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Manfred Zöllmer
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Frage von Udo L. •

Frage an Manfred Zöllmer von Udo L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Zöllmer,
Sehr geehrter Herr Hintze,

Im Rahmen der geplanten Online-Untersuchung und der verabschiedeten Vorratsdatenspeicherung habe ich einige kurze Fragen.

1) Worin besteht der Unterschied zwischen den Verkehrsdaten eines Briefes und eines Datenpaketes. Warum werden im einen Fall Absender und Empfaenger gespeichert und im anderen Fall nicht? (Anmerkung: Die oftmals politisch angefuehrte Rechtfertigung dies werde bisher ohnehin schon gespeichert ist bspw bei den weit verbreiteten Flatrates falsch.)

2) Worin besteht der Unterschied zwischen einem PDF Dokument und einem auf dem Schreibtisch materiell vorhandenem Schreiben? Warum soll das eine heimlich gelesen werden duerfen, wogegen fuer das andere eine offene Hausdurchsuchung notwendig ist?

3) Die oft als Rechtfertigung angefuehrte EU-Richtlinie wurde nicht 1:1 umgesetzt sondern ueber ihre Erfordernisse weit hinausgegangen. Warum?

4) Die oft als Rechtfertigung angefuehrte EU-Richtlinie allein ist kaum Rechtfertigung fuer Grundrechtsverstoesse. Auch nach Schengen und Maastricht gilt einerseits eine mangelhafte demokratische Legitimation der entsprechenden EU-Organe sowie andererseits "Gegen jeden der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht moeglich ist.". (20/4 GG). Da sich Vertreter des BVerfG bereits im Vorfeld als nicht zustaendig in Fragen solcher Richtlinien bezeichneten, duerfte andere Abhilfe kaum noch moeglich sein. Deutsche Abgeordnete sind wohl ebenfalls Deutsche im Sinne dieses Artikels. Insofern also die Frage: Wie koennen deutsche Abgeordnete dermassen offensichtlich verfassungswidrige Gesetze verabschieden und warum machen Sie keinen Gebrauch von Ihrem Recht auf Widerstand gegen Verordnungen die nachhaltig die bestehende grundgesetzlich garantierte Ordnung gefaehrden?

Mit freundlichem Gruss,
Udo Luda

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Luda,

vielen Dank für Ihre Anfragen auf abgeordnetenwatch.de.

Für eine effektive Verbrechensbekämpfung im Zeitalter digitaler Kommunikation ist die Nutzung von Telekommunikationsdaten nach einer Studie des Max Planck Instituts leider unerlässlich. Die generelle Speicherung von Verkehrsdaten (keinerlei Inhaltsdaten!) wie etwa wer wann welche Emailadresse kontaktiert hat oder zu welcher Zeit Anrufe getätigt wurden, kann nur mit einem gleichwertigen Grundrecht – mit dem Recht auf Sicherheit – gerechtfertigt werden.
Briefe sind in Deutschland durch das Briefgeheimnis geschützt: Verschlossene Postsendungen dürfen grundsätzlich nicht von der Polizei oder dem Staatsanwalt geöffnet werden, sondern nur von einem Richter (§ 100 Abs. 3 S. 4 StPO). Die Beschlagnahme von Briefen ist gem. § 94 StPO jedoch möglich. Das Briefgeheimnis umfasst jedes Schriftstück, das verschlossen bzw. durch ein verschlossenes Behältnis gegen Kenntnisnahme besonders gesichert ist. Dies ist bei einer PDF-Datei, wie in Ihrem Beispiel nicht der Fall.
Grundsätzlich dient die Vorratsdatenspeicherung ausschließlich dazu, Terroristen zu bekämpfen und ihre Anschlags-Pläne zu entdecken. Gespeicherte Daten werden nur dann genutzt, wenn andere Mittel und Ermittlungsmöglichkeiten der Polizei nicht ausreichen, um Attentatspläne offenzulegen und die Hintermänner zu identifizieren. Die Vorratsdatenspeicherung soll nicht zum „gläsernen Bürger“ führen. Sie dient nicht zur Überwachung unbescholtener Bürger. Es ist mir wichtig darauf hinzuweisen, dass die auf Vorrat gespeicherten Daten den Strafverfolgungsbehörden nur auf richterlichen Beschluss zu einem konkreten Verdachtsmoment – ganz im Sinne einer klassischen Hausdurchsuchung – und nur zur Bekämpfung schwerwiegender Verbrechen (jene, die mit einem Höchstmaß von mehr als 5 Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden können) zur Verfügung gestellt. Die EU-Richtlinie 2006/24/EG wurde von der Bundesregierung wie vorgegeben umgesetzt. Für den Einsatz verdeckter Ermittlungsmaßnahmen wurden hohe grundrechtssichernde Schwellen eingezogen.

Die Sicherheit der deutschen Bürgerinnen und Bürger liegt mir genauso sehr am Herzen wie der Schutz der Privatsphäre jedes Einzelnen. Da dieser Schutz auch nach der Novellierung des Telekommunikationsgesetzes gegeben ist, sehe ich keinen Verstoß gegen die „bestehende grundgesetzlich garantierte Ordnung“.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass gegen den Beschluss der schwarz-gelben Landesregierung Nordrhein-Westfalen, der Online-Durchsuchungen von Computern erlaubte, ein Verfahren beim Bundesverfassungsgericht anhängig ist. Dieses Urteil wird zeigen, wie weit und mit welchen Mitteln der Staat auf private Daten zugreifen darf. Das Ergebnis der Verhandlungen bleibt abzuwarten.

Ich habe größtes Verständnis für Ihre Bedenken, die mit Überwachungsmethoden einhergehen. Eine wirksame Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus darf aber nicht die Augen davor verschließen, dass das Internet auch in diesem Bereich als ein Mittel zur Verfolgung schlechter bzw. verabscheuungswürdiger Zwecke verwendet wird. Insoweit muss sich auch eine Strafverfolgung anpassen.

Mit freundlichen Grüßen

Manfred Zöllmer, MdB