Frage an Kirsten Tackmann von Herbert M. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
"Zweites Gesetz zur Änderung des Tabakerzeugnisgesetzes": Ausnahmen für Kautabak
Sehr geehrte Fr. Tackmann,
gemäß Drucksache 19/19495 "Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Tabakerzeugnisgesetzes", Artikel 1 soll in das "Tabakerzeugnisgesetzes" folgender Artikel eingefügt werden:
"§ 20b
Verbot der kostenlosen Abgabe und der Ausspielungl
(1) Es ist verboten, Zigaretten, Tabak zum Selbstdrehen oder
außerhalb von Geschäftsräumen des Fachhandels gewerbsmäßig kostenlos abzugeben."
Dieses Verbot bezieht sich NUR auf Zigaretten, Tabak zum Selbstdrehen, Wasserpfeifentabak.
Die kostenlose Abgabe von Kautabak soll somit weitherhin erlaubt bleiben.
Diese ungleiche Regulierung von Kautabak im Vergleich zu Zigaretten wird häufig damit begründet, dass Kautabak hauptsächlich von alten Leuten aus ländlicher Umgebung konsumiert wird, nicht jedoch von Jugendlichen oder Heranwachsenden, da diese Produkte für diese unattraktiv seien.
Zudem sei Kautabak kein Einstiegsprodukt in den Tabakkonsum, sondern nur von langjährigen Tabaknutzern in Gebrauch.
Diese Begründung mag in der Vergangenheit zutreffend gewesen sein.
Mittlerweile versucht jedoch die Tabakindustrie, mit entsprechender Werbung und Werbeaussagen eine deutlich jüngere Zielgruppe anzusprechen:
Das Kautabakprodukt "SKRUF" wird verkauft von der Reemtsma Cigarettenfabriken GmbH. Reemtsma ist Teil von Imperial Brands plc. (bis 2016: Imperial Tobacco Group PLC), dem fünftgrößten Anbieter im internationalen Tabakmarkt.
Reemtsma beschreibt und bewirbt SKRUF auf dem Webauftritt https://skruf-online.de wie folgt:
"skruf ist Kautabak, sprich Tabak & Nikotin in praktisch portionierten Chew Bags"
Alle folgende Zitate stammen vom Webauftritt für SKRUF: https://skruf-online.de
(Bei der Frage nach dem Geburtsdatum kann ein beliebiges Datum vor dem Jahr 2001 angegeben werden)
"Melde dich an, wähle deine Geschmacksrichtung & Intensität aus und lass dir eine Probierdose per Post zukommen!"
1)
Frage: Teilen Sie die Befürchtung, dass der beworbene "diskrete Nikotingenuss" besonders für Jugendliche interessant ist, um nicht im Schulunterricht oder im Elternhaus mit Tabak aufzufallen?
Folgende Werbeaussagen sind Zitate von https://skruf-online.de und https://skruf-online.de/faq :
- "skruf ist Kautabak, sprich Tabak & Nikotin in praktisch portionierten Chew Bags. skruf kannst du jederzeit und überall verwenden.
- "DISKRET UND ÜBERALL VERWENDBAR"
- "Einfach in der Anwendung und absolut unauffällig."
- "Die skruf Super White Chew Bags gibt es im Slim Formats durch das dein Nikotingenuss noch diskreter wird."
2)
Frage: Glauben Sie, dass folgende Aussagen bewirken sollen, Kautabak aus der "Alte-Leute-Nische" heraus zu einer breiteren und jüngeren Zielgruppe zu bringen?
Folgende Werbeaussagen sind Zitate von https://skruf-online.de und https://skruf-online.de/faq :
- "Perfekt für urbanen Lifestyle."
- "skruf Super White ist die moderne, innovative Form des Kautabaks"
3)
Frage:
Eine persönliche Frage: Was wären Sie gerne? Noch Einsteiger, schon Fortgeschrittener oder sogar Pro?
Schätzen Sie, dass Heranwachsende für solche Kategorisierungen empfänglich sind?
Folgende Werbeaussagen sind Zitate von https://skruf-online.de
"#2 EINSTEIGER" : "weniger stark Nikotin"
"#3 FORTGESCHRITTEN" : "mittlerer Nikotingehalt"
"#4 PRO" : "vollen Nikotingenuss"
- "Es ist völlig normal, wenn du beim ersten Mal Probieren ein Kribbeln am Zahnfleisch spürst. Das ist das Nikotin, das seine Wirkung zeigt."
4)
Frage: Stimmt es, dass Fruchtaromen besonders von jüngeren Konsumenten bevorzugt werden? Falls ja, würde dieses erklären, warum Reemtsma diese für Zigaretten verbotenen Stoffe jetzt bei seinem Kautabak verwendet?
Folgende Werbeaussagen sind Zitate von https://skruf-online.de :
- "Johannisbeere - Minzaroma"
- "RED RHUBY: Für deinen Start lieber etwas Fruchtiges? Dann ist Super White RED RHUBY genau das Richtige für dich."
5)
Frage:
Gemäß § 20b (2) ist die Ausspielung (d.h. Verlosung) von Kautabak (=Tabakerzeugnis) verboten, jedoch gemäß § 20b (1) die gewerbsmäßige kostenlose Abgabe erlaubt, da sich in Absatz (1) das Verbot auf Zigaretten, Tabak zum Selbstdrehen oder Wasserpfeifentabak beschränkt.
Kann die kostenlose Abgabe eines Produktes nicht mit der Ausspielung (d.h. Verlosung) mit 100%-iger Gewinnchance gleichgesetzt werden?
Teilen Sie die Ansicht, dass § 20b bzgl. der Anwendung auf Kautabak in sich widersprüchlich ist?
Dies ist umso entscheidender, da gemäß Absatz (1) die folgende Aktion von Reemtsma weiterhin erlaubt wäre:
"Melde dich an, wähle deine Geschmacksrichtung & Intensität aus und lass dir eine Probierdose per Post zukommen!"
"§ 20b
Verbot der kostenlosen Abgabe und der Ausspielung
(1) Es ist verboten, Zigaretten, Tabak zum Selbstdrehen oder Wasserpfeifentabak außerhalb von Geschäftsräumen des Fachhandels gewerbsmäßig kostenlos abzugeben.
(2) Es ist verboten, Tabakerzeugnisse, elektronische Zigaretten oder Nachfüllbehälter gewerbsmäßig auszuspielen."
6)
Frage:
Laut Angaben der Tabakwirtschaft, die im Drogen- und Suchtbericht 2019 der Bundesregierung veröffentlicht wurden, wurden im Jahr 2017 rund 95,9 Millionen Euro für Außenwerbung ausgegeben.
Dies Ausgaben werden sich durch das Tabakaußenwerbeverbot drastisch reduzieren.
Gehen Sie davon aus, dass die Tabakkonzerne diese Gelder auf andere Marketingmaßnahmen lenken werden, z.B. dass wenn Reemtsma nicht mehr kostenlos seine Zigaretten abgeben darf (z.B. West, Davidoff, JPS, Gauloise), stattdessen vermehrt SKRUF-Kautabak kostenlos abgeben wird?
Für Ihre Antworten wäre ich Ihnen dankbar.
Mit freundlichen Grüßen
H. Müller
Sehr geehrter Herr M.,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Es ist zunächst einmal begrüßenswert, dass die Bundesregierung endlich ihren Verpflichtungen und unseren Aufforderungen nachkommt und ein - wenn auch nicht ganz konsequentes - Tabakwerbeverbot auf den Weg bringt.
Künftig wird die Außenwerbung für Kautabak als Tabakerzeugnis verboten sein. Sie haben recht, dass Kautabak aber nach wie vor außerhalb von Geschäftsräumen des Fachhandels gewerbsmäßig kostenlos abgegeben werden darf. Wir sehen generell kritisch, dass das geplante Tabakwerbeverbot noch zu viele Lücken bietet. Ob sich die Tabakindustrie nun auf Kautabak konzentrieren wird, ist angesichts des überschaubaren Marktes in Deutschland nicht sehr wahrscheinlich. Viel bedenklicher finden wir, dass die Bundesregierung die Werbeformen Sponsoring und Promotion gar nicht oder nur teilweise beschneiden möchte. Schon bisher gibt die die Tabakindustrie dafür jährlich fast 150 Mio. Euro aus. Wir nehmen an, dass sich die Tabakindustrie künftig noch mehr darauf konzentrieren wird, über die Finanzierung von Events, Festival, Parteitagen etc. sowie über Platzierung des Unternehmenslogos auf Aschenbechern, Sonnenschirmen etc. weiterhin (indirekt) für ihre Produkte zu werben.
Mit rückläufigen Raucherzahlen versucht die Tabakindustrie auf tabakfreie, rauchlose oder tabakerhitzende Produkte zu setzen. Jegliches Werben für tabak- und/oder nikotinhaltige Produkte sollten verboten werden. Es ist kein Geheimnis, dass die Tabakindustrie auf lifestyle-Werbung setzt und damit gezielt junge Menschen anspricht. Es ist wenig überraschend, dass auch beim Produkt Kautabak so verfahren wird. Das Werben mit unterschiedlichen Geschmacksrichtungen ist vor allem auch bei der e-Zigarette ein Problem.
An den Folgen des Rauchens sterben jährlich etwa 120.000 Menschen. DIE LINKE spricht sich daher für ein umfassendes Werbeverbot aus, das jegliche Werbeform für tabak- und nikotinhaltige Produkte untersagt.
Ich verbleibe mit freundlichen Grüßen
Dr. Kirsten Tackmann MdB