Frage an Manfred Zöllmer von Klaus R. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Zöllmer,
seit 11 Jahren arbeite ich als Freiberuflicher Berater für Projekt- u. Qualitätsmanagement, leiste Abgaben, zahle Steuern, sorge für meine Altersversorgung. Mein Lebensmodell ist darauf ausgerichtet, keine Ansprüche an Leistungen von der Gemeinschaft zu stellen. Ich bin selbständig.
Am 16.02.2016 will das BMAS den Gesetzesentwurf gegen den Missbrauch von Werkverträgen dem Kabinett vorstellen. Dieser wirkt sich auch auf mich aus, obwohl ich selbst nach Abzug der Betriebskosten ein weitaus höheres Nettoeinkommen habe, als ein vergleichbarer Angestellter. Die Kriterien zur Definition von Scheinselbständigkeit des §611a, BGB erklären mich zum Scheinselbständigen.
Mehr als 100.000 Selbständige in der IT, aber auch anderer Berufe, insgesamt ca. 2,7 Mio. Einzelselbständige befinden sich in vergleichbarer Lage.
Ist es gewollt, dass ein Steuervolumen von mehreren Mrd. Euro entfällt und stattdessen die Zahl der Privatinsolvenzen und ALGII-Empfänger in die Höhe geht?
Kann es im Sinne des Wirtschaftsstandortes Deutschland sein, wenn das einzige Mittel dem Fachkräftemangel auf dem Sektor der Wissensarbeit auf flexible Weise zu begegnen, per Gesetz abgeschafft wird?
Ist es gewollt, dass in der Folge Innovationsprojekte ins Ausland verlagert oder gar nicht durchgeführt werden?
Was soll ich tun? Meinen Beruf werde ich in der gewohnten Form nicht mehr ausüben dürfen, meine Familie nicht mehr versorgen, meine bisher aufgebaute Altersversorgung finanziell nicht mehr bedienen können.
Ich bitte Sie, für die Nachbesserung des Gesetzesentwurfes einzutreten. Der Grundgedanke des Gesetzes ist zweifellos gut. Der Gesetzgeber muss seiner Fürsorgepflicht gegenüber Schutzbedürftigen nachkommen. Nur darf es nicht sein, dass dies zu Lasten der nicht Schutzbedürftigen geschieht.
Freundliche Grüße / best regards
Klaus Rottmann
Sehr geehrter Herr Rottmann,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 7. Februar 2016.
Sie äußern Ihre Bedenken bezüglich des Referentenentwurfs „zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze“ (AÜG).
Im Koalitionsvertrag wurde festgelegt, Leiharbeit und Werkverträge zu regulieren, um den Missbrauch zu beenden und das Umgehen von Arbeitsstandards verhindern. Hierfür sollen die gesetzlichen Rahmenbedingungen geändert werden.
Sie kritisieren insbesondere die im Referentenentwurf (November 2015) formulierten Kriterien zur Definition eines Arbeitsvertrages. Aufgrund eines weiteren Sozialpartnergespräches hat das Bundesarbeitsministerium die Regelung des § 611a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) überarbeitet und die Kriterien herausgenommen. Ihrem Anliegen wurde Rechnung getragen. Die neue praktikable Lösung orientiert sich an den Vorschlägen von Arbeitsrichterinnen und Arbeitsrichtern.
Hierzu gebe ich Folgendes noch zu Bedenken:
Seit einigen Jahren benutzen Arbeitgeber verstärkt Leiharbeit und Werkverträge dazu, Belegschaften zu spalten und Lohndumping zu betreiben. Dadurch sind Beschäftigte zweiter und dritter Klasse entstanden. Sie verfügen über weniger Lohn, haben schlechtere Arbeitsbedingungen und weniger Rechte.
Der Referentenentwurf sieht zur Missbrauchsbekämpfung die Einfügung eines neuen § 611a im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) zum Dienstvertrag vor. Eine gesetzliche Fixierung der Abgrenzung zwischen ordnungsgemäßen und missbräuchlichen Fremdpersonaleinsatz, ist im BGB erforderlich, um das Arbeitsverhältnis zu definieren und damit den Arbeitsvertrag vom Werkvertrag abgrenzen zu können. Die sinnvolle Arbeitsteilung dieser beiden Instrumente wird dadurch nicht eingeschränkt, da die Gesamtabwägung aller Umstände maßgeblich bleibt. Betrug wird aber in Zukunft deutlich erschwert.
Für ehrliche Arbeitgeber wird mit den Regelungen des aktuellen Referentenentwurfes mehr Rechtssicherheit bei der Abgrenzung von abhängiger und selbstständiger Tätigkeit geschaffen. Im Referentenentwurf wird gesetzlich definiert, wer Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer ist. Die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Kriterien werden zur Verbesserung von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit festgeschrieben.
Für die Feststellung eines Arbeitsvertrages kommt es auf die getroffenen Vereinbarungen, also auf den Vertrag, und auf dessen praktische Durchführung an. Widersprechen sich der Vertrag und seine tatsächliche Durchführung, ist die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses zur Einordnung als Arbeitsvertrag maßgebend.
Mit den Regelungen des Referentenentwurfes bekommen die Betroffenen und Prüfbehörden einen klaren Orientierungsrahmen. Sie dienen damit der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit bei der Anwendung des geltenden Rechts.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt diskutieren wir über einen Referentenentwurf, der noch nicht vom Kabinett beschlossen und damit dem Deutschen Bundestag noch nicht übermittelt wurde. Die Union stellt sich gegen die klaren Vereinbarungen des Koalitionsvertrages und blockiert die eigentlich verabredete Ressortabstimmung zu dem Gesetz. Der jetzt vorgelegte Referentenentwurf war bereits ein Kompromiss im Sinne der ganzen Sache. Erst nach Einbringung ins Parlament wird im Rahmen einer öffentlichen Anhörung dieser Referentenentwurf mit Expertinnen und Experten diskutiert und dann abschließend im deutschen Bundestag beraten und verabschiedet.
Mit freundlichen Grüßen
Manfred Zöllmer, MdB