Frage an Kirsten Tackmann von Heinz W. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrte Frau Dr. Tackmann,
in Ihrer Antwort vom 13.06. lese ich, dass Sie sich grosse Sorgen machen um die "Erodierung der Lebensbedingungen ganzer Regionen." Machen Sie sich auch ähnliche Sorgen um die Erodierung ganzer Völker in z. B. in Afrika die durch die hierzulande noch wenig bekannte Subventionspolitik der EU auf dem Landwirtschaftssektor und insbesondere auf dem Milchsektor statt findet?
Mit freundlichen Grüssen
H. Waßmann
Sehr geehrte/r H. Waßmann,
vielen Dank für Ihre sehr wichtige Frage zur internationalen Agrarpolitik. Ich bin mir nicht sicher, ob die Agrar-Subventionspolitik hierzulande wenig bekannt ist. Zumindest hat sich diesbezüglich einiges getan in den vergangenen Monaten. Und DIE LINKE hat auch der Offenlegung der Agrar-Fördergelder zugestimmt, weil es schließlich um Steuermittel geht. Allerdings hätten wir uns gewünscht, dass diese Transparenz dann auch in allen anderen Bereichen unserer Gesellschaft Realität wird.
Natürlich mache auch ich mir Sorgen um Bäuerinnen und Bauern außerhalb Deutschlands bzw. der EU. Denn wir leben in einer Welt und gerade DIE LINKE tritt dafür ein, dass sie solidarisch, sozial gerecht und ökologisch zukunftsfähig wird, was friedliche und respektvolle Beziehung zwischen den Völkern selbstverständlich einschließt. Was das für uns agrarpolitisch heißt möchte ich ihnen gern darlegen:
Die von Ihnen angesprochenen EU-Agrarsubventionen werden bis 2013 vor allem aufgewandt, um die sehr tiefgreifenden Veränderungen hin zu einer Gemeinsamen EU-Agrarpolitik sozial und ökologisch zu begleiten. Nach 2013 dürfen nach unserer Auffassung Fördermittel nur für konkrete, gesellschaftlich gewollte ökologische und soziale Leistungen der Landwirtschaftsbetriebe gezahlt werden. Viele werden im Moment unentgeltlich geleistet. Zum Beispiel die Pflegen der Kulturlandschaft und der Erhalt oder die Schaffung von Arbeitsplätzen. Wir wollen eine flächendeckende Nutzung der Kulturlandschaft, mit der die Landwirtschaft ihren Beitrag zur regionalen Grundversorgung mit Nahrung und mit Energie leistet. Dagegen lehnt DIE LINKE eine auf Export orientierte und dem neoliberalen Welthandelsdogma unterworfene Agrarpolitik ab, denn sie ist weder sozial noch ökologisch zu verantworten. Zum Beispiel haben wir die Bundesregierung kritisiert, weil sie die bereits weitgehend abgeschaffte Exportförderung jetzt für Schweinefleisch aus der Mottenkiste geholt hat. Denn in den Empfängerländern zerstören solche Exporte die vorhandenen regionalen und nationalen Märkte. Wenn für eine solche Exportproduktion dann auch noch Futtermittel importiert werden, die in den Anbauländern unter inakzeptablen sozialen und ökologischen Bedingungen angebaut und produziert werden, wird das noch absurder. DIE LINKE lehnt ein solches System ab. Wir fordern den konsequenten Abbau der Exportsubventionen!
Konkret zur Milchproduktion: Hier hat die LINKE die Quotenerhöhungen durch die EU abgelehnt. Die Quote regelt die Milchmenge, welche produziert werden darf. Da die produzierte Milchmenge schon jetzt über der Selbstversorgungsmenge liegt würde eine noch höhere Milchmenge zu weiter sinkenden ErzeugerInnenpreisen beitragen, die schon jetzt nicht kostendeckend sind. Gleichzeitig würde der Druck erhöht, Milchprodukte in Länder außerhalb der EU zu exportieren, was wiederum den Milcherzeugern in Afrika oder Lateinamerika schaden würde. Deshalb muss aus unserer Sicht die Milchmenge reguliert werden.
Ich möchte aber darauf hinweisen, dass es eine direkte (gekoppelte) Subvention der Milcherzeugung in der EU Agrarpolitik heute nicht mehr gibt. Zwar erhalten die Landwirtschaftsbetriebe Fördermittel, diese sind aber in der Bundesrepublik nur noch ausnahmsweise an bestimmte Produkte gebunden. Für artgerechte Tierhaltung gibt es über die Investitionsförderung Zuschüsse. Diese Art der „Subventionierung“ halte ich aber für gerechtfertigt. Der Bericht des Weltagrarrates vom April 2008 verweist darauf, das solche gezielten Förderungen gerade auch in den nur schwach entwickelten Ländern sehr sinnvoll sind, wenn sie den regionalen Bedingungen angepasst und in eine sozial und ökologisch definierte Nachhaltigkeitsstrategie eingebunden werden.
Wir machen uns aber nicht nur Sorgen, wir suchen auch nach neuen Lösungswegen. Dazu könnte zum Beispiel gehören, dass die Futtermittelversorgung wieder zunehmen regional gelöst wird. Dann würden viele Flächen z.B. in Brasilien (Soja) wieder frei werden für die dringend nötige regionale Versorgung mit Lebensmitteln. Gleichzeitig würde das die Gefahr einer Überproduktion in der EU mindern. Diese basiert nämlich in erster Linie darauf, dass die benötigten Futtermittel nicht in der EU angebaut, sondern „billig“ aus den Ländern des Südens importiert werden – auf Kosten der Menschen und der Umwelt dort.
Ich hoffe, Ihre Frage ist damit beantwortet zu haben. Weitere Informationen zu den landwirtschaftlichen Positionen der Bundestagsfraktion DIE LINKE findet Sie hier: http://www.linksfraktion.de/landwirtschaft
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Kirsten Tackmann (MdB, DIE LINKE)
Agrarpolitische Sprecherin