Frage an Kirsten Tackmann von Thomas L. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrte Frau Dr. Tackmann,
seit dem die EU Eiervermarktungsnorm 2004 eingeführt wurde und der Verbrauche sich zunehmend an vernünftig gehaltenes geflügel orientiert, kam die Funde der Vogelgrippe auf Rügen damals den Betreibern der Batteriebetriebe gerade recht. In verschiedene Publikationen (Geflügelbörse) - auch aus dem Hause FLI - wurde bekannt, dass die Übertragungswege durch Wildvögel aller Art durchaus in Frage zu stellen sind. Ihnen sind die Fälle in den Putenmastanlagen bekannt. Meine Fragen: Wie werde Sie sich dafür einsetzen, das Ihre Firma, das FLI, die Forschungen dahingehend lenkt, das die Ursache der Vogelgrippeausbrüche unter Umständen in der Massentierhaltung zu suchen ist? Gibt es schon detailierte Erkenntnisse, welche Vektoren hier die Überträger sind, denn den Vögeln alleine diese "Schuld" zuzuschieben scheint momentan fadenscheinig. Abschleissend möchte ich Sie fragen, welche vernünftigen Maßnahmen Sie mit dem FLI erarbeiten, damit die Rassegeflügelzüchter einerseits von der staatlich angeordneten Tierquälerei verschont werden und andererseits von der Allmacht der übereifrigen Staatlichen Veterinären, die nur das TÖTEn der Tiere im Sinn haben, was höchst zweifelhaft ist.
Vielen Dank
Thomas List
Sehr geehrter Herr List,
Sie sprechen in Ihrer erneuten Anfrage zur Vogelgrippe ein sehr wichtiges Problem an, das eines meiner Schwerpunkte ist und das sich im Übrigen auch gar nicht auf die Vogelgrippe beschränkt.
Sie haben Recht: wir wissen oft sehr wenig über die Einschleppung- und Verbreitungsrisiken von Infektionserkrankungen bei Nutztieren und das in einer Zeit, in der diese Risiken infolge der Globalisierung extrem gestiegen sind. Es ist eine international längst anerkannte Tatsache, dass Tierinfektionen eine sehr ernsthafte Bedrohung unserer Nutztiere und der landwirtschaftlichen Betriebe sind. Der MKS-Ausbruch in Großbritannien hat die schwerwiegenden tierschützerischen, sozialen, ökologischen, ökonomischen Konsequenzen gezeigt. Direkte Globalisierungs-Einflüsse auf Einschleppungsrisiken sind z. B. die weltweiten Personen- und Warenströme, indirekt wirkt z. B. der massive ökonomische Druck in einer Weltwirtschaftsordnung, in der soziale, ökologische und Tierschutzstandards wenig Gewicht haben und der zu Konzentrations- und Rationalisierungsdruck in den landwirtschaftlichen Betrieben führt. Indirekt wirkt auch der Klimawandel (Verbreitungsgrenzen, ökologische Bedingungen).
Gebot der Stunde wäre es, die Veterinär-Epidemiologie (das ist die Wissenschaftsdisziplin, die sich mit diesen Fragen beschäftigt) zu stärken. Neuseeland macht es vor: die Massey-University hat ein epidemiologisches Zentrum und bildet auch EpidemiologInnen aus. Die Bundesrepublik macht das Gegenteil. Ausbildung: nicht existent oder in den Kinderschuhen. 1996 hat die schwarz-gelbe Bundestagsmehrheit die Verlagerung des einzigen epidemiologisch arbeitenden Standorts der Agrarressortforschung von Wusterhausen/Dosse (Brandenburg) auf die Insel Riems vor Greifswald beschlossen – die für solche Arbeiten denkbar ungeeignet ist.
Statt nach MKS, Blauzunge, Schweinepest und Vogelgrippe diesen schon 1996 falschen Beschluss wenigstens zu überprüfen hat rot-grün und schwarz-rot an den Plänen festgehalten. Nach dem Neubau des FLI soll der Umzug in den nächsten Jahren umgesetzt werden, was die Epidemiologie weiter schwächen, statt stärken wird. Insofern wird die Chance, Ihre berechtigten Fragen irgendwann einmal wirklich zu beantworten, eher kleiner als größer. Erst Recht, solang das FLI grundlagenforschungsfokussiert bleibt. Das habe ich übrigens immer kritisiert. Allerdings unterliegt das FLI nicht der parlamentarischen Kontrolle.
Zurück zur Vogelgrippe: in der Tat sind Wildvögel nur ein denkbarer Einschleppungsweg und es gibt viele andere, die vielleicht momentan auch viel wichtiger sind, Personen, Material etc. – wir wissen es, wie anfangs gesagt, nicht. In sehr großen Beständen ist die Wirkung eines Tierseuchenausbruchs natürlich verheerender – übrigens auch, je mehr solcher Bestände sich in einer Region befinden, Stichwort Cloppenburg. Da gab und gibt es Entwicklungen, die ich sehr kritisch sehe. Ich habe auch nachlesbar in allen Diskussionen zur Vogelgrippe die Interessen der kleinen Geflügelhalter und der Rassegeflügelhalter in die Diskussion eingebracht und werde das auch weiter tun. Das FLI muss deutlicher in die Lage versetzt und gefordert werden, wissenschaftlich begründete (!) Handlungskonzepte zur Vermeidung (!) und sinnvollen (!) Bekämpfung von Tierseuchen vorzulegen, auch bei der Vogelgrippe.
Und noch ein Wort zum Schluss: das FLI ist nicht meine „Firma“, sondern eine Einrichtung der Agrarressortforschung, also im Verantwortungsbereich von Ministerin Aigner. Als Bundestagsabgeordnete nehme ich aber meine Aufgabe der Kontrolle des Regierungshandelns nachweislich sehr ernst.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Kirsten Tackmann (MdB)