Frage an Manfred Zöllmer von Ivana M. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Zöllmer,
leider ursprünglicher Text zu lang. Mail kommt noch.Es geht um die steuerliche Benachteiligung Alleinerziehender (AE) in BRD.Das Urteil des Bundesfinanzhof, III.Senat, III R62/13, vom 04.Januar 2017 zu Ungunsten alleinerziehender Personen, rein juristisch evtl. in sich folgerichtig, macht auf ungerechte steuerliche Rechtssprechung+Behandlung von Personengruppen aufmerksam. WARUM MÜSSEN ALLEINERZIEHENDE MEHR STEUERN ZAHLEN ALS ANDERE PERSONENGRUPPEN?
AE in Deutschland eine der größten+weiter anwachsenden Risikogruppen in puncto Armut,hierzu Armutsbericht 2016. Steuerlicher Entlastungsbetrag für arbeitende AE in diesem Zusammenhang moralischer und nicht demokratisch tragbarer Schlag ins Gesicht.Neben der meist allein zu tragenden Verantwortung für Kindswohl werden AE für ein Lebensmodell bestraft,dass sie in Mehrheit unfreiwillig antreten (>veraltete Rollennormierung oftmals ohne Alternative: über 90% der AE sind Mütter,der Kindesvater die Mitverantwortung für das Kindswohl und der Erziehung nicht zu tragen gewillt ist, aus einem patriarchalisch-reaktionär-geprägtem Denken heraus).Besonders arbeitende AE zusätzlich für Ihre Doppelbelastung vom Staat bestraft: Vollbeschäftigung (wünschenswert: Schutz vor Armutsrisiko) =unverhältnismäßige Mehrbelastung im Vergleich zu verheirateten oder lebenspartnerschaftlichen Erwerbstätigen mit Kindern im Sinne von geringeren Karrierechancen, versteckter Diskriminierung wegen mangelnder Flexibilität+nicht so großer „Arbeitsnutzbarkeit“>unterliegen AE rein system-imanenter Benachteiligung+zutiefst ungerechte Besteuerung!
Dies im Sinne einer modernen Demokratie überhaupt tragbar? alleinerziehend wird man heute schneller als Sie denken;eine grundlegende Gesetzes- und Steueränderung schon lange überfällig! Helfen Sie bitte, dass wir Alleinerziehende, neben den vorhandenen sozialen Vorurteilen+der Benachteiligung in der Arbeitswelt-eine gerechte steuerliche Grundlage für unsere Kinder erhalten!
Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Milos,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Rund 1,6 Millionen Alleinerziehende gibt es nach Angaben des Bundesfamilienministeriums. Wer ohne Partner Kinder großzieht, kommt finanziell oft kaum über die Runden, denn in der Regel kann der Vater oder die Mutter nur in Teilzeit arbeiten und verdient entsprechend weniger.
Das von Ihnen zitierte Urteil des Bundesfinanzhofs betraf nicht generell die steuerliche Behandlung von Alleinerziehenden, sondern den speziellen Wunsch einer verwitweten Alleinerziehenden nach dem Splittingtarif (sonst für Ehegatten) veranlagt zu werden und einen ungekürzten Abzug der Krankheitskosten gewährt zu bekommen.
Mit dieser dem Splitting-Verfahren zugrunde liegenden Situation ist die Lage Alleinerziehender aber weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht vergleichbar. Die güterrechtlichen Regelungen und der Versorgungsausgleich sind im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern nicht anwendbar. Es liegt keine institutionell geregelte und andere Personen ausschließende Gemeinschaft wie die Ehe vor. Denn unabhängig von der gegenseitigen Unterhaltsverpflichtung ist das Verhältnis fast immer einseitig durch Fürsorge, Erziehung und Unterhalt der Kinder durch den Elternteil geprägt. Der allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) kann daher für die Inanspruchnahme des Splitting-Verfahrens nicht herangezogen werden.
Losgelöst von diesem Einzelfall ist die oft beschwerliche Situation Alleinerziehender bekannt und es wird an den unterschiedlichsten Stellen von Seiten der Politik Vieles dafür getan, um die Situation zu verbessern. Die betrifft z.B. den Ausbau von Ganztagsschulen, die Kinderbetreuung, Befreiung von Kitagebühren etc.
Als Finanzpolitiker möchte ich zudem auf folgendes hinweisen:
Um Alleinerziehenden das Leben finanziell zu erleichtern, gewährt der Staat Ihnen bei der Einkommensteuer einen Entlastungsbetrag. Diesen können alleinstehende Mütter und Väter bekommen, die Anspruch auf Kindergeld oder den Kinderfreibetrag haben – entweder über die jährliche Einkommensteuererklärung oder über einen Lohnsteuerermäßigungsantrag.
Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende wurde unter Berücksichtigung der seit 2004 insgesamt gestiegenen Lebenshaltungskosten von 1.308 Euro auf 1.908 Euro (plus 600 Euro) angehoben. Außerdem wurde er nach der Zahl der im Haushalt des alleinerziehenden Steuerpflichtigen lebenden Kinder gestaffelt (Erhöhungsbetrag für jedes weitere Kind von jeweils 240 Euro). Die Erhöhung gilt rückwirkend bereits ab 2015. Zusätzlich wurde der Kinderfreibetrag 2015 von 2.184 Euro auf 2.256 Euro (plus 72 Euro) je Elternteil angehoben.
Der Kinderfreibetrag wirkt sich nicht auf die Höhe der Lohnsteuer aus. Auch wenn sich der Kinderfreibetrag auf die Höhe der Lohnsteuer nicht auswirkt, so ergibt sich aber doch eine steuerliche Entlastung bei den Zuschlagsteuern (Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer), denn hier werden immer die steuerlichen Freibeträge für Kinder berücksichtigt. Genau wie beim Grundfreibetrag hat sich der Gesetzgeber bei der Erhöhung des Kinderfreibetrags und bei den Auswirkungen auf die Zuschlagsteuern für eine Nachholung der Entlastung – also rückwirkend für 2015 - entschieden.
Wie Sie vielleicht aus den Medien entnommen haben, haben sich Bund und Länder zudem am 23. Januar 2017 in Anlehnung an ihren Beschluss vom 14. Oktober 2016 auf die konkreten Eckpunkte zum Ausbau des Unterhaltsvorschusses verständigt. Auch dies betrifft Alleinerziehende.
Die Einigung umfasst folgende Punkte:
1. Um die staatliche Unterstützung von Kindern von Alleinerziehenden zielgenau und entlang der Lebenswirklichkeiten zu verbessern, heben wir die derzeitige Höchstbezugsdauer von 72 Monaten auf und heben im Unterhaltsvorschussgesetz die Höchstaltersgrenze von derzeit 12 Jahren auf das vollendete 18. Lebensjahr an.
2. Für alle Kinder bis 12 Jahre wird die Höchstbezugsdauer von 72 Monaten aufgehoben. Hierdurch werden 46.000 Kinder zwischen 6 und 12 Jahren im Unterhaltsvorschuss bleiben können. Das gilt auch für alle Kinder, die zukünftig Unterhaltsvorschuss erhalten werden.
3. Für Kinder im Alter von 12 Jahren bis zum vollendeten 18. Lebensjahr gibt es in Zukunft ebenfalls einen Anspruch auf Unterhaltsvorschuss. Dieser wird wirksam, wenn das Kind nicht auf Grundsicherungs -Leistungen angewiesen ist oder wenn der/die Alleinerziehende im Arbeitslosengeld II-Bezug ein eigenes Einkommen von mindestens 600 Euro brutto erzielt. Auch für sie gibt es keine Höchstbezugsdauer mehr.
Diese Reform tritt schon in diesem Jahr zum 1. Juli in Kraft. Ich denke, dass dies sehr wichtige und richtige Maßnahmen und familienpolitische Verbesserungen sind, die unsere Familienministerin Manuela Schwesig durchgesetzt hat. Frau Solveig Schuster, Chefin des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV), sagte jedenfalls: „Damit erfüllt sich nicht nur eine langjährige Forderung unseres Verbandes, diese Entscheidung ist ein Meilenstein auf dem Weg zur Bekämpfung der Kinderarmut im Land."
Ich weiß, dass die Situation Alleinerziehender häufig sehr beschwerlich ist. Sie wird aber gesehen, an Verbesserungen wird stetig gearbeitet und Ihre Leistung als Mutter findet große Anerkennung und Wertschätzung.
Mit freundlichen Grüßen
Manfred Zöllmer, MdB