Frage an Manfred Zöllmer von Andreas B. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Zöllmer,
in einem weiteren Thema der aktuellen Politik möchte ich Ihren Standpunkt erfahren. Wie dieser Tage in der Presse zu erfahren war, wird derzeit wieder einmal die Ermöglichung des Einsatzes der Bundeswehr im Inland debattiert. Dieses Thema ist mittlerweile soweit in Vorbereitung, dass über die hierfür notwendige Änderung des Grundgesetzes laut nachgedacht wird.
Ich mache kein Geheimnis daraus, dass ich keinen Grund dazu sehe, das bewährte Prinzip der Aufgabenteilung zwischen Bundeswehr und Polizei aufzugeben. Von Ihnen möchte ich wissen, ob Sie das genauso sehen und wie Sie in dieser Frage abzustimmen gedenken. Schließlich wird für eine Grundgesetzänderung eine Zwei-Drittel-Mehrheit benötigt.
Sollten Sie der Auffassung sein, dass die Bundeswehr zukünftig auch im Inneren nötigenfalls eingesetzt werden sollte, bitte ich Sie um Erläuterung, was sich seit der Inkraftsetzung des Grundgesetzes tatsächlich so maßgeblich geändert hat, dass seine Änderung notwendig wird. Außerdem bitte ich um eine kurze Stellungnahme, die mir erläutert, warum diese Entscheidung trotz der eindeutig ablehnenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Einsatz der Bundeswehr im Inneren und zur "Terrorismusbekämpfung" zu treffen ist.
Ich fordere Sie auf, dieser Grundgesetzänderung nicht zuzustimmen! Danke für Ihre Ausführungen!
Mit freundlichen Grüßen,
A. Beck
Sehr geehrter Herr Beck,
haben Sie auch für diesen Beitrag vielen Dank.
Ich stimme Ihnen zu, was die grundsätzliche Aufgabenteilung zwischen Polizei und Bundeswehr betrifft: Die Wahrung der inneren Sicherheit ist Aufgabe der Polizei und daran wird auch eine von der SPD mitgetragene Änderung des Grundgesetzes nichts verändern.
Wie Sie sicherlich in den Medien mitverfolgt haben, ist die Vorlage der Bundesregierung innerhalb der SPD-Fraktion auf Kritik gestoßen. Derzeit ist eine Arbeitsgruppe von Rechts-, Innen- und Verteidigungsexperten mit einer Überarbeitung des Entwurfes beauftragt.
Bereits Artikel 35 des Grundgesetzes in der aktuellen Fassung ermöglicht den Einsatz der Bundeswehr im Inneren. Im Rahmen der Amtshilfe können die Länder als Inhaber der polizeilichen Gewalt zur Bekämpfung von Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen Hilfe der Bundeswehr anfordern. Der tatkräftige Einsatz der Bundeswehr bei der Krisenbewältigung der Hochwässer der letzten Jahre ist uns als Beispiel hierfür noch in guter Erinnerung.
Der Einsatz der Bundeswehr in Angelegenheiten der inneren Sicherheit ist jedoch in strikten Grenzen zu halten. Das Bundesverfassungsgericht befand in seinem Urteil zum Luftsicherheitsgesetz, dass der Einsatz der Bundeswehr im Inneren nicht über die Grenzen der Mittel, die der Polizei zustehen, hinausgehen darf. Da die Bundeswehr im Inneren nur als Amtshelfer der Polizei aktiv wird, sind nach aktuellem Stand des Grundgesetzes spezifisch militärische Handlungen verfassungswidrig.
Die Anwendung militärischer Mittel im Inneren ist bislang auf den Verteidigungsfall gem. Artikel 115a des Grundgesetzes beschränkt. Schwere Akte terroristischer Aktivität dürften jedoch regelmäßig nicht den Verteidigungsfall auslösen. Selbst wenn ein besonders schwerer Unglücksfall in Folge eines Terroranschlages nur durch den Einsatz der Bundeswehr zu verhindern wäre, ist dies derzeit durch das Grundgesetz verboten.
Der von der Bundesregierung vorgelegten Verfassungsänderung zufolge soll in den Fällen, in denen polizeiliche Maßnahmen zur Krisenbewältigung nicht ausreichen, auch die Anwendung militärischer Mittel durch Anordnung der Bundesregierung möglich sein.
Der spezifische Fall des Abschusses einer gekaperten Passagiermaschine durch Kampfflugzeuge der Luftwaffe soll durch die Neuregelung ausdrücklich keine abschließende Klärung erfahren. Das Bundesverfassungsgericht hatte zu einer diesbezüglichen Regelung des Luftsicherheitsgesetzes bereits festgestellt, dass aufgrund der verbotenen Abwägung von Leben gegen Leben ein Abschuss eines Flugzeuges dann unzulässig ist, wenn sich unbeteiligte Passagiere an Bord befinden. Hieran ändert die Neuregelung nichts! Die vorgeschlagene Änderung bietet lediglich eine Eingriffsgrundlage für den Fall, dass sich ausschließlich Terroristen an Bord befinden. Der Anwendungsbereich des Gesetzes ist daher sehr schmal und unterläuft in keiner Weise den Riegel des Abwägungsverbotes.
Der Vorschlag der Regierung ist als moderater Versuch anzusehen, den Spielraum für den schwierigen Umgang mit terroristisch verursachten Gefährdungssituationen zu erweitern. Begrüßenswert ist, dass einem weiterreichenden Änderungsvorhaben der Unionsfraktion bezüglich der in Artikel 87a GG geregelten Einsatzbefugnisse der Bundeswehr durch die vorliegende Änderung eine Absage erteilt wurde.
Den Einsatz militärischer Mittel an das bloße Nichtausreichen polizeilicher Maßnahmen zu knüpfen, ist jedoch zu vage. Um einem zukünftigen Wuchern militärischer Kompetenzen schon jetzt vorzubeugen, bedarf es einer Konkretisierung der Gefährdungsursache. Gerade hiermit beschäftigt sich derzeit die erwähnte Arbeitsgruppe. Ich bitte Sie daher, mir zuzugestehen den parlamentarischen Beratungsprozess abwarten zu dürfen, ehe ich mich bezüglich meines Votums äußere.
Mit freundlichen Grüßen,
Manfred Zöllmer