Frage an Marcus Wewer von Stefan J. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Wewer,
nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 des zu Anfang des Jahres neu geschaffenen „Luftsicherheitsgesetzes“ muss fast jeder Luftfahrer auf seine "Zuverlässigkeit" hin überprüft werden, auch um eine bereits (teilweise seit Jahrzehnten) bestehende Luftfahrerlizenz zu behalten.
Das heißt im Einzelnen, dass man eine existierende, gültige Lizenz verliert, wenn man nicht „freiwillig“ jedes Jahr einen kostenpflichtigen Antrag auf "Zuverlässigkeitsüberprüfung" stellt. Dazu muss man „freiwillig“ den eigenen Datenschutz aufheben, damit sämtliche Polizeibehörden und Geheimdienste ihre Daten über völlig unbescholtene Bürger austauschen dürfen. Und dann wird entschieden, ob nicht der geringste Zweifel an der "Zuverlässigkeit" des Prüflings verbleibt.
Hier werden Grundrechte ausgehebelt. Die Unschuldsvermutung gilt nicht mehr. Die Rechtssicherheit ist nicht gegeben. Es gibt zudem keine festgelegten Zuverlässigkeitskriterien, d.h. willkürlichen Entscheidungen der Behörden stehen Tür und Tor offen.
Außerdem ist diese Zuverlässigkeitsüberprüfung grob unverhältnismäßig. Es wird hier die Personengruppe der Piloten von Kleinflugzeugen ohne jeden Verdacht und ohne jeden Grund einer effektiven Abschaffung der informationellen Selbstbestimmung unterzogen. Aber diese Personengruppe ist noch nie einschlägig in Erscheinung getrteten. Zudem stellen diese Kleinflugzeuge eine vernachlässigbare Gefahr dar. Wie man leider auch ständig den Nachrichten entnehmen kann, ist jedes Automobil gefährlicher, sowohl vom Gesichtspunkt der Unfälle, als auch vom Gesichtspunkt des Schutzes vor Terror.
Erschwerend kommt noch hinzu, daß es auch vor dem Luftsicherheitsgesetz bereits Überprüfungmechanismen für Piloten gab. Diese haben jahrzehntelang völlg zufriedenstellend funktioniert. § 7 Abs. 1 Nr. 4 LuftSiG verschärft nicht nur massivst und unnötigerweise eine gut funktionierende bestehende Regelung, sondern äußert einen völlig unbegründeten Generalverdacht gegen die Minderheit der Luftfahrer. Man schießt mit den allergrößten Kanonen auf nicht existierende Spatzen.
Diese Zuverlässigkeitsüberprüfungen werden zudem bereits durchgeführt, ohne daß die laut dem Luftsicherheitsgesetz notwendigen Rechtsverordnungen existieren würden.
Die lizenzführenden Behörden drohen damit, dass bei Nichtstellen des Antrages auf Zuverlässigkeitsüberprüfung die Lizenz eingezogen wird, da man bereits durch Nichtstellen des Antrags automatisch als unzuverlässig gelten soll. Wer nichts zu verbergen hat, der hat auch nichts zu befürchten???
Das ganze Medien- und Politikspektakel in Zusammenhang mit der "Luftsicherheit" kann ich nur als obszön bezeichnen. Die große Mehrzahl der Akteure glänzt bestenfalls schlicht durch Unwissen. Wenn das die Grundlage der deutschen Politik sein sollte, dann sehe ich wiklich schwarz für die Zukunft dieses Landes.
Was werden Sie gegen das LuftSiG unternehmen, speziell gegen §7?
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Jaudas
Schwäbisch Hall
Sehr geehrter Herr Jaudas,
nach den Anschlägen des 11. September 2001 wurde weltweit über neue Maßnahmen für mehr Luftsicherheit diskutiert. Das deutsche Luftsicherheitsgesetz setzt die EU-Verordnung für mehr Sicherheit in der Zivilluftfahrt um. Der Luftzwischenfall in Frankfurt und der absichtliche Absturz vor dem Reichstag in Berlin haben deutlich gemacht, Kleinflugzeuge können ein Bedrohungs- und Gefährdungspotential darstellen.
Die Innenministerkonferenz ist im Mai 2003 zu dem Ergebnis gekommen: Der Luftverkehr stellt gegenüber anderen Verkehrsträgern eine besondere Gefährdung dar. Durch die Nutzung eines Kleinflugzeuges als Tatwaffe können massive Schäden angerichtet werden, wenn diese z. B. mit Sprengstoff beladen werden.
Es ist die Verantwortung des Staates, die Bevölkerung vor Gefahren zu schützen. Eine Zuverlässigkeitsüberprüfung halten wir für erforderlich. Wir teilen aber Ihre Auffassung, dass die Regelungen im Luftsicherheitsgesetz zu bürokratisch sind. In den Verhandlungen hatten wir uns dafür eingesetzt, die Zuverlässigkeitsüberprüfung wie in der EU-Verordnung vorgesehen alle 5 Jahre zu wiederholen. Eine jährliche Überprüfung ist übertrieben und für die Betroffenen mit nicht verhältnismäßigen Kosten verbunden.
Wir werden uns hier erneut für erträgliche und vermittelbare Regelungen einsetzen. Durch die vorgezogene Bundestagswahl wurden die Verhandlungen hierüber unterbrochen.
Piloten sind nicht die einzigen Betroffenen. Zuverlässigkeitsüberprüfungen gab es bereits vor Inkrafttreten des Luftsicherheitsgesetzes für Personen, die in sicherheitsrelevanten Bereichen arbeiteten (z.B. Kernkraftwerke). Diejenigen Personen, die in beruflichem Zusammenhang regelmäßig in den sicherheitsrelevanten Bereichen der Verkehrsflughäfen tätig waren, z.B. Personal der Flughafenbetreiber und Luftfahrtunternehmen, sowie die Mitarbeiter der Flugsicherung, die einen Einfluss auf die Sicherheit des Luftverkehrs haben, müssen sich einer regelmäßigen Sicherheitsüberprüfung unterziehen. Auch Hobbypiloten haben Zutritt zu den relevanten Sicherheitsbereichen und sind deshalb in die Überprüfung einzubeziehen.
Auch wir wissen, dass Zuverlässigkeitsprüfungen kein Allheilmittel gegen Bedrohungen sind, aber auf sie zu verzichten wäre leichtfertig. Natürlich ist es bedauerlich, dass sich viele rechtschaffene Bürgerinnen und Bürger, die sich nie etwas haben zuschulden kommen lassen, diesem Verfahren unterziehen müssen. Die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus hat zu einer Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen geführt. Wir setzen uns dafür ein, dass das, was erforderlich ist, verhältnismäßig angewandt wird. Die Bürgerinnen und Bürger bitten wir um Verständnis und Unterstützung.
Mit freundlichen Grüßen,
Marcus Wewer