Frage an Manfred Zöllmer von Wolfgang V. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Abgeordneter,
Sie haben im lokalen Bundestagswahlkampf immer wieder betont, dass Sie gegen die CDU, insbesondere Frau Merkel, sind. Dies haben viele Wähler/-innen geglaubt und bei ihrer Stimmabgabe darauf vertraut, dass Sie sich auch dementsprechend bei Abstimmungen verhalten. Die Wahrheit ist jedoch, dass Sie, obwohl Sie als Direktkandidat gewählt wurden und nicht über die SPD-Liste, bei der Abstimmung im Bundestag für Frau Merkel gestimmt haben und Sie mit in Position zur Bundeskanzlerin gebracht haben. Herr Minister Müntefering hat moniert, dass Wähler/-innen von der Politik einfordern, was Ihnen im Wahlkampf versprochen wurde .....
Warum machen Sie nicht von Anbeginn einen ehrlichen Wahlkampf ohne Versprechungen? Und bleiben bei der Wahrheit? Ehrlich fand ich, dass die SPD immer gesagt hat, dass es eine 1- oder 2-prozentige Mehrwertsteuererhöhung mit ihr nicht geben würde; richtig, die große Koalition hat 3% beschlossen. Doch dies hätten Sie im Wahlkampf sagen sollen, dass Sie mehr als 2% wollen (außer bei Netto-Lohnerhöhungen und Kaufkraftsteigerungen versteht sich).
Freundlichst aus dem Wuppertal
Sehr geehrter Herr Vach,
vielen Dank für Ihre Anfrage über das Internetportal kandidatenwatch.de.
In Ihrem Brief setzen Sie sich kritisch mit der Finanz- und Steuerpolitik der Bundesregierung auseinander sowie meinem Abstimmungsverhalten bei der Wahl der Bundeskanzlerin.
Deutschland und sein Modell der sozialen Marktwirtschaft stehen aufgrund einer verstärkten Internationalisierung der Wirtschaft und der zunehmenden Alterung der Gesellschaft vor gewaltigen Herausforderungen. Ein nachhaltiges Wachstum und eine höhere Beschäftigung kann unter den veränderten Rahmenbedingungen nur bei einer ausgewogenen wirtschafts- und finanzpolitischen Strategie von Konsolidieren, Reformieren und Investieren erreicht werden.
Obwohl sich die Situation in Deutschland im Jahr 2006 merklich verbessert hat befinden sich die öffentlichen Haushalte weiterhin in einer ernsten Lage. Die Situation der Haushalte von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherungen hat sich seit Mitte der neunziger Jahre ständig verschlechtert. Die laufenden Ausgaben lagen zum Teil dramatisch über den regelmäßig fließenden Einnahmen. Der hieraus resultierende Konsolidierungsdruck ist enorm. Ein Verzicht auf die notwendigen Konsolidierungsanstrengungen würde die zukünftige Schuldenlast erhöhen und damit den Handlungsspielraum für Wachstumspolitik weiter verengen.
Durch einen Neuanfang in der Haushalts- und Finanzpolitik haben wir die Chance, den nachfolgenden Generationen tragfähige Staatsfinanzen zu übergeben und die notwendigen finanziellen Spielräume für wichtige Zukunftsinvestitionen zurück zu gewinnen. Um diese Ziele zu erreichen, bedarf und bedurfte es eines Umdenkens. Nicht alles was wünschenswert erscheint, kann der Staat bereitstellen.
Durch die Beseitigung von steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten und den Abbau von Steuervergünstigungen wird das Steuerrecht weiterhin vereinfacht und auf eine breitere Basis gestellt. Zur Steigerung der Wachstumsdynamik haben und werden wir in der Legislaturperiode konkrete Impulse mit einem Gesamtvolumen von ca. 25 Mrd. € geben, wozu die Förderung von Forschung und Entwicklung, die Förderung von Handwerk und Dienstleistungen oder die Förderung der Familien durch das beispielsweise jetzt im Januar in Kraft getretene Elterngeld gehören.
Richtig ist, dass wir Mehreinnahmen durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer erzielen. Ich bitte aber nicht unbeachtet zu lassen, dass sich ab Januar dieses Jahres z. B. der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung von 6,5 % auf nur noch 4,2 % absenkt. Das wird jeder Arbeitnehmer unmittelbar bemerken.
Die Steuerpolitik der Großen Koalition wird den begonnenen konjunkturellen Aufschwung unterstützen und zusätzliche Wachstumskräfte mobilisieren. Die Konjunkturindikatoren zeigen an, dass sich die Wirtschaftsentwicklung belebt. Diese Belebung hat inzwischen auch den Arbeitsmarkt erreicht. Im Dezember verzeichnete die Statistik rund 597.000 weniger Arbeitslose als im Dezember 2005. Die Arbeitslosenquote beträgt 9,6 Prozent. Vor einem Jahr hatte sie noch bei 11,1 Prozent gelegen.
Die Umsatzsteuererhöhung, die sowohl zur Konsolidierung der Haushalte von Bund und Ländern als auch zur Senkung der Lohnnebenkosten notwendig ist, tritt damit zu einem Zeitpunkt in Kraft, in der der „Wirtschaftsmotor“ angelaufen ist. Im Übrigen bleibt es bei vielen Produkten – wie etwa Lebensmitteln - bei dem ermäßigten Steuersatz von 7 %.
Ich weiß, dass manche Position – gerade auch im Hinblick auf die Mehrwertsteuererhöhung –im seinerzeitigen Wahlkampf anders war, gleichwohl bedeutet ein Koalitionsvertrag und eine Koalition immer auch ein Kompromiss. Die Finanzsituation des Landes verpflichtet auch dazu unbequeme Wege zu gehen.
Natürlich hätte ich mir auch gewünscht einen sozialdemokratischen Kanzler zu wählen, aber ich habe die Entscheidung der Wähler akzeptiert - die nur eine Große Koalition zuließ - und sehe in der Großen Koalition die Chance notwendige Reformvorhaben umzusetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Manfred Zöllmer