Frage an Manfred Zöllmer von Jürgen S. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Zöllmer,
dieser Tage hat das Kabinett die Einführung eines elektronischen Einkommensnachweises (ELENA) beschlossen. Man muss also damit rechnen, dass das entsprechende Gesetz bald im Bundestag zur Abstimmung kommen wird. Deshalb interessiert mich die Haltung der Abgeordneten aus meinem Wahlkreis zu dieser Thematik besonders.
Ich selbst habe gegen eine solche zentrale Einkommensdatenbank schwere Bedenken.
Ist es aus datenschutzrechtlicher Sicht vertretbar, die Einkommensdaten von allen Bürgern regelmäßig zu sammeln, nur weil ein Bruchteil dieser Bürger irgendwann einmal seine Einkommensverhältnisse vor einer Behörde darlegen muss? Ich meine das verstößt gegen den Grundsatz der Datensparsamkeit.
Ist es tatsächlich ein Bürokratieabbau, wenn statt gelegentlich zu erstellender Einkommensnachweise nun von den Unternehmen regelmäßig und flächendeckend diese Einkommen gemeldet werden müssen?
Wie kommt der Gesetzgeber auf die Zahl von 82 Mio. €, die die Unternehmen durch die Einführung von ELENA jährlich sparen würden?
Wie ernst muss man die Kostenschätzung der Einführung von ELENA vor dem Hintergrund der Kostenschätzungen und der Kostenentwicklung bei der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) nehmen?
Warum soll sich jeder Bürger für jetzt geschätzte 10 € eine Signatur kaufen müssen, und das alle 3 Jahre aufs Neue, wenn die Daten doch nur für einen Bruchteil der Bürger genutzt werden sollen?
Im Zusammenhang mit der Vorratsdatenspeicherung, der eGK, den immer mehr ausgeweiteten Video-Überwachungen werden hier gigantische Datenpools über immer weitere Lebensbereiche der Bürger aufgebaut. Wie sicher solche Datenpools sind hat man ja nun im Zusammenhang mit der Vorratsdatenspeicherung erlebt. Als sicher kann jedenfalls angenommen werden, dass diese Datensammlungen jedenfalls zum Missbrauch einladen.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Schwarz
Sehr geehrter Herr Schwarz,
vielen Dank für Ihren Beitrag.
Ich habe Verständnis für die von Ihnen geäußerten Bedenken bezüglich des ELENA-Systems. Die besondere Problematik im vorgeschlagenen Verfahren besteht in der Speicherung der Daten von mehr als 35 Millionen Bürgern, ohne dass im Einzelfall eine konkrete Notwendigkeit der Datenerhebung vorliegen muss. Im Hinblick auf den von Ihnen angesprochen Grundsatz der Datensparsamkeit löst dies unweigerlich Bedenken aus. Diese werden auch vom Bundesbeauftragten für den Datenschutz geteilt. ( http://www.bfdi.bund.de/nn_1237258/DE/Schwerpunkte/JobcardVerfahren/Artikel/ELENA.html ).
Ein solches Verfahren zur elektronischen Konzentration von Daten kann angesichts der Datenschutzrisiken daher nur angemessen sein, wenn erhebliche Vorteile zu erwarten sind, die das Agieren im Schutzbereich des Grundrechtes auf Informationelle Selbstbestimmung überwiegen, und gleichzeitig durch technische und rechtliche Sicherheitsvorkehrungen die Gefahr des Missbrauchs und die Ausdehnung der legalen Nutzung verhindert werden.
Als Folge des Gesetzes wird mit nicht unerheblichen und Prozessverbesserungen im Verwaltungsverfahren der staatlichen Stellen und der privaten Unternehmen gerechnet. Der vorliegende Kabinettsentwurf ( http://www.bfdi.bund.de/nn_1237258/DE/Schwerpunkte/JobcardVerfahren/Artikel/GesetzesEntwurf,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/GesetzesEntwurf.pdf ) weist insgesamt eine Kostenentlastung der Wirtschaft von 85,6 Mio. EUR pro Jahr aus. Dies ergibt sich aus einem Gutachten, das der nationale Normenkontrollrat im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstellt hat. Die bisherigen Kosten der Unternehmen der sechs Bescheinigungen, die in Zukunft über das ELENA-Verfahren bearbeitet werden sollen, werden in diesem Gutachten auf 122 Mio. geschätzt. Ihnen gegenüber verbleiben unter Anwendung des ELENA-Verfahrens lediglich auf 36,4 Mio. geschätzte Kosten für die Übermittlung der Datensätze an die zentrale Speicherstelle, der Beantragung von Verfahrensnummern, Protokollierungspflichten etc. Im Saldo ergibt sich die bezeichnete Ersparnis von 85,6 Mio. Angesichts dieser prognostizierten Kostenersparnis erscheint die Einrichtung des ELENA-Verfahrens interessant.
Gleichzeitig ist in Zusammenarbeit mit dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz ein technisches System der Sicherung ausgearbeitet worden, das den Missbrauch der sensiblen Daten verhindern soll. Hierbei kommen modernste informationstechnische Sicherheitsstandards zur Anwendung. Datenflüsse im ELENA-System bewegen sich in einer Einbahnstraße: Datenzuflüsse sind ausschließlich von Arbeitgeberseite, Datenabflüsse hingegen nur in einem Zusammenwirken der befugten Behörde und der betroffenen Person möglich. Hierbei ist die Verwendung des sog. Zwei-Signaturen-Prinzips begrüßenswert. Dies bedeutet, dass die verschlüsselt vorliegenden Daten nur durch Anwendung einer zweifachen elektronischen Kennung von der Sozialbehörde und des Betroffenen freigegeben werden können. Zu einer ausufernden Bevorratung von Daten wird es nicht kommen, da nicht mehr benötigte Daten umgehend gelöscht werden sollen -- spätestens nach 4 Jahren.
Trotz der nicht unerheblichen Kostenvorteile und hohen technischen Sicherheitsvorkehrungen ist m. E. jedoch eine grundsätzliche Skepsis gegenüber dem Verfahren geboten. Das Anlegen eines neuen großen Datenpools, der Entgeltdaten aller berufstätigen Bürger erfasst, ist ein sehr weitreichendes Projekt, das zweifelsohne auch jenseits der befugten Stellen Begehrlichkeiten auslösen wird. Auch wenn im Gesetzentwurf des ELENA-Verfahrens eine Änderung des Verwendungszwecks der Daten ausgeschlossen ist und die gespeicherten Daten nur der Bescheidung von Sozialleistungen dienen dürfen, stellt das Verfahren einen weiteren Schritt in Richtung der digitalen Erfassbarkeit jedes einzelnen Bürgers dar. Ich betrachte dies mit Sorge.
Am vorliegenden Gesetzentwurf missfällt mir aus sozial- und verbraucherpolitischer Perspektive, dass durch den vorliegenden Entwurf Kosten der Unternehmen abgewälzt werden sollen. Sie sprachen bereits an, dass in Zukunft der Bürger für etwa 3 EUR pro Jahr die systemnotwendige elektronische Signatur kaufen soll. Hierdurch werden Kosten von den Unternehmen auf die beschäftigten Bürgerinnen und Bürger umgewälzt. Nur auf Antrag werden diese Kosten zurück erstattet. Das ist nicht in Ordnung!
Abschließend kann ich Ihnen nur versichern, dass die von Ihnen geäußerten Bedenken von der SPD-Fraktion sehr ernst genommen werden und bislang kaum ein Gesetzesentwurf den parlamentarischen Prozess so verlassen hat, wie es in ihn eintrat.
Mit freundlichen Grüßen
Manfred Zöllmer