wie können Sie eine Impfpflicht mit dem Artikel 1 des Grundgesetzes vereinbaren?
Sehr geehrter Herr Kuhle,
wie können Sie eine Impfpflicht mit dem Artikel 1 des Grundgesetzes vereinbaren? Eine Impfung ist ein medizinischer Eingriff in das Immunsystem. Dazu bedarf es der zwanglosen und freiwilligen Einwilligung des Patienten. Eine Impfpflicht widerspricht dem Freiwilligkeit und es entstehen Zwänge. Natürlich hofft man mit einer Impfpflicht Pandemien zu verhindern, jedoch kann und darf das Individualrecht nicht ausgehelbelt werden. Ganz zu Schweigen von den Vertrauensverlusten in die Ärzte, die ja die Patienten zwangsbehandeln müssen. Von dem Problemen mit dem Nürnberger Kodex ganz zu schweigen.
Ich würde mich über eine Rückmeldung mit Ihrer Meinung dazu freuen und hoffe inständig, daß Sie sich gegen eine Impfpflicht entscheiden werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Jens R.
Sehr geehrter Herr Dr. R.,
vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Impfpflicht, auf die ich Ihnen gerne antworten möchte.
Es steht außer Frage, dass eine Impfpflicht gegen das SARS-CoV-2-Virus einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Einzelnen darstellt. Daher bedarf es einer genauen und fortlaufenden Überprüfung der Wirksamkeit der Impfstoffe hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Schwere von Krankheitsverläufen und auf die Infektiosität der geimpften Personen. Zudem müssen selbstverständlich die gemeldeten Nebenwirkungen wissenschaftlich genau überprüft werden.
Ich bin davon überzeugt, dass eine Impfpflicht aus verfassungsrechtlichen Gründen immer das letzte Mittel bleiben muss und wir vorher insbesondere alle Möglichkeiten zur umfassenden Aufklärung der Bevölkerung unternommen haben müssen. Daher habe ich mich im Deutschen Bundestag einem Gruppenantrag angeschlossen, der ein verpflichtendes Beratungsgespräch vorsieht, bevor erst in einem zweiten Schritt über eine altersbezogene Impfpflicht nachgedacht werden kann.
Die Frage, ob eine Impfpflicht gegen die Grundrechte des Grundgesetzes verstößt, kann im Einzelfall vom Bundesverfassungsgericht überprüft werden, sofern dieses im Wege einer Verfassungsbeschwerde oder einer Normenkontrolle angerufen wird. Auch jedem Einzelnen, der von der Impfpflicht individuell betroffen ist, steht über die Verfassungsbeschwerde der Weg nach Karlsruhe offen.
Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 10. Februar 2022 den Antrag auf Außervollzugsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht abgelehnt und damit zum Ausdruck gebracht, dass diese einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhält und keinen ungerechtfertigten Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen darstellt. Insofern haben die Verfassungsrichter zumindest für den konkreten Fall einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht die von Ihnen geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht geteilt.
Ich hoffe, Ihnen eine zufriedenstellende Antwort gegeben zu haben. Für Rückfragen erreichen Sie mich unter konstantin.kuhle@bundestag.de.
Mit freundlichen Grüßen,
Konstantin Kuhle