Frage an Lars Castellucci von Helen T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Lieber Herr Dr. Castelluci,
Das IFG war ein wichtiger Beitrag, um Transparenz des Verwaltungshandelns zu ermöglichen und die Demokratie zu stärken. Das Portal http://fragdenstaat.de bietet hier einen transparenten Überblicke darüber, was in diesem Bereich läuft. Dabei fällt auf, dass viele Bundesministerien wie das Bundeskanzleramt ( http://tiny.cc/1wf71x ), das BMAS ( http://tiny.cc/vxf71x ) oder das BMZ ( http://tiny.cc/0yf71x ) eine hohe Anzahl offener und unbeantworteter Anfragen nach dem IFG haben und vielfach hohe Hürden sowohl formaler Art (keine Beantwortung an fragdenstaat.de z.B.) oder finanzieller Art aufgebaut werden.
Ein besonders negatives Beispiel ist jedoch gerade der Deutsche Bundestag ( http://tiny.cc/b1f71x ) selbst. Von 1.322 Anfragen wurden gerade einmal 873 Anfragen erfolgreich beantwortet. Viele liegen offen herum und werden von der Bundestagsverwaltung verschleppt und anstatt einer inhaltlichen Antwort werden lange Schreiben verfasst, warum keine Auskunft gegeben werden soll (z.B. http://tiny.cc/q5f71x ). Dabei sind es Anfragen, die zwar tiefer gehen, aber eigentlich der Transparenz beitragen. Das Urteil des BVerwG vom 25.06.2015 spricht hier Bände, wo der Bundestag sich weigerte, Unterlagen heraus zu geben, die beim U.S.-Kongress von Haus aus veröffentlicht werden.
Wie steht Ihre Fraktion zu dem Thema und wie kann die Antwortbereitschaft der Behörden (auch des Bundestages) verbessert werden?
Herzlichst, Helen
Sehr geehrte Frau Turabi,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz. Ich begrüße dieses Gesetz sehr. Es ist gut und wichtig, dass sich interessierte Bürgerinnen und Bürger ein Bild von Verwaltungshandeln machen können. Allerdings ist das IFG noch ein sehr junges Gesetz und es bedarf der Einübung und gerichtlichen Grenzziehung, was zu veröffentlichen ist, und was dem Geheimschutz unterliegen. In den USA musste dieses Recht auch erst von allen Beteiligten eingeübt werden – und das braucht nun mal seine Zeit. Insofern sehe ich es nicht ganz so kritisch wie sie. Es gibt allerdings einige Vorgänge, bei denen offenbar tatsächlich versucht wurde, mit „Tricks“ der Informationspflicht zu entgehen. Dies kann und darf nicht sein.
Etwas Differenzierung muss allerdings sein: Das parlamentarische Handeln des Parlaments ist vom Anwendungsbereich des IFG nämlich nicht umfasst. Anwendung findet das Gesetz nach § 1 Abs. 1 S. 2 IFG nur, soweit der Bundestag öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnimmt. Die Grenzziehung ist schwierig und hat in der Vergangenheit häufig zur Ablehnung von Anfragen geführt. Die von Ihnen zitierte Entscheidung ist ja das Urteil zum „Fall Guttenberg“ und den Ausarbeitungen des Wissenschaftlichen Dienstes. (In diesem Zusammenhang ist mir übrigens nicht ganz klar, warum die Entscheidung Bände spricht, wie Sie schreiben, denn der Urteilstext ist noch nicht veröffentlicht; es gibt einzig die Leitsätze und eine Pressemitteilung des Gerichts. Ich würde gerne den Volltext abwarten, um eine Bewertung vornehmen zu können).
Gerade aber der Bereich „Anfragen an den Wissenschaftlichen Dienst“ zeigt das Problem der Grenzziehung sehr deutlich: Einerseits besteht natürlich ein berechtigtes Interesse, zu wissen, was genau ausgearbeitet wurde und welche Teile sich im Text der Promotionsschrift wieder finden. Soweit völlig nachvollziehbar. Wenn allerdings nun jeder/ jede fragen kann, welche Anfragen der Abgeordnete XY an den WD gestellt hat, kann man daraus auch Rückschlüsse auf Ideen, Initiativen und politische Schwerpunkte des Abgeordneten XY ziehen. Und dies wiederum würde dann schon den parlamentarischen Bereich betreffen.
Ich möchte damit nicht gegen das IFG argumentieren, aber verdeutlichen, dass es noch der Aushandlung und Differenzierung bedarf. Dass dabei Gerichte eine Rolle spielen, scheint mir nicht verwerflich zu sein.
In der Hoffnung Ihre Frage beantwortet zu haben verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Lars Castellucci