Frage an Kordula Kovac von Eckardt Z. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Kovac
Ich habe der Presse entnommen, dass die Landesregierung Baden-Württemberg beabsichtigt, wegen der Erklärung Gambias zu einem sicheren Herkunftsland beim Bund vorstellig zu werden. (S. Stuttgarter Zeitung vom 08.11.2016) Aus zahlreichen Informationsquellen (Human rights watch, Schweizer Flüchtlingshilfe, amnesty international, Vortrag eines Mitgliedes der UDP Gambias, persönliches Gespräch mit dem Angehörigen eines Folteropfers in Gambia) entnehme ich, dass es wirklich lebensgefährlich ist, nach Gambia "zurückgeführt" zu werden. Sehen Sie irgendeine Gefahr, dass die Bundesrepublik Deutschland auf der Basis unseres Grundgesetzes Menschen in dieses afrikanische Land zurückschickt?
Ich sehe Ihrer Antwort mit Spannung entgegen,
Hochachtungsvoll
Eckardt Zehner
Sehr geehrter Herr Zehner,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 16.11.2016. Als sicheres Herkunftsland werden laut dem Art. 16 Abs. 3 des Deutschen Grundgesetzes diejenigen Länder bezeichnet, in denen weder politische Verfolgung existiert noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafungen ausgeübt werden. Falls jedoch konkrete Beweise vorgelegt werden, welche genau diesen Sachverhalt nachweisen, kann ein solches Land keinesfalls als sicheres Herkunftsland klassifiziert werden. Wenn also mittels nachvollziehbarer Beweise beispielsweise politische Verfolgung bestätigt werden kann, sehe ich eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit, dass Gambia unter diesen Umständen als sicheres Herkunftsland klassifiziert wird.
Erlauben Sie mir eine grundsätzliche Bemerkung: Die Einstufung als sicheres Herkunftsland bedeutet nicht, dass den Menschen grundsätzlich kein Asyl gewährt werden kann. Die persönlichen Anhörungen von Personen aus sicheren Herkunftsländern sind zu den Anhörungen von Personen aus anderen Herkunftsländern identisch. Es bedeutet jedoch die Beweislastumkehr. Der Asylsuchende muss dann entgegen der allgemeinen Vermutung beweisen, dass er individuell verfolgt wird.
Dass Menschen auf der Suche nach einem besseren Leben ihre Heimat verlassen, ist nachvollziehbar. Damit begründet sich jedoch kein Rechtsanspruch. Das Recht auf Asyl steht ausschließlich politisch Verfolgten und tatsächlich Schutzbedürftigen zu. Deutschland kann nicht, wie von Bundesinnenminister Thomas de Maizière richtig dargestellt, die Probleme der Welt lösen. Armut und wirtschaftlicher Notstand sind bisher keine anerkannten Asylgründe. Bei einem Human Development Index von 0,441 scheint Perspektivlosigkeit die Hauptursache der Fluchtbewegung aus Gambia zu sein. Staatliche Verfolgung wird von offiziellen deutschen Stellen bisher nicht bestätigt bzw. nur als nachgelagerter Fluchtgrund genannt.
Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, durch Entwicklungszusammenarbeit die sozioökonomische Entwicklung vor Ort zu stärken und so die Perspektiven, im Heimatland zu bleiben, zu verbessern. Deutschland setzt sich international dafür ein, Fluchtursachen zu bekämpfen und den weltweiten Frieden zu fördern. Unter anderem wird dies durch die Entwicklungshilfe gewährleistet. Im Rahmen der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit (auch ODA = „official development assistance“) wurden in der aktuellen Legislaturperiode zwei Pakete verabschiedet, welche insgesamt Aufwendungen von 14,3 Milliarden USD für Entwicklungshilfe vorsehen. Deutschland liegt damit an dritter Stelle der weltweiten Geberländer.
Abschließend möchte ich anmerken, dass mir nicht bekannt ist, dass die deutsche Bundesregierung eine Einstufung von Gambia als sicheres Herkunftsland plant.
Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen beantworten konnte und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Kordula Kovac MdB