Frage an Kirsten Tackmann von Thomas L. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrte Frau Dr. Tackmann,,
heute bakam ich eine Mail von TASSO, wo auf einen Artikel vom 11.12.2008 in der Bildzeitung verwiesen wird, dass die Bundeswehr zweifelhafte Tierversuche vornimmt. Im Artikel geht es um die Untersuchung in Bezug auf Erreger wie Milzbrand und der gleichen. Brauchen wir sowas? Die vom Steurzahler finanzierte Bundeswehr hat doch m.E. andere Aufgaben als solche Versuche durchzuführen. Grundsätzlich sind solche Versuche zu vermeiden. Wie ist Ihr Standpunkt dazu und was werden Sie im Bundestag dagegen tun?
Vielen Dank, Thomas List
Sehr geehrter Herr List,
vielen Dank für Ihre Anfrage zu Milzbrand-Versuchen in der Bundeswehr.
Ich finde es grundsätzlich richtig, dass die Öffentlichkeit kritisch verfolgt, was die Bundeswehr tut. Beim Milzbrand ist zu bedenken, dass der Milzbranderreger nachweislich bereits als biologischer Kampfstoff verwendet wurde, also die Suche nach effektiven Maßnahmen zur Vermeidung bzw. für Reaktionsszenarien im Zusammenhang mit solchen Angriffen durchaus Schutzinteresse steht. Die Verwendung des Milzbranderregers als biologischer Kampfstoff hat mit verschiedenen Eigenschaften zu tun, zum Beispiel dass er in der natürlichen Umgebung extrem lange infektiös bleibt. Er verursacht eine hochansteckende, relativ leicht übertragbare Erkrankung, die neben den Menschen auch Nutztiere betreffen kann. Die Wirkungen können verheerend sein - das erzählen uns die so genannten Wasenplätze aus dem Mittelalter. In dieser Zeit gehörte Milzbrand zu den gefürchtetsten Infektionskrankheiten überhaupt. Es ist noch nicht lange her, als in den USA mit Milzbrand terroristische Anschläge gegen Personen stattfanden.
Insofern ist es zumindest richtig, gerade bei Milzbrand die große Gefahr des Missbrauchs im Auge zu behalten. Allerdings heißt das natürlich gerade nicht, dass es an dieser Stelle einen Freibrief für Tierversuche oder Forschungsprojekte geben darf. Auch hier sind strenge Maßstäbe an die Voraussetzungen für Tierversuche zwingend, die ihre Zahl konsequent reduziert und nur solche erlauben, die absolut unverzichtbar sind. Noch interessanter ist die Frage, warum die Bundeswehr solche militärischen Forschungen durchführen muss oder ob dazu nicht zivile Forschungseinrichtungen geeigneter sind, die ja ebenfalls am Thema dran sind, zumal die Transparenz und die gesellschaftliche Kontrolle über das Ziel dieser Forschungsaktivitäten gerade im Fall von Milzbrand mir sehr wichtig wäre. Wenn sich diese Forschungen ausschließlich auf ein mögliches Angriffs von Außen beschränkt, läge das aber vermutlich im Rahmen des verfassungsmäßigen Auftrags. Sollten diese Forschungen anderen Zwecken dienen oder missbräuchlich nutzbar sein, wäre das anders zu bewerten.
Deutschland ist 1983 dem Übereinkommen über das Verbot Biologischer Waffen (BWÜ) beigetreten, das 1972 vereinbart wurde und bereits 1975 in Kraft trat. Damit hat sich die Bundesregierung eindeutig verpflichtet, auf den Einsatz von biologischen Waffen zu verzichten. Nicht vom Verbot betroffen sind allerdings biologische Forschungsvorhaben zu zivilen und defensiven Zwecken. Insofern teile ich die kritische Sicht auf solche Forschungen in militärischen Einrichtungen grundsätzlich. Selbst die Bundesregierung bemängelt, dass es kein funktionierendes Verifikationsregime gibt.
Ich hoffe, dass ich Ihnen damit meinen Standpunkt umfassend und nachvollziehbar darlegen konnte, wünsche Ihnen für 2009 alles Gute und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Dr. Kirsten Tackmann, MdB