Frage an Manfred Zöllmer von Rolf B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag H.Zöllmer!
Frage: Sehr viele Politiker haben neben dem Bundestagsmandat auch noch einige div. "Nebenbeschäftigungen". Das bedeutet, die "Volksvertreter" sind im Bundestag nicht genug ausgelastet.
Frage: Warum hat uns die SPD vor der Bundestagswahl 2005 in Bezug auf eine MWST-Erhöhung so sehr belogen?
Frage: Warum ist es so schwer in diesem Forum Antworten zu erhalten? Die Fragen werden vorher gefiltert, ob sie auch angenehm sind.
Frage: Warum werden arbeitslose Menschen an private Arbeitsvermittlungen abeschoben? Ist die Arbeitsagentur unfähig oder geht es nur darum, diese Arbeitslosenstatistik nach unten zu bringen?
Frage: HARTZIV. Es wäre toll, wenn unsere sogenannten "Volksvertreter" mal 6 Monate nur davon leben. Es wäre eine Erfahrung für diese Leute, wie sich diese Gesetze auswirken.
Frage: Wieviele Abgeordnete sind noch "normale" Arbeiter und Angestellte?
Na ja, vielleicht erhalte ich ja mal eine Antwort. Aber bitte verständlich und nicht im Beamtendeutsch. Das versteht ja kaun jemand.
MfG
Breithaupt
Sehr geehrter Herr Breithaupt,
vielen Dank für Ihren Beitrag.
Ich will nacheinander auf Ihre einzelnen Fragen bzw. Feststellungen eingehen.
1. Unsere Verfassung sieht eindeutig vor, dass den Abgeordneten erlaubt ist, Nebentätigkeiten auszuführen. Artikel 48 Absatz 2 unseres Grundgesetzes verlangt, dass eine Kündigung oder Entlassung aus einem Arbeitsverhältnis aufgrund der Aufnahme des Bundestagsmandats unzulässig ist. Hierdurch wollten die Väter unserer Verfassung sicherstellen, dass auch abhängig Beschäftigte die nötige berufliche Unabhängigkeit zur Aufnahme eines Bundestagsmandats erhalten. Gleichzeitig gewährleistet das Engagement der Bundestagsabgeordneten in weiteren gesellschaftlichen Betätigungsfeldern, dass es sich bei den Mandatsträgern tatsächlich um "Volksvertreter" handeln kann und nicht um eine vom Volk abgekoppelte Schicht von Berufspolitikern.
Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch richtigerweise festgestellt, dass dies natürlich seine Grenzen haben muss. Die Ausübung des Bundestagsmandats muss selbstverständlich im Zentrum der Betätigung eines Abgeordneten stehen.
Ich selber bin für die Zeit meines Mandats im Bundestag von meiner Anstellung als stellvertretender Schulleiter beurlaubt. Ich bin außerdem Mitglied im Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Dies ist jedoch keine der von Ihnen angesprochene Nebenbeschäftigungen, sondern Teil meiner Berichterstattung im Finanzausschuss des Bundestages.
2. Die SPD ist 2005 mit der Ansage in den Wahlkampf gegangen, eine Erhöhung der Mehrwertsteuer nicht anzustreben. In den folgenden Koalitionsverhandlungen mit der CDU/CSU konnte diese Position jedoch angesichts der hohen Staatsverschuldung nicht durchgehalten werden. Ich habe Ihnen einen Artikel von spiegel-online herausgesucht, der einen knappen Eindruck des damaligen Verhandlungspokers widergibt: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,382364,00.html
Derzeit erleben wir in zunehmenden Maße, die schlimmen Folgen der hohen Schuldenlast des Bundes. Die Handlungsfähigkeit des Staates leidet unter der großen Zinslast. Im Jahr 2005 wollte die SPD die dringend nötigen Staatseinnahmen durch eine gezielte Besteuerung sehr hoher Privateinkommen erreichen. Das war gegen die CDU/CSU jedoch nicht durchzusetzen. Als leidiger Kompromiss mussten wir der Erhöhung der Mehrwertsteuer zustimmen, da nur so die nötigen Einnahmen erzeugt werden konnten. Das war für uns ein harter Schritt angesichts der Wahlaussagen.
In Zukunft kann eine solide Finanzierung des Staates aber nur durch die stärkere Besteuerung von hohen Einkommen und großen Vermögen erreicht werden. Wer wie die schwarz-gelbe Koalition in der aktuellen Situation von Steuersenkungen spricht verkennt den Ernst der Lage.
3. Über die Moderationsregeln von abgeordnetenwatch.de müssen Sie sich mit den Machern dieser Internetseite unterhalten. Abgeordnetenwatch.de ist eine unabhängige, gemeinnützige Initiative, auf deren Entscheidungen Bundestagsabgeordnete natürlich keinen Einfluss haben.
4. Private Arbeitsvermittler sind im Auftrag der Arbeitsagentur tätig. Durch die Einschaltung privater Vermittler soll das Kontaktnetz in die Wirtschaft ausgeweitet und dadurch die Vermittlung einer Arbeitsstelle beschleunigt werden. Die Übertragung der Vermittlung an einen Privaten unterliegt dabei bestimmten Beschränkungen und Qualitätskontrollen. Die Tätigkeit einer privaten Arbeitsvermittlungsagentur führt nicht dazu, dass die Arbeitslosenstatistik verändert wird.
5. Ich weiß aus einer Vielzahl von Gesprächen mit Betroffenen, der Arbeitsagentur und der ARGE wie sich die Gesetze auswirken.
6. Wie viele Arbeiter und Angestellte es unter den Abgeordneten im Bundestag gibt, habe ich nicht gezählt. Aus meinen alltäglichen Umgang mit den Kollegen der SPD-Fraktion weiß ich, dass viele vor ihrem Einzug in den Bundestag als Angestellte oder Arbeiter in abhängiger Beschäftigung standen. Natürlich gibt es auch viele Studierte und Experten aus ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen, so dass sich ein beachtliches Fachwissen in der SPD-Fraktion sammelt. Wenn Sie genauere Informationen benötigen, finden Sie eine klare Aufstellung aller Abgeordneten und deren beruflichen Werdegang auf der Internetseite des Bundestage http://www.bundestag.de .
Mit freundlichen Grüßen
Manfred Zöllmer