Wie ungerecht halten Sie die neue Grundsteuer? Was halten Sie von einer einheitlichen, gerechteren Methode?
S. g. H. Schweizer,
vorneweg, ich war ca. 15 Jahre beruflich mit der alten Grundsteuer beschäftigt! Diese war reformbedürftig, aber meines Erachtens in den alten Bundesländern gerechter als das neue Recht!
Weil, das neue Recht begünstigt Multimillionäre und Milliardäre mit ihren Protzbauten. Diese Bauten wurden ehemals zutreffend im Sachwertverfahren bewertet mit einem hohen Wert für das Gebäude!
Das neue Verfahren begünstigt auch die reichen Unternehmer, weil der Gebäudewert wegfällt und der niedrige Bodenrichtwert im Industriegebiet zum Ansatz kommt. Die zahlen ca. die Hälfte als bisher! Treffen tut es in BW den alten Rentner/Rentnerin, die noch ihren Kochgarten am Haus haben. Es gäbe noch manch weiteres Beispiel.
Doch auch die vielen unterschiedlichen Regelungen in den anderen Bundesländern führen zu grotesken Unterschieden bei Bürgern an den Landesgrenzen (z.B. Bodenseeregion).
Ich sehe auch eine Willkür bei den Hebesätzen A und B. Stuttgart vorher 520 jetzt 160. Und umgekehrt!
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Sehr geehrter Herr L.,
vielen Dank für ihre Frage(n).
Warum überhaupt eine neue Grundsteuer? Die alte Grundsteuer war verfassungswidrig. Das hat das Bundesverfassungsgericht geurteilt. Die Bemessungsgrundlage der alten Grundsteuer war seit 1964, also seit 60 Jahren, nicht mehr aktualisiert worden. Und in dieser Zeit haben sich die Werte der Immobilien natürlich weiterentwickelt. Das aber hat die alte Grundsteuer überhaupt nicht berücksichtigt. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht gesagt: die Grundsteuer muss komplett neugestaltet werden.
Der Bundesgesetzgeber hat eine Öffnungsklausel für die Länder gewählt, von der Baden-Württemberg Gebrauch gemacht hat.
Was hat Baden-Württemberg gemacht? Baden-Württemberg hat ein relativ einfaches Grundsteuermodell gewählt: die Größe und die Lage des Grundstücks sind entscheidend für den Wert des Grundstücks. Die Lage eines Grundstücks spiegelt sich in den Bodenrichtwerten wieder. Je attraktiver die Lage, desto höher der Bodenrichtwert, desto wertvoller das Grundstück. Vor allem aber gibt es bei uns eine Vergünstigung fürs Wohnen. Also wenn ich im Haus auf meinem Grundstück beispielsweise selber wohne, gibt es einen steuerlichen Vorteil. Damit wollen wir erreichen, das Wohnen durch die neue Grundsteuer insgesamt nicht teurer wird.
Warum spielt die Bebauung keine Rolle? Die Bebauung des Grundstücks hätte die Grundsteuer viel aufwendiger und bürokratischer gemacht, aber nicht zwangsläufig gerechter. Denn dann hätte alle Eigentümer auch noch Angaben über ihr Gebäude machen müssen. Und was ist dann relevant? Die Wohnfläche? Das Baujahr? Der Zustand des Gebäudes? Und ist das dann gut vergleichbar? Solche Modelle sind fehleranfällig. So hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz schon Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit eines solchen Modells geäußert
Warum steigt die Grundsteuer? Für manche Eigentümer steigt die Grundsteuer jetzt, für andere sinkt sie. Das ist die unvermeidliche Konsequenz aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Die alte Grundsteuer war verfassungswidrig, weil sie die Wertunterschiede nicht ausreichend berücksichtigt hat. Nach 60 Jahren wurden jetzt die Grundsteuerwerte aktualisiert. Und damit gibt es bei einigen einen massiven Sprung nach oben. Das ist aber in jedem Bundesland so, völlig unabhängig vom gewählten Grundsteuermodell. Viele von denen, die künftig mehr zahlen müssen, haben in der Vergangenheit lange zu wenig gezahlt. Das nutzt jetzt niemandem, der künftig deutlich mehr zahlen muss, das ist klar. Aber das ist die logische Konsequenz aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts.
Die Kommunen haben sich bei der Grundsteuerreform zur Aufkommensneutralität bekannt. Das heißt: Die Einnahmen durch die neue Grundsteuer sollen in etwa so hoch sein wie die Einnahmen durch die alte Grundsteuer. Es soll also keine flächendeckenden Steuererhöhungen für alle geben. Das heißt aber eben nicht, dass kein Eigentümer mehr zahlen muss. Manche zahlen mehr, manche weniger und so gleicht sich das dann wieder aus. Wichtig übrigens: Die Grundsteuer kommt alleine den Kommunen zu Gute. Das ist also keine Steuer für das Land, sondern damit finanzieren die Kommunen im Wesentlichen ihre Infrastruktur, Kindergärten, Kitas oder die neue Sporthalle.
Die Festsetzung und Erhebung der Grundsteuer liegt in der Verantwortung der Kommunen. Nach dem Landesgrundsteuergesetz und der Abgabenordnung sind die Kommunen befugt, in Einzelfällen Billigkeitsmaßnahmen zu gewähren. Kommunen haben damit insbesondere die Möglichkeit, im Rahmen von persönlichen Billigkeitsgründen Steuerzahlungen zu stunden oder ganz bzw. teilweise zu erlassen. Die Entscheidung hierüber steht im Ermessen der Kommunen.
Mit freundlichen Grüßen
Lars Schweizer
Direktkandidat Bündnis 90/Die Grünen für den Wahlkreis 266 Neckar-Zaber