Frage an Konstantin von Notz von Bernd W. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr von Notz,
mit Entsetzen habe ich gelesen, dass bei den Innenministern der Länder der Vorschlag diskutiert werden soll, Daten z.Bsp von Alexa bei der Verbrechensaufklärung zu nutzen. Bei der Tagesschau werden sie dazu folgendermaßen zitiert:
"Scharfe Kritik kam von den Grünen. "Die Digitalisierung unseres Lebens darf nicht dazu führen, dass der Einzelne den Ausforschungs- und Kontrollwünschen des Staates gerade in dem von Artikel 13 des Grundgesetzes besonders geschützten Bereich der eigenen Wohnung schutzlos ausgeliefert ist", sagte Vize-Fraktionschef Konstantin von Notz."
Der Vorschlag soll, auch nach Informationen der Tagesschau "... den Antrag Schleswig-Holsteins unterstützen zu wollen." vom Innenminister aus Schleswig-Holstein kommen. In Schleswig-Holstein regiert ihre Partie, Die Grünen, gemeinsam mit CDU und FDP. Wie kann es sein, dass sie gegen diese Regelung im Namen der Grünen sind, der Vorschlag jedoch aus einem Innenminsterium kommt, an dessen Landesregierung die Grünen wiederrum beteiligt sind?
Ist diese, von ihnen geäußerte Kritik, unter diesen Umständen nicht höchst heuchlerisch? Oder agieren sie in ihrer Partei wie alle anderen Parteien auch, nach außen hin großes Geschrei aber im verborgenen fröhlich das Gegenteil dessen tun was man öffentlichkeitswirksam sagt?
Sehr geehrter Herr Wiesenthal,
haben Sie besten Dank für Ihre Frage und Ihr Interesse an meiner Arbeit. Über beides habe ich mich sehr gefreut.
Der jüngste Vorstoß ist in der Tat wirklich sehr irritierend. Daher kann ich Ihr Entsetzen durchaus nachvollziehen. Eine ausführlichere Stellungnahme von mir finden Sie übrigens hier: https://www.gruen-digital.de/2019/06/wir-brauchen-sichere-iot-geraete-und-klare-rechtsgrundlagen-statt-millionenfacher-wanzen/
Mittlerweile wurde meine deutliche Kritik u.a. ja auch von der SPD-Bundestagsfraktion und dem SPD Bundesjustizministerium geteilt, wie Sie der heutigen Presse entnehmen können.
Zu Ihren konkreten Fragen bezüglich des Vorstoßes des schleswig-holsteinischen Innenministers, der grünen Regierungsbeteiligung in Schleswig-Holstein und ob meine Kritik nicht „heuchlerisch“ sei. Ich selbst, erlauben Sie mir diese Bemerkung vorab, ziehe es vor, mir vor derartigen Vorwürfen gegenüber Dritten zunächst ein umfassendes Bild der Lage zu machen.
Richtig ist: Die Innenminister von Bund und Ländern tagen vom 12. bis 14. Juni 2019 in Kiel. Ihnen liegt nach den Vorbesprechungen ein Beschlussvorschlag vor, in dem es unter anderem heißt, dass „die Spurensicherung in der digitalen Welt eine immer größere Bedeutung einnimmt und die Strafverfolgungsbehörden daher in der Lage sein müssen, digitale Spuren zu erkennen, zu sichern und auszuwerten“. Vor diesem Hintergrund soll ein Arbeitskreis bis zur kommenden Herbstsitzung Anfang Dezember einen entsprechenden Bericht mit Handlungsempfehlungen vorlegen.
Hierzu müssen sie zunächst wissen, dass bei der Innenministerkonferenz das sogenannte „Ressortprinzip“ gilt, das heißt, dass die dortigen Vorlagen nicht koalitionsintern abgestimmt werden müssen und in der Regel auch nicht werden. Dies war auch hier nicht der Fall. Es handelt sich demnach auch nicht um einen Vorschlag des Landes Schleswig-Holsteins, sondern wenn überhaupt um einen des CDU-geführten Innenministeriums. Wie Sie ebenfalls der Presse entnehmen können, haben sich beide Koalitionspartner, also sowohl die FDP als auch die Grünen in Schleswig-Holstein sehr deutlich gegen den Vorstoß und die Beschlussvorlage ausgesprochen. EineN grüneN InnenministerIN, gibt es, das kann man bedauern, derzeit weder im Bund noch im Land.
Nach der Kritik u.a. auch von uns Grünen hat das Innenministerium in Schleswig-Holstein im Übrigen mittlerweile klargestellt, dass es sich um einen Vorstoß von Bundesinnenminister Seehofer handelt, den das schleswig-holsteinische Innenministerium und Innenminister Grote, der derzeit den Vorsitz der Innenministerkonferenz innehat, lediglich eingebracht hat. Über seinen Sprecher ließ Innenminister Grote zudem mittlerweile klarstellen, dass man selbst einen Antrag gestellt habe, der eine bessere und koordiniertere Zusammenarbeit der von mehreren Ländern eingerichteten Kompetenzzentren für Digitale Spuren zum Ziel habe. Eine Ausweitung polizeilicher Kompetenzen sehe dieser Antrag aber nicht vor.
Ich gehe fest davon aus, dass auch den Innenministern von CDU/CSU und SPD durch die nun angestoßene Diskussion bewusst geworden sein dürfte, welch tiefes Wasser man durch die Beschlussvorlage betreten hat, und welche - auch verfassungsrechtlich hoch umstrittene - Fragen sich hier insgesamt stellen. Ich gehe weiter davon aus, dass es entweder zu einer Überarbeitung der vorliegenden Beschlussvorlage kommt oder die nun erneut aufgeworfenen Fragen im Zuge der weiteren Beratung angemessen berücksichtigt werden. Insgesamt hoffe ich auf die Erkenntnis auf Seiten der Innenminister, dass es natürlich moderner Instrumente der Strafverfolgung bedarf, man aber tunlichst darauf achten muss, dass unsere Demokratie konstituierende Grundrechte gewahrt bleiben.
Mit besten Grüßen nach Schenklengsfeld!
Konstantin v. Notz