Frage an Ludwig Hartmann von Silvio d. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Hartmann,
eines der obersten Gebote der Grünen lautet meiner Meinung nach Diskriminierungsfreiheit. Alle Menschen sind demnach gleich, ganz egal ob in Bezug auf Alter, Geschlecht, Religion oder Sexualität.
Doch irgendwie hat man in jüngerer Zeit den Eindruck gewonnen, dass diese liberale Einstellung der Grünen obsolet wird. Denn offenbar scheinen die Grünen ganz gezielt alte Menschen zu diskriminieren, und zwar ganz speziell "alte, weiße Männer". Hier sehe ich ganz konkret eine Diskriminierung von Hautfarbe, Alter und Geschlecht.
In Reden und Textbeiträgen der jüngeren Vergangenheit wird diese Zielgruppe seitens der Grünen massiv angegangen, besonders prominent in der Videobotschaft von Frau Schulze (https://www.youtube.com/watch?v=D6h8fo_osBQ), in der sie dieser Gruppe vorwirft, die „Zukunft zu verspielen“.
1.) Teilen Sie die Meinung/Formulierung von Frau Schulze oder distanzieren Sie sich davon?
2.) Ich frage Sie weiter: Ist das wirklich die Einstellung der Grünen, einen großen Teil der weltweiten Bevölkerung, deren Anteil im Zeitalter der Überalterung der Gesellschaft in den nächsten Jahrzehnten deutlich zunehmen wird, derart abzulehnen? (Wenn dem so wäre, müsste ich in Zukunft schließlich auch auf die Meinung Ihrer alteingesessenen Parteimitglieder Fischer, Trittin, Ströbele und Cohn-Bedit verzichten.)
3.) Zählt Sie – als Spitzenkandidat im Team mit Frau Schulze – bereits zu den „alten, weißen Männern“? Fühlen Sie sich als „alter, weißer Mann“ angesprochen?
4.) Sehen Sie derartigen Rassismus und Sexismus in Ihrer Partei als Problem?
5.) Und, zu guter Letzt – wie wäre Ihrer Meinung nach eine angemessene Reaktion, wenn ein anderer Politiker ein Problem bei (beispielsweise) jungen, schwarzen Männern verortet?
Mit freundlichen Grüßen,
A. & S. d. L.
Sehr geehrter Herr de Luca,
vielen Dank für Ihre Fragen auf abgeordnetenwatch.de, die ich gerne zusammenfassend beantworte.
Der Kampf gegen Diskriminierung und für gleiche Rechte aller gesellschaftlichen Gruppen ist ein Kernanliegen grüner Politik. Als queerpolitischer Sprecher meiner Fraktion bin ich häufig mit Ungleichbehandlung von Menschen in Bayern wegen deren sexuellen Orientierung konfrontiert und für Diskriminierungserfahrungen sensibilisiert.
Deswegen kann ich Ihre Vorbehalte gegen die pauschale Kritik an einer bestimmten Personengruppe nachvollziehen. Ich plädiere allerdings für Nachsicht mit meiner Kollegin, die bei der Aufzeichnung des von Ihnen angeführten Youtube-Videos sichtlich erregt und bewegt war von der unterlassenen Hilfeleistung für Ertrinkende im Mittelmeer, die ganz konkret durch die Aussagen namhafter CSU-Politiker goutiert wurde.
Von der Zuweisung bestimmter politischer Einstellungen an eine nach Alter, Hautfarbe und Geschlecht abgegrenzte Personengruppe halte ich persönlich nichts. Dies ist weder meine Wortwahl, noch entspricht es meinem Menschenbild.
In der „Weiße-Männer-Debatte“ geht es bekanntlich in erster Linie darum, dass diese gemeinhin privilegiert Personengruppe in der Regel selten mit Diskriminierungserfahrungen konfrontiert ist. Anders sieht dies bei Frauen, schwarzen Männern und Frauen oder bei Personen aus der queeren Szene aus. Es ist mir ein Anliegen, für die Rechte dieser – von Diskriminierung betroffenen – Personengruppen zu kämpfen, ohne sie gegen andere Menschen auszuspielen oder die Verletzung Dritter in Kauf zu nehmen.
Ich halte die Reduktion der Debatte auf Geschlecht und Hautfarbe (und Alter) für nicht statthaft und setze mich regelmäßig dafür ein, solche Pauschalierungen in der öffentlichen Debatte zu vermeiden.
Mit freundlichen Grüßen
Ludwig Hartmann, MdL