Frage an Mahmut Özdemir von Beate R. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Özdemir,
Herr Gabriel plant die Infrastruktur Deutschlands durch private Investionen zu finanzieren: http://blog.zeit.de/herdentrieb/2014/08/28/der-wirtschaftsminister-plant-milliardengeschenk-fuer-versicherungen-und-banken_7698
Gleichzeitig wollen verschiedene Bundesländer die LKW Maut auch auf Bundesstrassen erheben. Ökonomisch werden die Kosten in den Preisen von Gütern und Dienstleistungen an die Verbraucher weitergegeben. Sie entsprechen in ihrer Wirkung einer Mehrwertsteuererhöhung. Eine Mehrwertsteuererhöhung belastet kleine Einkommen überproportional. Plant die SPD an anderer Stelle hohe Einkommen zu belasten um kleine Einkommen zu entlasten?
Mit freundlichen Grüßen
Beate Richter
Sehr geehrte Frau Richter,
vielen Dank für ihre Frage zum Thema Infrastrukturfinanzierung. Die verzögerte Beantwortung scheint auf einem technischen Fehler zu basieren, den ich und mein Büro nicht aufklären können. Dennoch antworte ich Ihnen jetzt, verbunden mit dem Angebot eines telefonischen Gesprächs zu Ihrer Frage.
Wir sind überzeugt, dass Deutschland mehr Investitionen braucht. Nicht nur im Bereich der Verkehrsinfrastruktur gibt es „Schlaglöcher“, die die schwarz-gelbe Vorgängerregierung einfach übergangen hat, die wir aber ausbessern müssen, damit wir weiterhin gesamtgesellschaftlich gut für die Zukunft aufgestellt sind. Für die Daseinsvorsorge sind neben Bund und Ländern in großem Maße die Kommunen verantwortlich. Einige der Kommunen unseres Landes werden aber durch die jetzige Finanz- und Aufgabenordnung zwischen Bund und Ländern mit gravierend hohen Ausgaben belastet. Andere Kommunen wiederum profitieren von dem aktuellen System und erzielen Haushaltsüberschüsse.
Diesen Schiefstand im Koalitionsvertrag anzuerkennen und mit umfangreichen kommunalen Entlastungsmaßnahmen entgegenzutreten, ist eine große Leistung der Sozialdemokraten in dieser Legislaturperiode. Es deutet sich damit ein Kulturwandel an weg vom Verdrängen hin zum Anpacken. Mit Maßnahmen wie dem Kommunalentlastungsgesetz entlastet der Bund schon heute die Kommunen jährlich im zweistelligen Milliardenbereich. Ab 2018 werden die Kommunen in einem zweiten Schritt dann nochmals zusätzlich von einer Kostentragung i.H.v. ca. 2,5 Mrd. € jährlich entbunden. Damit erreichen wir eine bedeutende Erleichterung für die finanzschwachen Kommunen, die sich in der Folge ihren verwaltungstechnischen Aufgaben wieder in gebotenem Umfang zuwenden können. Nach 2019 wird dann die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen zu gewährleisten haben, dass der strukturellen Benachteiligung einiger Länder und Kommunen entgegengewirkt wird und die Kommunen wieder Investitionen tätigen können – von städtebaulichen Maßnahmen wie ÖPNV, Krankenhäusern, Hochschulen bis hin zu den Sozialprogrammen für Jugendliche und Menschen in sozial schwächeren Milieus. Dieses Ziel der kommunalen Handlungsfähigkeit kann meines Erachtens nicht erreicht werden, wenn wir den horizontalen Finanzausgleich zwischen den Ländern vollständig abschaffen. Dies schlagen jedoch einige Politiker vor.
Der von ihnen angesprochene Investitionsfonds des Bundeswirtschaftsministeriums und des Bundesfinanzministeriums umfasst auch einen kommunalen Infrastrukturinvestitionsfonds in Höhe von 3,5 Milliarden Euro. Das ist eine große Summe, die die Kommunen aber auch bitter nötig haben. Der kommunale Eigenanteil an den durch den Fonds geförderten Maßnahmen soll nur 10% betragen. Dies hat einen ganz einfachen Grund. Angesichts der laufend hohen Ausgaben in vielen der von dem Fonds angesprochenen finanzschwachen Kommunen können diese kaum eigenes Geld für Investitionsprojekte zur Verfügung stellen. Gleichzeitig ist es aus Kosten- und Wirtschaftlichkeitsgründen vielfach von Vorteil, mit privaten Unternehmen und Geldgebern zusammenzuarbeiten. Der Behauptung, der Bund privatisiere damit die Daseinsvorsorge, trete ich entgegen. Vielmehr wird den finanzschwachen Kommunen durch das Investitionsprogramm ihre finanzielle und gestalterische Selbstständigkeit ein Stückweit zurückgegeben. Schließlich entscheiden diese, welche Investitionsmaßnahmen zu tätigen sind.
Die von Ihnen dargestellte Verbindung zwischen privater Infrastrukturfinanzierung, der Erhebung von Lkw-Maut auf Bundesstraßen und der faktischen Erhöhung von Mehrwertsteuern leuchtet nicht ein. Durch zusätzliche privatwirtschaftliche Tätigkeit und deren damit verbundene Besteuerung und mehr Einnahmen aus Verkehrsabgaben steigen die Einnahmen des Fiskus ohne negative Auswirkungen auf das Preisniveau. Im Koalitionsvertrag haben sich SPD und CDU/CSU darauf verständigt, die Mehrwertsteuer in dieser Legislaturperiode nicht zu erhöhen und auch im Rahmen zusätzlicher Infrastrukturabgaben für Autofahrer darauf zu achten, dass dies nicht insgesamt zu einer finanziellen Mehrbelastung der Bürgerinnen und Bürger führt. Der Vertrag gilt.
Mit freundlichen Grüßen
Mahmut Özdemir