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Frage von Reinhard L. •

Frage an Klaus Brandner von Reinhard L. bezüglich Finanzen

Sehr geehreter Herr Brandner,

Ihr Parteigenosse, Herr Nellen, fragt mit Blick auf die neue Erbschaftsteuer besorgt, ob die SPD jeden Sinn für soziale Gerechtigkeit verloren habe und mit dem Gesetz Vermögen von unten nach oben umverteile ( Antwort in Abgeordnetenwatch 23.01.2009).
Hat er damit nicht den Nagel auf den Kopf getroffen?
Das neue Gesetz wird nur etwa 7% aller Erbschaften betreffen. Wer nun meint, es lasse dann ja wohl kleinere Erbschaften unberührt und sichere das angestrebte Aufkommen durch den Zugriff auf größere Vermögen, ist im Irrtum.
Einerseits gehören zu den 7%, die das angestebte Aufkommen erbringen sollen, alle kleineren Erbschaften über 20.000 €, die nicht an Kinder oder Ehegatten fallen. Das gilt auch dann, wenn innerhalb des "Familienverbunds" an Nichten/Neffen oder sogar an Geschwister vererbt wird, wobei der Steuersatz gegenüber dem bisherigen Recht von 12% auf 30% !!! erhöht worden ist.
Andererseits gehören zu den übrigen 93%, die mit keinem Cent zum Aufkommen beitragen sollen, Millionenerbschaften. So können Betriebe nach Berechnung des Handwerkermagazins ( www.handwerk-magazin.de ) unter Berücksichtigung des persönlichen Freibetrags bis zu einem Wert von 2,75 Millionen steuerfrei an Sohn oder Tochter übergeben werden (wobei in den 2,75 Mill. auch seiner Natur nach privates Vermögen enthalten sein kann, z.B. eine als "gewillkürtes Betriebsvermögen" in den Betrieb eingelegte vermietete Immobilie). Im Privatbereich darf eine erbende Witwe neben sonstigem Vermögen in Höhe von 500.000 € eine Millionenvilla ohne wertmäßige Begrenzung steuerfrei erhalten.
Frage:
Empfindet ein Sozialdemokrat es nicht als ungerecht und unsozialdemokratisch, wenn nicht sogar als verfassungwidrig, größere Vermögen übetrieben zu entlasten und die dadurch eintretenden Steuerausfälle durch einen massiven Zugriff (30%!!!) auf kleinere Erbschaften (sogar unter Geschwistern)auszugleichen oder anders ausgedrückt, Vermögen von unten nach oben umzuverteilen?

Mit freundl. Gruß
R. Ley

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Ley,

vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Erbschaftsteuerreform, die ich gerne beantworte. Hinsichtlich Ihrer Bedenken aufgrund des Bereichs des „Familienverbundes“ und der Regelung zur Versteuerung von Familienbetrieben kann ich mich allerdings nur den Antworten anschließen, die Sie bereits von meinen Abgeordnetenkollegen Florian Pronold und Ulrike Merten erhalten haben.

Wie Sie bereits meiner Antwort an Herrn Nellen entnehmen konnten, war die Einigung zur Erbschaftsteuerreform mit langen und schwierigen Verhandlungen verbunden. Die Diskussionen waren dabei nicht nur fachlicher, sondern oft auch prinzipieller Natur. Eine Einigung musste daher auf beiden Seiten Kompromisse erfordern.

Einer dieser Kompromisse war zum Beispiel die Beibehaltung der Erbschaftsteuerklassen in der bisherigen Form. Diese richten sich nach dem Grad der Verwandtschaft zum Erblasser/Schenker. So gehören Kinder, Ehegatten, Lebenspartner und Enkel zur Erbschaftsteuerklasse I, Eltern, Geschwister und andere Verwandte zur Steuerklasse II und alle übrigen Erben zur Steuerklasse III.
Gegenüber dem alten Recht konnten wir den Freibetrag für Geschwister auf 20.000 Euro erhöhen und die Lebenspartner in die erste Steuerklasse integrieren.

Die Eingrenzung der Steuerklasse I, die Sie als zu eng kritisieren, ergibt sich hierbei aus dem Konzept der „Kernfamilie“ – also auf der Basis des familiären Zusammenlebens innerhalb des engsten Kreises. Kennzeichen für die Kernfamilie ist die gegenseitige Unterhaltspflicht, die z.B. unter Geschwistern nicht besteht.
Innerhalb dieser Kernfamilien haben die überlebenden Ehegatten und Lebenspartner das Recht, das selbstbewohnte Eigenheim steuerfrei zu erben. Dieses Privileg haben wir jedoch daran geknüpft, dass der überlebende Partner das Wohneigentum 10 Jahre lang weiter nutzt und es in dieser Zeit nicht verkauft, vermietet oder verpachtet. Tut er das doch, muss er den Wert der Wohnung nachträglich voll versteuern. Auch Kinder können das Familienheim steuerfrei erben, wenn es nicht größer als 200 qm ist, und sie es mindestens 10 Jahre bewohnen.
Dieser Punkt war der SPD sehr wichtig, denn in diesen Erbfällen geht es in erster Linie nicht um Vermögensübertragungen, sondern um die Basis des familiären Zusammenlebens innerhalb des engsten Familienkreises. Kein Ehegatte, eingetragener Lebenspartner und kein Kind soll eine selbstgenutzte Wohnung wegen der Erbschaftsteuer verkaufen müssen.

Ähnliches gilt für die Vererbung von Betriebsvermögen. Hier wurde die Steuerfreiheit an die Bedingung geknüpft, dass der Erbe den Betrieb mindestens 15 Jahre weiter betreibt. So wollen wir verhindern, dass Betriebe und Arbeitsplätze im Todesfall des Eigentümers gefährdet werden und gleichzeitig eine sozial verantwortliche Besteuerung ermöglichen.

Ich halte die Regelung zur Besteuerung von Betriebsvermögen und die Begünstigung der Kernfamilie für sozial gerecht und gesellschaftlich sinnvoll, da sie dabei hilft das Zusammenleben der Kernfamilie und Arbeitsplätze im Betriebsübergang zu schützen.
Ausnahmen im Einzelfall, wie Sie es für „reiche Witwen“ fordern, darf es im Sinne der Gleichheit vor dem Gesetz und des Rechtsstaats nicht geben.

Mit freundlichen Grüßen
Klaus Brandner