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Kirsten Tackmann
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Frage von Kurt L. •

Frage an Kirsten Tackmann von Kurt L. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrte Frau Tackmann,

Sie feiern es als Erfolg, dass die Bauern höhere Milchpreise erhalten. Das wird sich aber in den Preisen in den Reaglen niederschlagen. ist Ihnen die Solidarität zu Milchbauern wichtiger als zu Hartz-IV-Empfängern, Kleinrentnern, Alleinerziehnde, arme Leute, die sich die neuen Milch- und Butterpreise werden nicht leisten können? Also Ihren Wählern!
Der Handel versuchte im Winter schon einmal höhere Milchpreise durchzudrücken, der Absatz ging rapide zurück, was nach den Regeln der Marktwirtschaft wieder zu billigeren Preisen führte. Wie sollen die Bauern ihr Geld erhalten, wenn keiner sich mehr die wieder zu teure Milch leisten kann? Was Sie machen klingt eher nach Polit-Show zur Profilierung statt durchdachter und sozial verantwortbarer Politik. Schade, die LINKE gefällt sich offenbar lieber in Schaufensterei statt Politik für Sozialschwache.

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Ludin,

vielen Dank für Ihre Zuschrift auf Abgeordnetenwatch und Ihre Anmerkungen zu meiner Position in Sachen Milchpreise. In Deutschland gibt es heute noch ungefähr 100.000 Milchviehbetriebe. In der Regel arbeiten auf einem milcherzeugenden Betrieb mehr als eine Person. Somit kann man in grober Schätzung davon ausgehen, dass mindestens eine Viertel Million Menschen in Deutschland von der Milcherzeugung leben. Aufgrund der niedrigen Erzeugerpreise in den vergangenen Jahren in der Bundesrepublik konnte kaum ein Betrieb mehr rentabel wirtschaften, weil der Milchpreis unter den Erzeugungskosten lag. Dieses Problem besteht bundesweit, auch wenn es große Unterschiede zwischen Ost und West sowie Nord und Süd bei den Milchbetrieben gibt und kurzzeitig der Milchpreis den kostendeckenden Bereich erreicht hatte. Bereits seit Monaten machen die Milcherzeuger darauf aufmerksam, dass sie nicht länger unter diesen Bedingungen arbeiten können. Die Dramatik der Situation wird dokumentiert durch die sehr breite Beteiligung am Lieferboykott über regionale und betriebliche Grenzen hinweg – eine solche Solidarität entsteht nur, wenn es nicht nur um rituelles Jammern geht.

Milchbäuerinnen und –bauern liefern ihre Milch an Molkereien, von denen es noch ca. 100 in Deutschland gibt. Diesen Hundert Molkereien stehen nur wenige Lebensmitteleinzelhandelskonzerne gegenüber, die aufgrund ihrer kartellartigen Marktposition so stark sind, dass sie auch ruinöse Preise durchsetzen können. In den Preisverhandlungen aus dem Monat April konnten die Handelskonzerne gegenüber den Molkereien eine massive Preissenkung durchsetzen, die die Molkereien wiederum unmittelbar an die landwirtschaftlichen Betriebe weitergaben, die an der Preisbildung nicht beteiligt sind, sondern erst Wochen nach Ablieferung der Milch erfahren, wie viel Geld sie bekommen. Gleichzeitig zu diesem Preisfall sind die Produktionskosten stark gestiegen, so insbesondere für Energie und Futter, aber auch viele andere Produktionsmittel. Um zu überleben haben die Betriebe keine andere Möglichkeit, als durchzusetzen, dass sie mehr Geld für die Milch bekommen. Das wurde vielen Betrieben schnell klar, daher die breite Unterstützung der Aktion durch die Milchbetriebe.
Politisch hat DIE LINKE den Kampf der Milchbäuerinnen und Milchbauern um höhere Preise immer unterstützt. Denn auch sie müssen von ihrer Arbeit leben können. Unsere Solidarität gilt dabei allen, egal, ob es um den Kampf um Mindestlöhne oder um menschenwürdige Arbeits- und Entlohnungsbedingungen geht. Daher fordern wir kostendeckende Erzeugerpreise. Aber natürlich müssen die auch bezahlbar sein. Deshalb gehört die Forderung einer Erhöhung der Hartz IV Regelsätzen auf 435 Euro, für einen gesetzlichen Mindestlohn und armutsfeste Renten immer dazu. Wir brauchen ein Gleichgewicht zwischen kostendeckender Produktion und bezahlbaren Produkten! Die zunehmende Verarmung ganzer Teile der Gesellschaft in Folge der aktuellen Regierungspolitik hat nicht nur eine private Dimension, sondern erodiert die Lebensbedingungen ganzer, insbesondere ländlicher Regionen.

Wir fordern politische Rahmenbedingungen, die auch den landwirtschaftlichen Erzeugern eine Chance geben, kostendeckende Erzeugerpreise durchzusetzen. Gerade bei Gütern der Grundversorgung wie Lebensmittel und Energie dürfen kartellartige Strukturen und Monopolstellungen nicht geduldet werden, weil die Verbraucherinnen und Verbraucher durch sie erpressbar sind. Wir fordern ebenso, dass die jetzt nötige Erhöhung der Erzeugerpreise nicht allein von den Verbraucherinnen und Verbrauchern finanziert werden, sondern dass sich Molkereien und der Handel an der Finanzierung dieser Preiserhöhung beteiligen. Im Klartext: die Erzeugerpreiserhöhung darf nicht 1:1 zu den Einzelhandelspreisen umgesetzt werden!

Ich hoffe, dass ich damit Ihre Anfrage beantworten und Ihnen versichern konnte, dass Menschen mit niedrigem Einkommen in allen Bereichen meine Solidarität ebenso uneingeschränkt gilt, wie solchen, die von sozialen Transferleistungen leben müssen. Ich wünsche Ihnen weiterhin alles Gute und verbleibe

mit freundlichen Grüßen
Dr. Kirsten Tackmann, MdB