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Lars Castellucci
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Frage von Helmut E. •

Frage an Lars Castellucci von Helmut E. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Zum Thema Asyl habe ich noch viele Fragen.
Sind Tunesien, Algerien und Marokko sichere Herkunftsländer?

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) lehnt – wie allgemein bekannt – das Konzept der „sicheren Herkunftsstaaten“ als unvereinbar mit der Genfer Flüchtlingskonvention und einem fairen und individuellen Asylverfahren ab.

Das deutsche Grundgesetz lässt das Konzept des sicheren Herkunftsstaates jedoch unter strengen Vorgaben zu. Nach diesen Vorgaben muss sichergestellt sein, dass ein Herkunftsstaat nur dann als sicher eingestuft werden darf, wenn u. a. dort die Anwendung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten nachgewiesen ist.

Für alle drei oben genannten Länder hat AI jedoch in einer Stellungnahme an den Innenausschuss dargelegt, dass die strengen Vorgaben des Grundgesetzes nicht erfüllt sind. Die wesentlichen Verstöße gegen die Vorgaben des Grundgesetzes betreffen die Meinungs- und Versammlungsfreiheit, Folter und erniedrigende Behandlung, die sexuelle Selbstbestimmung, den fehlenden Zugang internationaler Organisationen zur Prüfung der Menschenrechtsstandards, und die Gleichberechtigung von Mann und Frau.

Schließen Sie sich der Bewertung von Amnesty International an und halten Sie die genannten Staaten auch nicht als sichere Herkunftsstaaten im Sinne des Grundgesetzes und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr E.,

vielen Dank für Ihre Frage. Ich stimme Amnesty International zu.

Die Unterstellung, ein Staat sei sicher, ist ein Vorurteil.

Die gesetzliche Möglichkeit, Staaten als sichere Herkunftstaaten einzustufen, entkernt das Grundrecht auf Asyl und die europäische und internationale Verpflichtung, flüchtenden Menschen Schutz zu gewähren. Deshalb habe ich in dieser Wahlperiode die Ausweitung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten um die Staaten des Westbalkans abgelehnt. Meine Ablehnung betrifft auch jede Ausweitung der Liste und auch eine mögliche europäische Liste sicherer Herkunftstaaten.

Wir müssen uns fragen: Wollen wir den unfreien oder nur teilweise freien Staaten wie zum Beispiel Albanien, Mazedonien, Algerien und Marokko wirklich bescheinigen, sie seien sicher im Sinne von demokratisch und rechtsstaatlich?

Ich setze mich für Asylverfahren ein, die innerhalb von höchstens drei Monaten nach Ankunft eines Schutz suchenden Menschen über seinen Antrag entscheidet. Dafür brauchen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und die Verwaltungsgerichte ausreichend Personal und Sachmittel. Schließlich brauchen wir die Voraussetzungen dafür, dass Personen, deren Anträge abgelehnt wurden, Deutschland schnell wieder verlassen. Das ist fair angesichts von 65 Millionen Schutz suchenden Menschen und unserer begrenzten Aufnahmefähigkeit.

Außerdem brauchen wir endlich eine solidarische europäische Politik zum Schutze flüchtender Menschen, die den Werten der Europäischen Union gerecht wird: Achtung der Menschenwürde und der Menschrechte, Demokratie und Rechtstaatlichkeit.

Mit freundlichem Gruß

Lars Castellucci

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