Frage an Klaus Hänsch von Frederic B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Hr. Hänsch,
Sie haben in Ihren Antworten wiederholt darauf hingewiesen, dass die Abgeordneten des Bundestages oder des EU-Parlaments ja von der jeweiligen Landesbevölkerung demokratisch gewählt und dadurch legitimiert seien. Sie übersehen aber meiner Meinung nach, dass der Wähler dabei immer ein komplettes Parteiprogramm wählt. Einzelne Punkte, die ihm missfallen, nimmt er vielleicht erzwungenermaßen in Kauf. Beispiel: Auch ich habe mich an der letzten Bundestagswahl beteiligt, die von mir gewählte Partei ist an der Regierung beteiligt. Obwohl ich wusste, dass diese Partei keinerlei Anstrengungen unternehmen würde, um eine Volksabstimmung bei den EU-Verträgen zu ermöglichen, gab ich ihr mangels sinnvoll erscheinender Alternativen meine Stimme.
Ist es - nach bereits zwei gescheiterten Versuchen! - nicht einsichtig, dass für die weitere Reformen der EU
A) sehr viel mehr Transparenz und Öffentlichkeitsarbeit geleistet werden muss
B) Mechanismen gefunden werden müssen, die es ermöglichen, Volksabstimmungen in ALLEN Staaten durchzuführen.
Nur dann, wenn sich eine deutliche Mehrheit der Menschen in allen Mitgliedsstaaten - und damit meine ich mindestens eine 2/3-Mehrheit! - direkt für einen neuen Vertrag ausspricht, macht EU wirklich Sinn. Andernfalls wird die Bevölkerung nur mehr halb widerwillig mitgeschleift. Warum wird diese Anstrengung nicht unternommen? Ich befürchte, dass es andernfalls nie zu der dringend nötigen Reform kommt.
mit freundlichen Grüßen,
Frederic Brosseron
Sehr geehrter Herr Brosseron,
es ist richtig, dass mehr Transparenz eine wichtige Voraussetzung für zukünftige Vertragsreformen der Europäischen Union ist.
Um - wie von Ihnen vorgeschlagen - Volksabstimmungen zu Vertragsreformen in allen EU-Mitgliedstaaten durchführen zu können, müsste eine große Anzahl von Mitgliedstaaten ihre nationale Verfassung ändern.
Ihr Vorschlag einer Ratifizierung mit 2/3-Mehrheit aller (stimmberechtigten) europäischen Bürgerinnen und Bürger ist interessant. Das aber würde bedeuten, dass die großen, bevölkerungsreichen Mitgliedstaaten die kleinen majorisieren könnten. Das wäre dann keine Europäische Union von Staaten mehr, sondern ein europäischer Staat.
Das Bundesverfassungsgericht würde es nicht akzeptieren, wenn Deutschland als eigenständiger Staat nicht mehr existieren würde. Die EU muss eine Staatenunion bleiben.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Hänsch