Warum muss die CDU in BW als Regierungspartei bei ME/CFS zum Helfen getragen werden? Die Notsituation ist bekannt, es wurde still. Was sind die genauen Gründe für das bisherige Nichthandeln?
Die CDU in BW ist Regierungspartei und handelt trotzdem nicht bei der körperlichen und schwerwiegenden Erkrankung ME/CFS. Es wurde bisher nichts umgesetzt. Die Lage mit ME/CFS in D stellt eine stille humanitäre Katastrophe dar. Die Versorgungslage, Forschungsumfang und Anerkennung bei ME/CFS sind in D einschließlich BW weiterhin dramatisch schlecht und Hilfe kommt bei den vielen Erkrankten nicht an. Laut KBV sind aktuell über 500.000 Personen in D an ME/CFS erkrankt. Hinzu kommen die nach wie vor hohe Dunkelziffer sowie ständig weitere Fälle infolge Corona und auch anderer Infekte. Dennoch bleibt bisher aktive und schnelle Hilfe der CDU in Regierung und Landtag in BW aus. Warum ist ME/CFS für die CDU in Regierung und Landtag nicht Topthema und warum bleibt die CDU in BW so auffällig passiv zum weiteren Schaden der vielen Erkrankten und deren Angehörigen? Wird es jetzt dringend nötige neue Professorenstellen im reichen BW für ME/CFS und postinfektiöse Erkrankungen geben?
Sehr geehrter Herr. A.
den Eindruck, dass die Landesregierung und die CDU als Regierungspartei beim Thema ME/CFS nicht handeln, kann ich nicht bestätigen. So finden Sie in der Landtagsdrucksache 17/3780 (https://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP17/Drucksachen/3000/17_3780_D.pdf) eine ausführliche Darstellung unserer Aktivitäten in diesem Bereich.
In den vergangenen Monaten sind verschiedene Maßnahmen und Projekte hinzugekommen. So hat sich zum Beispiel die Gesundheitsministerkonferenz unter Vorsitz Baden-Württembergs dafür ausgesprochen, ein deutschlandweites Netzwerk von Kompetenzzentren und interdisziplinären Ambulanzen für Patientinnen und Patienten mit Langzeitfolgen von COVID-19 sowie ME/CFS zu schaffen. Zudem ist Anfang Oktober ein Modellprojekt der vier landeseigenen Universitätskinderklinika in Freiburg, Heidelberg, Tübingen und Ulm gestartet, das die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Long COVID verbessern soll (Modellprojekt .„MOlekularimmunologische Charakterisierung & multimodal-multizentrische intersektorale VErsorgung von Long COVID im Kindes- und Jugendalter in Baden-Württemberg“ – MOVE-COVID-BW). Das Projekt unter Leitung des Universitätsklinikums Freiburg wird an den Sozialpädiatrischen Zentren der vier Universitätskinderklinika eine telemedizingestützte, sektorenübergreifende Versorgungsstruktur aufbauen und erproben. Gleichzeitig wird es mit einem neu aufzubauenden, Baden-Württemberg-weiten Patientenregister Daten für die weitere Erforschung des Krankheitsbildes sammeln. Wegen der Überschneidungen, die es zwischen Long-COVID und ME/CFS gibt, gehen wir davon aus, dass im Rahmen dieses Modellprojekts auch wertvolle Erkenntnisse für den Umgang mit ME/CFS gewonnen werden können.
Gleichzeitig kann ich allerdings Ihre Einschätzung nachvollziehen, dass von all diesen Aktivitäten (noch) zu wenig bei den Betroffenen ankommt. Insbesondere gibt es aus meiner Sicht (noch) zu wenige konkrete und vor allem auch keine flächendeckenden Versorgungsangebote für Menschen mit ME/CFS. Das hat auch, aber sicher nicht nur mit dem Umstand zu tun, dass es an ursächlichen Behandlungsmöglichkeiten für diese komplexe Erkrankung fehlt. Obwohl sie schon lange bekannt ist, konnten hinsichtlich der Erforschung ihrer Ursachen und ihrer adäquaten Behandlung noch keine Durchbrüche erzielt werden. Angesichts dessen hat der Sozialausschuss des Landtags sich ebenfalls Anfang Oktober in einem Fachgespräch mit hochkarätigen Expertinnen und Experten mit der Frage befasst, was jenseits der in allen Ländern zu verzeichnenden Intensivierung der Forschung konkret getan werden kann und sollte, um trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen die Versorgung konkret zu verbessern. Die dort gewonnenen Erkenntnisse werden in unser weiteres Vorgehen einfließen. So sehen wir vor allem die Notwendigkeit, Aufklärung und Fortbildung in Baden-Württemberg für alle Berufsgruppen und Einrichtungen, die sich um die Belange von schwer an Long COVID und/oder ME/CFS Erkrankten kümmern, zu stärken; dazu zählt auch, die fortlaufende Translation aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse. Instrumente dafür sind zum Beispiel interdisziplinäre Fallkonferenzen, definierte Patientenpfade sowie Case- und Care-Management. Zusätzlich bedarf es für Schwerstbetroffene der Einrichtung von multidisziplinären, multimodalen, aufsuchenden Versorgungskonzepten (mit Elementen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung) sowie von spezialisierten multidisziplinären Pflegeeinrichtungen. Schließlich ist die Entwicklung spezieller Rehabilitationskonzepte für ME/CFS, die das Leitsymptom der geringen Belastungstoleranz mit PEM berücksichtigen, dringend geboten. Entlang dieser Zielbeschreibungen werden wir unsere Arbeit im Bereich ME/CFS in den nächsten Monaten engagiert fortsetzen.
Freundliche Grüße
Manuel Hagel MdL
Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion