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Frage von Susanne F. •

Frage an Klaus Hänsch von Susanne F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Abend Herr Hänsch,
ich sah soeben Ihre Antwort vom 17.06. an die Frage von Herrn Nissen adressiert und fühle mich etwas genötigt.

Sie schreiben: "..das Problem bei Referenden über einen Vertrag zwischen 27 Staaten ist, dass ein Land, das "Nein" sagt, dieses "Nein" allen 26 anderen Völkern aufzwingt - auch denen, die ebenfalls in einem Referendum "Ja" gesagt haben[..]"

Darauf kann ich nur erwidern:
Das Problem bei Referenden über einen Vertrag zwischen 27 Staaten ist, dass für 26 Staaten lediglich eine "Hand voll" Politiker entschieden haben das ein "Ja" besser ist und somit den Bürgern und Bürgerinnen das Recht auf Selbstbestimmung genommen haben. Man muss nicht dem Irrglauben anheim werden, dass man es hier mit unmündigen Kindern zu tun hat - das ist eine Frechheit und Unverschämtheit sondergleichen.
Das ist, was ich kritisiere und auch genau das was so einige Iren ebenfalls für anmaßend halten.

Was würden Sie von der Alternative halten?
Alle Bürger der 27 gewünschten Staaten begehen zur selben Zeit ein Referendum?

Mit freundlichen Grüßen
S.F.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Frederiksen,

der Vertrag von Lissabon ist ein internationaler Vertrag. Alle Staaten ratifizieren internationale Verträge (und deren Änderungen) nach den Regeln, die ihre jeweilige nationale Verfassung dafür festlegt. Einige Staaten sehen Volksabstimmungen vor, in der Verfassung anderer - dazu gehört auch die Bundesrepublik Deutschland - gibt es die Möglichkeit einer Volksabstimmung nicht. Die EU kann das deutsche Grundgesetz ebenso wie die Verfassungen der anderen EU-Mitgliedstaaten nicht ändern.

Ich bin grundsätzlich dagegen, Volksabstimmungen über internationale Verträge - egal ob auf nationaler oder europäischer Ebene - durchzuführen. Internationale Verträge - insbesondere zwischen 27 Vertragsstaaten - sind, erstens, immer Kompromisse und, zweitens, sehr kompliziert, da jeder Vertragspartner möglichst viel von seinen eigenen Vorstellungen und Interessen durchsetzen möchte. Volksabstimmungen sollten nur über die Grundsatzfrage durchgeführt werden, ob ein Staat in der EU bleiben oder austreten möchte. Die Entscheidung über Vertragsartikel sollte den vom Volk in demokratischen Wahlen gewählten Vertretern überlassen bleiben.

Die Ratifizierung internationaler Verträge durch das Parlament, wie sie in Deutschland vorgeschrieben ist, ist keine "Entmündigung" der Bürgerinnen und Bürger, sondern ein Grundprinzip der repräsentativen Demokratie - und damit auch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. Die gewählten Volksvertreter ziehen in repräsentativen Systemen ihre demokratische Legitimation aus dem Mandat, das die Bürgerinnen und Bürger ihnen bei ihrer Wahl übertragen haben, in ihrem Namen und für einen bestimmten Zeitraum die politischen Geschicke für das ganze Volk zu leiten. Ich bin dafür, es bei den gegenwärtig in Deutschland geltenden Regeln zu belassen.

Mit freundlichen Grüßen

Klaus Hänsch