Portrait von Marco Brunotte
Marco Brunotte
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Marco Brunotte zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Siegfried L. •

Frage an Marco Brunotte von Siegfried L. bezüglich Umwelt

Sind Sie bereit sich in Ihrer Partei bzw. ggfs. im Niedersächsischen Landtag für ein Nachtflugverbot einzusetzen und auch eine Petition zum Schutz der Anwohner zu unterzeichnen?
https://www.openpetition.de/petition/online/wir-wollen-nachts-ruhig-schlafen-ohne-fluglaerm

Portrait von Marco Brunotte
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Lemke,

vielen Dank für Ihre Frage.

Ich habe mich im besonders im Rahmen meiner kommunalen Tätigkeit intensiv mit dem Thema "Fluglärm und Nachtflugverbot" befasst. An der eigentlichen Entscheidung wird der Niedersächsische Landtag nicht beteiligt, da die Betriebsgenehmigung bzw. Nachtflugerlaubnis innermisteriell entschieden wird. Dies ist aus meiner Sicht problematisch, da das Land sowohl Anteilseigner als auch Genehmigungsbehörde ist. Auch halte ich den Genehmigungszeitraum von diesmal zehn Jahren zu lang. Bislang wurde die Genehmigung für fünf Jahre erteilt, was einem deutlich überschaubarerem Zeitraum entspricht.

Zur Einschätzung meiner Position füge ich drei grundlegende Entscheidungen bei, an denen ich in den letzten Jahren beteiligt war.

1.) Folgende Stellungnahme hat der Rat der Stadt Langenhagen im Juni 2009 zur Nachtflugregelung an das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr mit großer Mehrheit - auch meiner Stimme - abgegeben:

"Sehr geehrter Herr Schmidt,

mit Schreiben vom 15.04.2009 wurde die Stadt Langenhagen um Stellungnahme zur künftigen Nachtflugregelung für den Flughafen Hannover - Langenhagen gebeten. Ich bedanke mich für die Beteiligung an diesem Verfahren und möchte zu dem vorliegenden Entwurf wie folgt Stellung nehmen:

Die Stadt Langenhagen sieht im Flughafen Hannover-Langenhagen eine öffentliche Infrastruktureinrichtung, die eine Bedeutung über die Region Hannover hinaus für das gesamte Land Niedersachsen hat. Für den Wirtschafts- und Messestandort Niedersachsen und die Region Hannover mit direkten Auswirkungen auf die Stadt Langenhagen hat der internationale Flughafen eine herausgehobene Bedeutung. Dazu gehört auch die Drehscheibenfunktion für den Fracht- und Logistikbereich.

Der mit Schreiben vom 15.04.2009 übersandte Vorschlag zur künftigen Nachtflugregelung ist aus Sicht der Stadt Langenhagen unzureichend, weil damit wesentliche Ziele der nachhaltigen Verringerung von Umweltbelastungen - speziell Lärmminderung - nicht erreicht werden oder deren Verfolgung zumindest stark verzögert würde.

Es ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass die Kommunen verpflichtet sind, auf der Grundlage erstellter Lärmkarten kommunale Lärmaktionspläne auszuarbeiten. Auf eine Minderung des Fluglärms hat die Kommune bekanntlich keinen direkten Einfluss, weshalb das Umweltbundesamt u.a. auf das ordnungsrechtliche Instrument der Betriebsbeschränkung zur Minderung der Umweltbelastungen durch den Flugverkehr hingewiesen hat. Das Ministerium wird aufgefordert, von den Möglichkeiten der Betriebsbeschränkung entsprechend Gebrauch zu machen.

Die Zielsetzung für die Stadt Langenhagen ist, den nächtlichen Fluglärm über bewohntem Gebiet wirksam zu verringern. Die Messwerte der 9 Mess-Stationen rund um den Flughafen sollen im Durchschnitt der Nachtzeit im Jahr 2010 die Durchschnittswerte des Jahres 2008 nicht überschreiten und in den darauf folgenden Jahre 2011 bis 2014 um jährlich 0,5 dB(A) niedriger werden als im Jahr davor.

Um dieses Ziel zu erreichen, können Starts und Landungen in der Nachtzeit nur für erheblich leisere Maschinen mit Strahlturbinenantrieb zugelassen werden. Als Maßstab sollte die Zulassung auf Grundlage entsprechender Lärmzeugnisse nur solche Flugzeuge vorsehen, die die im Anhang 16, Band 1, Kapitel 3 zum ICAO-Abkommen enthaltenen Grenzwerte um eine kumulative Marge von 10 EPNdB unterschreiten bzw. über ein Lärmzeugnis nach Kapitel 4 des ICAO Annex 16 verfügen. Die Regelungen für Luftfahrzeuge mit anderer Antriebsart sind entsprechend anzupassen.

Die Festlegung auf einen Mindeststandard nach Kapitel 3 und einer Unterschreitung des kumulativen Wertes um 10 EPNdB stellt aus Sicht der Stadt Langenhagen kein Problem dar, da viele der heute nach Chapter 3 zugelassenen Flugzeuge diese Grenzwerte bereits erfüllen. Da der Grenzwert des „Kapitel 4“ seit 2006 für die Neuzulassung von Flugzeugen gilt, ist den Fluggesellschaften zuzumuten, ihren bei Nachtflügen eingesetzten Maschinenpark entsprechend zu optimieren bzw. zu disponieren.

Die Regelung 3. sollte eine Übergangsregelung sein, ihr Fortbestand ist daher in Frage zu stellen (sofern die in der Anlage genannten Maschinentypen die vorgenannten Grenzwerte überhaupt einhalten). Die Reduzierung des Nachtfluglärms muss vorrangig die bisher überproportionale Belastung der Nordbahnanwohner verringern. In diesem Zusammenhang wird eine Überprüfung der Schallschutzsituation an der Nordbahn auf Grundlage der aktuellen Gesetzeslage als dringend erforderlich angemahnt.

Die Regelungen in den Gliederungspunkten 6.4 und 6.5 (Ausbildungs- und Übungsflüge) des Entwurfs des Ministeriums müssen sich wie im Gliederungspunkt 6.2 auf Werktage beziehen, da es nicht notwendig ist, z.B. auch sonntags solche Flugbewegungen zuzulassen. Demgegenüber ist das Ruhebedürfnis der Anwohner/-innen auch in der Tageszeit das höhere Gut, zumal werktags hinreichende Kapazitäten des Flughafens angeboten werden, um Ausbildungs- und Übungsflüge durchzuführen.

Um das Ziel der Lärmminderung zu erreichen, sollte zusätzlich der Vorschlag der Fluglärmschutzkommission aufgegriffen werden, die Anzahl der planmäßigen Starts und Landungen jeweils zwischen 01:00 und 05:00 Uhr auf 5 bis 6 Flugbewegungen zu kontingentieren. Die „Homecarrier“ sollten dabei bevorzugt berücksichtigt werden.

Darüber hinaus muss mit geeigneten Maßnahmen auf die Reduzierung der Spitzenpegel hingewirkt werden, da Einzelereignisse mit starker Referenzpegelüberschreitung - wie im Bericht des Fluglärmschutzbeauftragten ersichtlich - in erheblichem Maße die Lärmwerte beeinflussen und einen der Hauptgründe für das Aufwachen in der Nacht darstellen. Das Einhalten der Werte des neuen Fluglärmgesetzes (nachts max. 6 mal 57 dB(A) „innen“ bzw. 6 mal 72 dB(A) „außen“) muss abgesichert werden. In der Umsetzung heißt dies, dass pro Nacht maximal 6 geplante Flugbewegungen von solchen Maschinen zugelassen werden dürften, von denen die Überschreitung dieses Grenzwertes bekannt ist.

Die Stadt Langenhagen kann sich dem Vorschlag des Ministeriums im Übrigen nicht anschließen, die vorgesehene Betriebsbeschränkung mit einer Geltungsdauer von 10 Jahren zu versehen. Das Ministerium hat bei der letzten Verlängerung der Betriebserlaubnis ausgeführt, dass die Beschränkung nur fünf Jahre Gültigkeit haben sollte, um flexibel auf Veränderungen in der Verkehrsprognose reagieren zu können. Dieser Umstand hat auch heute noch seine Gültigkeit. In Anbetracht der fortgesetzten Forschung im Interesse des Gesundheits- und des Klimaschutzes wird eine Festschreibung der Nachtflugregelung für maximal 5 Jahre gefordert. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse könnten schon bald Anlass geben, die Betriebsbeschränkungen schärfer zu formulieren.

Ferner wird das Ministerium aufgefordert zu prüfen, ob neben Regelungen zur Lärmemission, auf die der Vorschlag abgestellt ist, auch Regelungen gegen die Belastung der lokalen Luftqualitätssituation, vor allem durch den Ausstoß von Stickoxiden und unverbrannten Kohlenwasserstoffen, möglich sind.

Zudem fordert die Stadt Langenhagen die Flughafen Hannover-Langenhagen GmbH nachdrücklich auf, in einen moderierten Nachbarschaftsdialog mit den Anwohnerinnen und Anwohnern einzusteigen. Ziel soll ein Interessenausgleich auf Augenhöhe zwischen allen Beteiligten sein, der zugleich eine größtmögliche Transparenz über die zukünftigen Entwicklungsprozesse am Flughafen gibt.

Die Einhaltung der Vorgaben aus der Betriebserlaubnis ist kontinuierlich zu überprüfen. Über die Ergebnisse sollte der Stadt Langenhagen berichtet werden.

Begründung:

Die Verpflichtung der Kommunen zum Ziel der Lärmminderung ist hinreichend bekannt und soll erfüllt werden, um den Schutz der Gesundheit und der Lebensqualität sowie der Immobilienwerte der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Eine wesentliche Lärmquelle in der Stadt Langenhagen ist der Flugverkehr. Auch wenn die Lärmaktionspläne erst zu späterem Zeitpunkt erstellt werden, ist unzweifelhaft erkennbar, dass eine Verminderung des Fluglärms als Beitrag zur Lärmminderung in Langenhagen unverzichtbar ist. Daher muss die Möglichkeit genutzt werden, die das Beteiligungsverfahren zur künftigen Regelung der Betriebsbeschränkung des Flughafens Hannover-Langenhagen aktuell bietet.

Der vorliegende Vorschlag des Ministeriums schließt nur sehr wenige der aktuell verkehrenden Flugzeuge aus und würde daher die Fluglärmbelastung nicht ausreichend verringern. Ferner ist eine 10-jährige Gültigkeitsdauer vorgesehen, was bedeuten würde, dass der mit der Regelung erreichte Lärm in den 10 Jahren gleich bleibt.

In den Lärmkarten wird die rechnerisch ermittelte Lärmbelastung dargestellt. Realitätsnäher ist jedoch der Bezug auf den tatsächlich in den Nachtstunden gemessenen Lärm, zumal die Mess- Stationen rund um den Flughafen die benötigten Daten zur Verfügung stellen, die u.W. auch seitens des Flughafens unumstritten sind.

Zur Zielsetzung, den nächtlichen Fluglärm schrittweise - jährlich um 0,5 dB(A) - zu verringern, sind Vorschläge zur Umsetzung in die Regelungsmöglichkeiten der Betriebsbeschränkung erforderlich. Mit der Forderung der Beschränkung der Nachtflüge auf Maschinen, die die im Anhang 16, Band 1, Kapitel 3 zum ICAO-Abkommen enthaltenen Grenzwerte um eine kumulative Marge von 10 EPNdB unterschreiten bzw. über ein Lärmzeugnis nach Kapitel 4 des ICAO Annex 16 verfügen, wird eine Forderung der Fluglärmschutzkommission aufgegriffen, die diese bereits für die Betriebsbeschränkung ab dem 01.01.2005 aufgestellt hat.

Eine Gefährdung der Wirtschaftlichkeit des Flughafens und damit der davon abhängenden Arbeitsplätze ist nicht zu befürchten, da die betroffenen Fluggesellschaften entweder Nachtflüge mit entsprechend leisen Maschinen durchführen können oder lautere Maschinen zusätzlich in der T ageszeit zum Einsatz kommen können. Es ist im Gegenteil möglicher Schaden abzuwenden, der dem Flughafen Hannover dadurch droht, das Nachtflüge bei Urlaubsreisenden zunehmend unbeliebt sind. Sachkundige Beratung in den Reisebüros - aber auch verbesserte Informationsmöglichkeiten im Internet - werden die Nachbarflughäfen Bremen, Paderborn, Hamburg oder künftig auch Kassel mit interessanten Direktflügen am Tage attraktiver machen. Diese sollten von den Airlines auch in Hannover bedarfsgerecht angeboten werden. Eine Verlagerung möglichst vieler Nachtflüge in die T ageszeit wird die Angebotsattraktivität und damit den Umsatz unseres Flughafens erhöhen."

2.) Folgende Aussage stand im Programm der SPD Langenhagen zur Kommunalwahl 2011:

"Der Flughafen Langenhagen ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Langenhagen. Zwischen den Anliegern und dem Flughafen ist ein Interessenausgleich zu den Bereichen Lärm, Emissionen, und Wirtschaftlichkeit im Rahmen eines Nachbarschaftsdialogs und der rechtlichen Möglichkeiten zu erreichen. Die Belastungen der Menschen in Langenhagen durch den Nachtflug müssen deutlich verringert werden. Mit dem Lärmaktionsplan sollen Maßnahmen gegen Lärm von Straßenverkehr, Bahn und Flughafen ergriffen werden."

3.) Auf Initiative von SPD und Grünen wurde folgender Antrag im Verwaltungsausschuss der Stadt Langenhagen im Jahr 2012 beschlossen:

"Beschluss:
Die Verwaltung wird gebeten eine Veranstaltung zum Thema " Verringerung der Fluglärmbelastung in Langenhagen" zu organisieren und dazu öffentlich einzuladen. Die Veranstaltung soll vom Bürgermeister moderiert werden.

Teilnehmende sollen sein:
- VertreterIn der Geschäftsführung des Flughafens
- der Fluglärmschutzbeauftragte
- die DFS
- Nds. Ministerium für Arbeit, Wirtschaft und Verkehr
- VertreterIn der Airlines mit Nachtaktivität, bevorzugt TuiFly
- Vertreter der Bauverwaltung (passiver Lärmschutz)
- mindestens ein Mediziner mit Spezialwissen über Gesundheitsschäden durch Fluglärm - VertreterIn der IG Lärmschutz Südbahn

Die Veranstaltung soll den Auftakt zu einem Nachbarschaftsdialog mit dem Flughafen bilden. Dabei wird zugleich das Ziel verfolgt, die Belastungen der Menschen in Langenhagen durch den Fluglärm, speziell durch Nachtflüge, deutlich zu verringern. In der Veranstaltung sollen daher auch die diesbezüglichen Möglichkeiten herausgearbeitet werden.

Erläuterung:

Die aktuelle Rechtsprechung zum Thema Nachtflugverbot, eine Veranstaltung dazu in Garbsen, in der Seitens des Flughafens lärmgeplagten Anwohnern der Wegzug empfohlen sein soll, geben Anlass das Thema Fluglärm und seine Folgen auf breiter Basis öffentlich zu diskutieren."

Unter Berücksichtigung dieser drei Vorbemerkungen muss sich eine neue Landesregierung auch mit den veränderten Rahmenbedingungen durch Entscheidungen zu den Flughäfen in Frankfurt, Berlin, etc. befassen. Da mittlerweile selbst die Lufthansa in Frankfurt sich mit dem Nachtflugverbot zwischen 23 und 5 Uhr arrangiert hat, strahlt diese Entscheidung auch auf andere Flughäfen in Deutschland ab. Hier wirkt natürlich für den Flughafen Hannover-Langenhagen erschwerend, dass die aktuelle Nachtflugerlaubnis über einen so langen Zeitraum gegeben wurde, dass sich theoretisch erst die übernächste Landesregierung wieder mit einer Genehmigung befassen müsste. Im Zusammenspiel von technischen Veränderungen (direkte Reduktion von Lärm durch neues Fluggerät und Turbinen), grundsätzlichen Veränderungen (z. B. durch Bundesgesetze und EU-Regelungen) und Selbstbeschränkungen wird es zu einer Entlastung der Anwohner bei einer gleichzeitigen Zukunftsfähigkeit des Flughafens Hannover-Langenhagen kommen müssen.

Im Abgleich der Interessen von Anwohnern auf Schutz ihrer Gesundheit und Ruhe (besonders zu Nachtzeiten) und dem allgemeinen Interesse an dieser Infrastruktureinrichtung sowie den vorhandenen Arbeitsplätzen muss ein angemessener Ausgleich gefunden werden. Dieser Aufgabe wird sich die neue Landesregierung stellen müssen. Ich gehe persönlich davon aus, dass sich eine grundsätzliche Erlaubnis für Nachtflüge weder juristisch noch politisch auf Dauer halten wird. Der Weg zu dieser Lösung wird sicherlich herausfordernd.

Eine neue Landesregierung wird sich auch ihrer Rolle als Anteilseigner bewusst werden und diese aktiver ausfüllen müssen.

Den Grundzügen der Eingabe stehe ich positiv gegenüber. Trotzdem werde ich sie aus grundsätzlichen Überlegungen nicht unterzeichnen, da sie auch an den Niedersächsischen Landtag gerichtet ist. Als Abgeordneter des Landtags unterzeichne ich keine Petitionen, die dann vom Parlament abschließend zu entscheiden sind.

Mit freundlichen Grüßen

Marco Brunotte