Portrait von Manfred Zöllmer
Manfred Zöllmer
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Manfred Zöllmer zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Holger K. •

Frage an Manfred Zöllmer von Holger K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

1.) Wie stehen Sie dazu, dass die EU-Kommission nach zahlreichen Enthüllungen zu den Verhandlungen über das TTIP-Handelsabkommen noch einmal die Geheimhaltung gegenüber dem Bürger und Wähler verschärft? - So wurde der vertrauliche Bericht über die zehnte Gesprächsrunde mit den Amerikanern aktuell nicht mehr an einmal mehr die EU-Mitgliedsstaaten verschickt, sondern ist nur noch für spezielle Beamte und Politiker in einem sicheren Leseraum in Brüssel einsehbar.
2.) Wie stehen Sie generell zu dem durch TTIP angestrebten Investitionsschutzabkommen und diesem marktkonformen aber bürgerfeindlichen Demokratie-Verständnis Ihrer Kollegin Angela Merkel und ihres Ministers Sigmar Gabriel? - Dieses Abkommen soll es Unternehmen erlauben, vor wenig regulierten und intransparenten Schiedsgerichten gegen Staaten zu klagen, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen. Die nationalen Gerichte (und damit die Interessen der nationalen und regionalen Bürger sollen zukünftig zu Gunsten von Konzernen) umgangen werden.

Zuletzt: Wie stehen Sie zu der pointierten Diagnose von Jakob Augstein im Wochenblatt `Der Spiegel`: „Die SPD ist am Ende. Sie ist eine untote Partei. Sie bewegt sich noch. Aber sie hat keine Seele mehr. Willy Brandt hat einst gesagt: "Es hat keinen Sinn, eine Mehrheit für die Sozialdemokraten zu erringen, wenn der Preis dafür ist, kein Sozialdemokrat mehr zu sein." Inzwischen, denkt man, ist es andersherum: „Die Sozialdemokraten erringen keine Mehrheiten mehr, weil sie gar keine Sozialdemokraten mehr sind.“

Ich bitte Sie, um kurze ehrliche Antworten und nicht um die üblichen politischen Satzbausteine.

Portrait von Manfred Zöllmer
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Kreusch,

vielen Dank für Ihre Anfrage zu den TTIP-Verhandlungen.

In den letzten Wochen hat es viele Anrufe, Briefe und E-Mails besorgter Bürgerinnen und Bürger in dieser Sache gegeben.

Die laufenden Verhandlungen über die transatlantischen Freihandelsabkommen haben eine intensive gesellschaftliche Debatte über Chancen und Risiken solcher Abkommen angestoßen. Viele Menschen verbinden mit den Verhandlungen erhebliche Sorgen. Vor allem haben sie die Befürchtung, dass bewährte Rechte und Standards in Europa etwa bei Arbeitnehmerrechten, dem Verbraucher, Umwelt‐ und Gesundheitsschutz, der öffentlichen Daseinsvorsorge, bei Kultur, Tierschutz oder bei Lebensmitteln unterlaufen werden könnten. Diese Sorgen nehmen wir sehr ernst.

Zunächst möchte ich aber darauf hinweisen, dass völkerrechtliche Verträge der Europäischen Union mit Drittstaaten in der Handelspolitik nichts Ungewöhnliches sind. Das bisher umfassendste Regelwerk der Handelspolitik betrifft die Schaffung der Welthandelsorganisation WTO im Jahr 1995. Diesem großen Vertragswerk haben seinerzeit nicht nur die Parlamente aller Mitgliedstaaten zugestimmt, es findet bereits auch Anwendung im Verhältnis der EU-Staaten einerseits und den USA andererseits, da alle diese Staaten Mitglied der Welthandelsorganisation WTO sind.

Über durchaus vorhandene Auffassungsunterschiede zwischen der EU und den USA, etwa im Bereich der Lebensmittelstandards in Bezug auf die Gentechnik, wurden bei der WTO auch bereits Streitschlichtungsverfahren geführt. Dies alles hat den Vorteil, dass die Verhandler der Europäischen Union nicht blauäugig in die Verhandlungen um TTIP gehen, sondern sich der Unterschiede und Gefahren wohl bewusst sind.
Die Verhandler der Europäischen Kommission haben keine Freiheit, sich über europäische Standards hinwegzusetzen oder diese zu untergraben. Denn sie werden eingegrenzt durch das Mandat, welches die europäischen Mitgliedstaaten im Rat der Europäischen Kommission einstimmig erteilt haben.

Um die Bindungswirkung eines völkerrechtlichen Vertrags der Europäischen Union im Umfang des angestrebten TTIP-Abkommens zu rechtfertigen, vertritt die SPD-Bundestagsfraktion die Auffassung, dass TTIP durch den Bundestag und den Bundesrat ratifiziert werden muss. Nach meiner Kenntnis vertritt auch die Bundesregierung sowie alle anderen Regierungen der Europäischen Mitgliedsstaaten diese Ansicht. Damit hat jeder Bundestagsabgeordnete das Recht, über TTIP am Ende abzustimmen und ihm Legitimität zu verleihen.

Zur Frage der von Ihnen angesprochenen privaten Schiedsgerichte im Zusammenhang mit den Investor-Staat-Schiedsverfahren sind die Verhandlungen in keinem Fall beendet. In diesem Zusammenhang möchte ich zum einen auf einen Vorschlag der sozialistischen und sozialdemokratischen Partei- und Regierungschefs vom 21. Februar 2015 auf ihrer Tagung in Madrid hinweisen. Dort wird eine Fortentwicklung der Schiedsgerichte hin zu einem staatlichen Handelsgerichtshof empfohlen. Dieser Vorschlag wurde von der Europäischen Kommission recht gut aufgenommen und er hat in unserer Fraktion sowie im Europäischen Parlament eine lebhafte Diskussion ausgelöst.

Das Europäische Parlament hat Anfang vergangenen Monats nunmehr eine Resolution zu den laufenden TTIP-Verhandlungen verabschiedet. Damit setzt das Europaparlament einen wichtigen Maßstab für ein gutes und faires TTIP und verankert eine Ablehnung der bisherigen privaten Schiedsstellen in der TTIP- Resolution. Hierbei war die Rolle der europäischen Sozialdemokraten entscheidend, die sich unter Führung ihres Berichterstatters Bernd Lange nun in entscheidenden Punkten durchgesetzt haben. Umstrittenster Punkt sind die privaten Schiedsgerichte ISDS (Investor-State Dispute Settlement). Mit der klaren Absage an die privaten Schiedsgerichte konnte erreicht werden, dass ein demokratisches und transparentes Gerichtsverfahren mit unabhängigen Richtern und eine Revisionsinstanz im TTIP-Abkommen gefordert wird.

Neben der Forderung, das ISDS-System durch ein neues System zu ersetzen, haben sich die Sozialdemokraten auch für die Verankerung von starken Arbeitnehmerrechten eingesetzt. Außerdem sind der unmissverständliche Schutz unserer öffentlichen Daseinsvorsorge sowie der kulturellen Vielfalt in der Resolution verankert. Auch sind die europäischen Standards im Verbraucher-, Umwelt- und Datenschutz nicht verhandelbar. Damit hat sich das Europäische Parlament sehr eindeutig positioniert. Nur unter diesen Voraussetzungen wird es einem TTIP-Verhandlungsergebnis zustimmen. Die Europäische Kommission hat in ersten Reaktionen bereits ein Eingehen auf die Forderungen des Europäischen Parlaments angekündigt. Damit ist die falsche Behauptung, mit TTIP werde es eine Herabsetzung der europäischen Standards geben, eindeutig widerlegt.

Hinsichtlich der von Ihnen eingeforderten Transparenz sind wir ebenfalls dafür, dass es eine größere Transparenz bei den Verhandlungen zu TTIP geben muss. Alle Mitglieder des Europäischen Parlaments sollten vollen Zugang zu den Verhandlungsdokumenten von TTIP erhalten und die Öffentlichkeit muss einen verbesserten Zugang zu Informationen erhalten.

Ich möchte Ihnen abschließend versichern, dass es mit der SPD nur ein Abkommen geben wird, das den Interessen der Bürgerinnen und Bürgern und der Wirtschaft unseres Landes nützt.

Zu guter Letzt: jeder journalistische Kommentator ist frei in seiner Meinung. Das muss insoweit nicht weiter kommentiert werden, aber sicherlich gilt als Replik auf den Augstein-Kommentar der alte Satz „Totgeglaubte leben länger“. Ohne die Sozialdemokraten gäbe es die oben erwähnten Veränderungen der Debatte um TTIP und vieles mehr nicht.

Mit freundlichen Grüßen

Manfred Zöllmer