Wird G9 in Baden-Württemberg zum nächsten Schuljahr 2024/25 kommen?
Sehr geehrter Herr H.,
nachdem der Volksantrag zu G9 erfolgreich war, muss man in den Medien leider lesen, dass das neue G9 über längere Zeit geplant werden muss. Das finde ich schrecklich zu hören, denn niemand denkt dabei an die Schüler, die die schwerwiegenden Schulschließungen während Corona ertragen mussten. Sie waren während dieser Zeit schon benachteiligt und tun sich nach wie vor sehr schwer in der Schule, da sie auch danach unter massiven Lernlücken leiden. Wo bleibt die Bildungsgerechtigkeit, wenn wir diese Kinder einfach fallenlassen und das G9 noch weiter hinauszögern, obwohl alles bereits zur Verfügung steht (Lehrmaterial (einfach das bisherige benutzen und die Bücher länger verwenden), Bildunspläne (G9-Modellschulen) und Lehrer (im ersten Schritt werden eher Stunden frei, was entlastend wirkt))? Ich bitte Sie von ganzem Herzen, geben Sie diesen Kindern die Zeit zum Lernen zurück! Die Bildungspläne erneuern und deeper learning etablieren lässt sich im laufenden Betrieb.
Sehr geehrte Frau Dr. R.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht.
Für den Wunsch vieler Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler nach einer Wechselmöglichkeit vom derzeitigen G8 zu G9 habe ich als Familienvater großes Verständnis und viel Sympathie. Diesen Wünschen stehen jedoch zwei kritische Ressourcenfragen entgegen: zum einen der Lehrkräftemangel und zum anderen der Platzmangel. Eine sofortige Umstellung aller Jahrgänge würde einen Mehrbedarf von rund 1300 Lehrkräften bedeuten. Das ist realistisch betrachtet angesichts der schwierigen Personalsituation an den Schulen und den Haushaltsrisiken, denen das Land momentan gegenübersteht, nicht umsetzbar.
Als Christdemokraten arbeiten wir nach der Prämisse, dass Politik mit der Betrachtung der Wirklichkeit beginnt. Gerade in einer Zeit, in der manche Parteien den Menschen scheinbar einfache Lösungen für komplexe Probleme versprechen entspricht es nicht meiner Auffassung von nachhaltiger, zukunftsgerichteter Politik, Dinge zu zusichern, die in der Realität gar nicht umsetzbar sind – so sehr ich im vorliegenden Fall den Wunsch danach auch nachvollziehen kann. Daher haben wir alle Anstrengungen darangesetzt, G9 ab dem Schuljahr 2025/26 für die neuen Fünftklässler vernünftig und fundiert umzusetzen. Ebenso haben wir uns für eine Wechseloption für die Fünftklässler des Schuljahres 2024/25 eingesetzt.
Gerade angesichts der Schnelllebigkeit unserer Zeit sollten wir bei der Umstellung auf G9 keine Schnellschüsse machen. Damit diese Umstellung nachhaltig und langfristig Sinn macht, brauchen wir ein durchdachtes Konzept, wie wir das Gymnasium pädagogisch weiterentwickeln. Einfach eins zu eins zum G9 der Vergangenheit zurückzukehren, wäre angesichts der Entwicklungen, die unsere Gesellschaft seither in rasender Geschwindigkeit durchlaufen hat, nicht zielführend.
Wir brauchen für unser Bildungssystem einen Zukunftsentwurf, der von den Kindergärten und Kindertageseinrichtungen über die Grundschulen bis zu den weiterführenden Schulen reicht. Dazu gehört weiterhin die Diskussion über Unterstützungsmöglichkeiten für die Corona-Jahrgänge, aber vor allem die Frage, wie wir jedes Kind mit all seinen Talenten und Fähigkeiten, aber auch mit seinen Schwächen, bestmöglich fördern können. Denn für uns als CDU gilt: Gute Bildungspolitik berücksichtigt unterschiedliche Begabungen und will nicht alles gleichmachen. Deshalb geht es immer um die Chancengleichheit am Start und niemals um die Ergebnisgleichheit am Ziel.
Freundliche Grüße
Manuel Hagel MdL