Frage an Kirsten Tackmann von Ingo Dr. A. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Dr. Tackmann,
wie schätzen Sie heute die Relevanz der Echinokokkose für die Gesundheit bei Mensch und Tier ein? Leider ist es sehr schwer hierzu klare Stellungsnahmen zu bekommen. Haben Ihre damaligen Einschätzungen ("Neue Forschungsdaten zur gefährlichsten parasitären Zoonose in Mitteleuropa" Vet-MedReport; Sonderausgabe V3; 26.Jahrgang 2002) noch heute Gültigkeit bzw. hat sich seitdem das Gefährdungspotential weiter erhöht?
Über eine Antwort von ihnen würde ich mich sehr freuen. Auf eine Resonanz Ihrerseits verbleibe ich.
Mit freundlichen Grüßen von der Nordseeküste
Dr. med. vet. Ingo Alpers
Sehr geehrter Herr Dr. Alpers,
vielen Dank für Ihre Anfrage bei Abgeordnetenwatch und ihr Interesse an der Problematik Kleiner Fuchsbandwurm, die ich ja in meinem Leben vor dem Bundestag sehr intensiv bearbeitet habe. Bitte entschuldigen Sie die zeitliche Verzögerung der Beantwortung ihrer Frage. Meine Abgeordnetentätigkeit ist so zeitfüllend, dass ich mich immer wieder mal verwundert frage, woher Kolleginnen und Kollegen eigentlich die Zeit nehmen, nebenher noch in Aufsichtsräten Geld zu verdienen. Aber das nur nebenbei.
Zu Ihrer Anfrage: Nach meinem (zeitweisen) Weggang aus dem Institut für Epidemiologie in Wusterhausen/Dosse haben 2 Kolleginnen diese Forschungsaufgabe übernommen. Zur Beantwortung Ihrer Frage habe ich mich mit den Kolleginnen und Kollegen des Instituts auch verständigt. Bei weiteren Nachfragen nach Details würde ich Sie bitten, sich an dieses Institut zu wenden.
Im Grundsatz scheint die Situation unverändert: Wir wissen viel zu wenig über die tatsächliche Verbreitung dieses Parasiten, der beim Menschen eine in nahezu allen Fällen tödliche Erkrankung auslösen kann. Systematische Untersuchungen bei Füchsen und Marderhunden finden, wenn überhaupt, nur in ausgewählten Regionen, wie zum Beispiel in Brandenburg, statt. Trotzdem haben wir nur bestimmte Anhaltspunkte dafür, dass in immer mehr Regionen Europas der Parasit bei Füchsen nachgewiesen wird. Es ist aber unklar, ob es sich tatsächlich um neue Nachweisgebiete handelt oder das Vorkommen bisher nur übersehen wurde. Die Einführung der Meldepflicht der Infektion bei Füchsen hat leider die Informationslage nicht wesentlich verbessert, da ihr anscheinend nur sehr unvollständig nachgekommen wird. Wir wissen also nach wie vor wenig über die zeitlichen und räumlichen Verbreitungsmuster dieses gefährlichen Parasiten in den Tierpopulationen. Ähnlich problematisch sieht es in der Humanmedizin aus. Gerade ist eine Arbeit erschienen, die darauf aufmerksam macht, dass 67% der realen Fälle von alveolärer Echinokokkose beim Menschen in den vergangenen 3 Jahren in Deutschland nicht entdeckt (bzw. berichtet) wurden. Also auch hier wissen wir nur, dass diese tödliche Infektion vorkommt, aber nur wenig über regionale Infektionsrisiken.
Allerdings hat sich unterdessen auch in anderen Studien und Analysen bestätigt, was wir vor meinem Weggang vom Institut herausgefunden hatten: der Anteil von Wiesen im Fuchsrevier und die Temperaturen haben offensichtlich einen Einfluss auf die Häufigkeit der Infektion.
Da zwischen dem Zeitpunkt der Infektion beim Menschen und dem tatsächlichen Ausbruch der Krankheit unter europäischen Verhältnissen meistens 10 - 15 Jahre vergehen, würde sich auch ein Anstieg der Häufigkeit der Fuchsinfektionen resp. Marderhundinfektionen und das potentiell in diesem Fall steigende Infektionsrisiko für Menschen erst mit jahrelanger Verzögerung im Anstieg der Infektionen von Menschen zeigen, die offensichtlich mit dem derzeitigen System der medizinischen Betreuung und Berichterstattung auch nur teilweise und zeitverzögert erfasst werden würde. Insofern halte ich nach wie vor den Umgang mit diesem Infektionsrisiko für fahrlässig. Dringend wären systematische, bundesweite Untersuchungen zum Vorkommen des Parasiten bei Füchsen und Marderhunden und zur Ermittlung von Risikogebieten und Risikofaktoren notwendig. Aus China wissen wir, dass bis zu 5% der regionalen Bevölkerung von dieser schweren Erkrankung betroffen sein können. Sicher aufgrund von Bedingungen, die nicht vergleichbar sind mit den mitteleuropäischen. Aber die Daten zeigen: eine Infektionsgefahr für Menschen besteht, wo Hunde, Füchse oder Marderhund infiziert sind. Deshalb wäre der Vorsorgegedanke in diesem Fall dringend umzusetzen, selbst wenn im Moment nur vereinzelt Menschen betroffen sind.
Ich hoffe, dass ich damit Ihre Anfrage beantworten konnte, wünsche Ihnen weiterhin alles Gute und verbleibe
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Kirsten Tackmann, MdB