Frage an Mahmut Özdemir von René B. bezüglich Recht
Hallo Herr Özdemir,
vor dem Hintergrund der aktuellen Corona Situation würde mich interessieren, wie die SPD sich in hinblick auf die korrekte Umsetzung demokratisch-parlamentarische Arbeit positioniert.
Zur genaueren Erläuterung möchte ich folgende Nachrichtenportale aufzeigen:
Kurz gesagt geht es darum, dass Grundrechte abgebaut werden, Gesetze "beschlossen" werden, die Teils auf keinerlei Grundlage stehen und Parlamente die nur noch abnicken. Es ist schön zu sehen, dass dies mittlerweile auch Thema in der Presse ist.
Natürlich bereitet mir die Gesundheitssiutation sorgen. Einschränkungen sind nie schön.
Aber was mir persönlich noch mehr sorgen bereitet, sind massive Einschnitte in meine Bürgerrechte die jedoch scheinbar ohne parlamentarische Kontrolle durchgewunken werden und niemanden scheint es zu stören. Gesetze die noch vor Monaten nicht durchzukriegen waren, werden nun schnell beschlossen (oder es wird zumindest versucht). Die Regierung beschließt, Parlament sagt "ja".
Beispiel:
Ortung meines Mobiltelefones (Stichwort: Vorratsdatenspeicherung - Verfassungswidrig - jetzt soll sie doch kommen?). Im Entwurf ist von Richtervorbehalt keine Rede. Wie kann sowas sein?
(https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/anti-corona-massnahmen-spahn-befeuert-debatte-um-handy-ortung-zur-corona-eindaemmung/25686796.html)
Wer garantiert mir als Bürger dass diese beschlossenen Maßnahmen nach der Krise wieder abgebaut werden wo doch alles durchgewunken wird(wurde)?
Wer garantiert mir, dass die Eingriffe in meine verfassungsmäßigen Rechte nach Corona nicht auch anderen Zwecken zugeführt werden? Da sie ja "so wirksam" sind (dann nicht mehr gegen "das Virus" sondern z. B. im Bereich Kriminalität).
"Zerfleddert die Verfassung und alles andere ist egal.", darf es meiner Meinung nach nicht geben.
Mit freundlichen Grüßen
Rene Bove
Sehr geehrter Herr B.,
ich danke Ihnen für Ihre Anfrage und möchte Ihnen vorangestellt versichern, dass die in Deutschland getroffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausweitung des Coronavirus grundrechtskonform sind.
Mit dem Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite hat der Deutsche Bundestag, welcher demokratisch gewählt ist, die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Bundesregierung mehr Verantwortung bei der Bewältigung dieses so schwerwiegenden, grenz- und bundesländerüberschreitenden Infektionsgeschehens übernehmen kann. Damit konnte die Bundesregierung in dieser außergewöhnlichen Situation mit eigenen Kompetenzen an die Seite der Bundesländer treten. Wir bündeln die Kräfte gegen COVID19.
Aufgrund der festgestellten Tragweite der aktuellen Lage, welche über gesteckte Grenzen von Bundesländern hinweggeht, hat das Bundesgesundheitsministerium eigene Kompetenzen zur unmittelbaren Anordnung von Maßnahmen und zum Erlass von Rechtsverordnungen erhalten. Alle Maßnahmen dienen dazu, die bundesländerübergreifende Verbreitung des Coronavirus weiter einzudämmen und zu verlangsamen. Außerdem können die Folgen der Epidemie gemindert werden. Das gilt sowohl für die Versorgung mit Arzneimitteln, Hilfsmitteln und Medizinprodukten, insbesondere Schutzausrüstung und Labordiagnostik, als auch für die medizinische und pflegerische Versorgung.
Die neuen Regelungen im Infektionsschutzgesetz sind bis zum 31. März 2021 befristet, um auf Ihre Frage der Länge der Maßnahmen einzugehen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wird der Bundestag auf der Grundlage des Berichtes, zu dem das Bundesgesundheitsministerium verpflichtet ist, beraten, ob sich die Regelungen bewährt haben, und entscheiden, welche Regelungen darüber hinaus oder stattdessen notwendig sind.
Der Deutsche Bundestag wird genau verfolgen, wie sich die Maßnahmen auswirken und werden bei Bedarf auch nachsteuern. Darüber hinaus beziehen sich die Regelungen speziell auf das Virus und dessen Bekämpfung, weshalb die von Ihnen befürchtete Ausweitung der Anwendung auf andere Sachverhalte nicht möglich ist. Jene sind frei über den Internetauftritt des Deutschen Bundestages abrufbar.
Es ist korrekt, dass derzeit über die Nutzung einer Handy-App zur Nachverfolgung von Infektionsketten diskutiert wird. Jene würde allerdings auf freiwilliger Basis erfolgen und wäre demnach ebenfalls rechtskonform. Bundesinnenminister Horst Seehofer steht diesbezüglich in Kontakt mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber, die politische Verantwortung läge hier aber letztlich aufgrund der zuvor dargestellten Regelungen beim Bundesgesundheitsministerium. Damit eine solche App allerdings einen Nutzen bringen kann, wäre laut des Robert-Koch-Instituts eine Beteiligung innerhalb der Bevölkerung von mindestens 30 Prozent nötig.
Die COVID-19-Pandemie zwingt uns alle ohne Zweifel dazu, unser soziales, wirtschaftliches und öffentliches Leben in einem Ausmaß einzuschränken, das uns bis vor kurzem noch völlig undenkbar erschien. Kindertagesstätten, Schulen, Freizeit- und Kultureinrichtungen, Gastronomiebetriebe und Einzelhandelsgeschäfte sind bundesweit geschlossen. Öffentliche Veranstaltungen sind untersagt. Die Menschen sind angehalten, ihre Wohnungen nur noch in bestimmten Fällen zu verlassen. Viele Personen müssen sich in häusliche Quarantäne begeben. Die Bundesregierung und das Parlament versuchen innerhalb von kürzester Zeit die bestmöglichen Hilfen zu erarbeiten – denken Sie doch allein an die im Nachtragshaushalt festgelegten 156 Milliarden Euro, welche zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen freigesetzt wurden. Trotz der gebotenen Eile wird dabei die Rechtsstaatlichkeit nicht außer Acht gelassen. Das ist mir als Innenpolitiker besonders wichtig.
Abschließend möchte ich nicht versäumen, herzlichen Dank zu sagen an all die Beschäftigten, die durch ihren unermüdlichen Einsatz unsere Versorgung aufrechterhalten und die Bürgerinnen und Bürger, welche die Maßnahmen des Bundesgesundheitsministeriums beachten und somit die Steuerung der Krise erleichtern.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Mahmut Özdemir