der Grenzoder durch die Republik Polen haben Umweltverbände Widerspruch eingelegt. Zur Umsetzung des Abkommens für die deutsche Seite begann die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes dieses Jahr mit einer strategischen Umweltprüfung.
Ich frage Sie deshalb: Welche Position vertreten Sie zu dem angestrebten Oderausbau gemäß dem Abkommen von 2015?
Mit freundlichen Grüßen
S. M.
Sehr geehrter Herr Maier,
vielen Dank für Ihre Frage. Der Stopp des Oder-Ausbaus ist für mich als Frankfurter ein sehr wichtiges Anliegen. Mit Blick auf auf den 25. Jahrestag der Oderflut 1997 im nächsten Jahr und auch auf die diesjährige Flutkatastrophe vor allem in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen zeigt sich deutlich, dass wir den Flüssen mehr Raum geben sollten und mehr in Klima- und Hochwassershutz investieren müssen.
Die Bundesanstalt für Wasserbau errechnete im Rahmen einer Modellierung, dass ein Oderausbau in den gefährdeten Gebieten, z.B. am Deich von Hohenwutzen und im Stadtgebiet von Frankfurt (Oder), die Wasserstände der Hochwasserwelle um zusätzliche 10-12 cm erhöhen würde. Deswegen wollen wir diese Ausbaupläne stoppen, um die Bürger*innen entlang der Oder zu schützen.
Außerdem ist ein Oder-Ausbau nach unserer Fassung nicht mit dem EU-Umweltrecht vereinbar, denn Maßnahmen, die den ökologischen Zustand unserer Fließgewässer verschlechtern, sind nicht erlaubt. Die Ausbaupläne würden zu inakzeptablen Schäden an den Ökosystemen (z.B. des Nationalparks "Unteres Odertal" und anderer Natura2000-Gebiete) führen. Das Vertiefen der Fahrrinne würde Wasser aus der Breite ziehen, die wertvollen Auen fallen trocken. Aus den vermoorten Gebieten wird CO2 freigesetzt, und somit klimaschädlich wäre. Durch den sinkenden Grundwasserspiegel trocknet der Boden aus - mit gravierenden Problemen für Baumbestand und Landwirtschaft. Aus diesem Grund setzten wir uns für die Einhaltung des EU-Umweltrechts ein. Wir wollen die Ausbau-Maßnahmen stoppen und die Pläne nach EU-Recht (insb. der Wasserrahmenrichtlinie) prüfen lassen. Wir möchten, dass eine neue Bundesregierung mit Polen über einen neuen, gemeinsamen Umgang mit unserem Fluss verhandelt.
Der geplante Oder-Ausbau wird unter anderem mit dem Einsatz von Eisbrechern begründet (Art. 3 Abs. 3 des Abkommens). Bisher ist aber kein einziger Eisbrechereinsatz an mangelnder Schiffbarkeit oder wegen Untiefen gescheitert. Hochwassergefahr und Niedrigwasserstände schließen sich logischerweise aus. Wir fordern die Anschaffung von flachgehenden Eisbrecher neueren Typs der Hitzler Werft, wie sie an Oder und Elbe zum Einsatz kommen, denn sie sind die Wassertiefen von 1,40 m ausreichend.
Die polnische Regierung hat mit der Begründung des Hochwasserschutzes Mittel der EU, der CEB und der Weltbank beantragt – und nur zu diesem Zweck können die Mittel verwendet werden. Es hat sich jedoch gezeigt, dass der Ausbau der Oder ein Güterschifffahrtsprojekt ist und entgegen den offiziellen Projektzielen das Hochwasserrisiko sogar steigen würde. Wir fordern, dass Weltbank und EU ihre Finanzierungszusagen überprüfen. Bewilligt wurden die Mittel für Hochwasserschutz, sie werden aber zweckentfremdet für den Ausbau für die Güterschifffahrt.
Unserer Meinung nach lässt sich der Ausbau der Oder als Schifffahrtsstraße aus ökologischer Sicht nicht rechtfertigen und verstößt auch gegen das deutsche und europäische Umweltrecht. Die Transportmengen auf der Oder sind seit Jahrzehnten gering. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur stuft die Oder als Nebenwasserstraße ein und plant laut Bundesverkehrswegeplan auch keinen Ausbau. Ein Oderausbau hat aus verkehrspolitischer Sicht kaum Vorzüge, vernichtet aber wertvolle Flora und Fauna unwiederbringlich. Deshalb ist das Deutsch-Polnische Abkommen von 2015 aus unserer Sicht nicht umsetzbar. Wir fordern stattdessen, Güter auf die Schiene zu verlagern und Schienenverbindungen auszubauen. Das ist deutlich ökologischer und kostengünstiger.
Mit Ihrer Zweitstimme für Grün können Sie dazu beitragen, dass wir uns gegen den Oder-Ausbau auf Bundesebene weiter einsetzen können.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr Dr. Marcus Winter