Frage an Klaus Hänsch von Alperen B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Wie man auch anhand ihres letzten Beitrages genau herauslesen kann, das Sie gegen einen Beitritt der Türkei in die EU sind, kann ich als türkisches Staatsbürger der in Deutschland lebt nicht gerade sagen, das Sie erfolgreich sein werden in sachen Intergrationen. Das hat eine einfache Begründung und zwar die Abneigung eines EU-Beitritts der Türkei. Sie können nicht gegen ein EU- Beitritt sein und für die Intergration der Türken in Deutschland sein. Das eine hängt mit dem anderen zusammen. Die Türken sehen darin eine Abneigung, den wenn man die Türkei in der EU nicht will, wolle man auch nicht die Türken. So in etwa sieht das aus. Darüberhinaus kann ich nicht glauben das Rumänien und Bulgarien EU- Beitrttsfähiger waren als die Türkei. Wenn man für jede Nation die gleichen Vorraussetzung angeben würde und nicht für die Türkei eine größere Hürde, würde ein EU-Beitritt schon klappen.
Was mich aber brennend interessiert ist, warum Sie gegen einen EU-Beitritt der Türkei sind? Ist es die kulturel, geschichtlich oder religiös bedingt?
Geographisch gesehen hat ja Anatolien im Byzantischen Reich noch als Europäisch gegollten warum nicht mehr jetzt? Die Türkei wächst z. Z. sehr schnell im wirtschaftlichem, militärischen und politischen Berreich zu einer Regionalmacht und nimmt/versucht immer mehr politisch zu aggieren. Warum gelten nicht für Beitrittskandidaten die selben Vorraussetzungen für ein EU-Beitritt? Liegt es daran das die Türkei Bevölkerungsmäßig bald Deutschland überholen wird und evtl. viel Einfluß haben wird in der EU?
Woran liegt das warum man die Türkei nicht in der EU haben möchte und gleichzeitig aber für Intergration der Türken in Deutschland sei. Solche aussagen wie die Türkei gehöre nicht in die EU lässt die Türken sowohl in der EU als auch außerhalb der EU abschrecken. Da würde eine Intergrationsversuch total fehlschlagen eben weil die Türkei Politik der EU das widerspiegelt was man von der Türkei und deren Bevölkerung denkt.
Mit freundlichen Grüßen
alpi
Sehr geehrte/r Frau/Herr Birgül,
an die Türkei werden dieselben Bedingungen gestellt wie an alle anderen Staaten, die der Europäischen Union beigetreten sind: Demokratie und Rechtstaatlichkeit, Marktwirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit müssen gewährleistet sein. Vor allem aber muss die gesamte Rechtsetzung der Europäischen Union übernommen und auch tatsächlich durch Verwaltung und Gerichte angewendet werden. Die Türkei ist derzeit weit davon entfernt, diese Bedingungen zu erfüllen. Ich bin mir gar nicht sicher, ob die Türkei diese Bedingungen überhaupt erfüllen will. Darüber hinaus gehören auch die Beilegung des Konflikts um Nordzypern und die Lösung der Kurdenfrage zu den Punkten, die meiner Meinung nach noch vor dem Beginn von Beitrittsverhandlungen geklärt hätten werden sollen
Es gibt aber nicht nur die Lage in der Türkei, sondern auch die Lage in der Europäischen Union: Die EU kann einen weiteren Staat von der Größe der Türkei nicht verkraften, ohne selbst Schaden an ihrer Handlungsfähigkeit zu nehmen. In wenigen Jahren wäre die Türkei der größte, zugleich aber auch der wirtschaftlich schwächste Mitgliedstaat der EU. Die dazu notwendigen Sonderregelungen würden die Türkei zu einem "Mitgliedstaat zweiter Klasse" machen. Das ist weder im Sinne der EU, noch im Sinne der Türkei. Die EU braucht eine längere Phase der Konsolidierung.
Der Beitritt der Türkei würde außerdem den Beitrittswunsch der Ukraine und zahlreicher weiterer Staaten wie Armenien und Georgien - um nur einige Beispiele zu nennen - verstärken. Das würde die EU so weit aufblasen, dass sie wie ein Luftballon platzt.
Ich verstehe, dass Sie sich um die Empfindungen der Bürger in der Türkei sorgen, ich muss mich um die Empfindungen der Bürger in den Mitgliedstaaten der EU sorgen. Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger der Mitgliedstaaten der Europäischen Union spricht sich gegen einen Beitritt der Türkei aus. Das nehme ich ernst.
Was aus der Türkei wird, ist mir wichtig, was aus der EU wird, auch. Beide brauchen einander. Die für beide beste Lösung wäre eine eigene, besondere Form der engen Zusammenarbeit auf Augenhöhe und auf der Grundlage des gegenseitigen Respekts.
Dass ich die Integration der Mitbürger türkischen Ursprunges in die deutsche Gesellschaft unterstütze und gleichzeitige eine Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union ablehne, ist kein logischer Widerspruch. Sollte es stimmen, dass türkische Einwanderer sich nur dann wirtschaftlich, sozial und kulturell in die deutsche Gesellschaft integrieren wollen, wenn die Türkei Mitglied der EU wird, bedaure ich das, aber ich kann es nicht ändern.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Hänsch