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Frage von Arne S. •

Frage an Kirsten Tackmann von Arne S. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Tackmann,

am kommenden Freitag, den 11.04.2008, wird das Parlament über den Regierungsentwurf für ein Gesetz zur besseren zivilrechtlichen Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte abstimmen. Dieser Entwurf wird von den Parteien und großen Teilen der Bevölkerung recht kritisch aufgenommen, da er als Ausdruck der Lobbyistentätigkeit der Musikindustrie gewertet und eine Kriminalisierung großer Teile von Internetusern befürchtet wird. Wie stehen sie diesem Problem als Vertreter der Bürger ihres Wahlkreises gegenüber, die bekanntlich nicht als Vertreter der Musikindustrie zu sehen sind.

M.f.G.

Arne Schumacher

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Schumacher,

vielen Dank für Ihre Anfrage auf Abgeordnetenwatch vom 9.4.08. Die Fraktion DIE LINKE hat den Gesetzentwurf zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums mit den vorgeschlagenen Änderungen des Rechtsausschusses abgelehnt.

Obwohl wir zum Beispiel die Deckelung der Abmahnkosten im Gesetzentwurf für Erstabmahnungen in einfachen Fällen begrüßen, konnten wir dem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Dass nicht - wie ursprünglich vorgeschlagen- 50 Euro, sondern nunmehr 100 Euro beschlossen werden, bedauert meine Fraktion. Es ist offensichtlich bei einigen Abgeordneten der Koalition immer noch nicht angekommen, dass 50 Euro für viele Menschen sehr viel Geld ist.

Der Gesetzentwurf soll das Recht am geistigen Eigentum auch in der digitalen Welt gegenüber gewerblicher Verletzung schützen und das halten wir für durchaus berechtigt. Denn Künstlerinnen und Künstler und andere Urheber müssen von ihren Werken, dem sogenannten geistigen Eigentum, leben und sie sollen selbst bestimmen, wie das verwertet wird.

Was wir aber falsch finden, sind die vorgesehenen Regelungen hierzu im vorgelegten Gesetzentwurf. Daher lehnen wir ihn ab.

Es geht im Kern um die Namen und Adressen der Internetnutzerinnen und Internetnutzer, die wollen wir ungern dem Staat und noch weniger Privaten anvertrauen. Der Gesetzentwurf, regelt nur die grundsätzliche Frage, dass die Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums einen Auskunftsanspruch über Namen und Adresse von Internetnutzern haben. Auf welche Daten die Internetprovider zurückgreifen dürfen, um die Namen und Adressen der verdächtigten Internetnutzer an Private für deren zivilrechtliche Zwecke zu geben, das regelt man nicht hier und jetzt. Man hat nicht einmal klargestellt, welche Daten denn derzeit genutzt werden sollen und dürfen. Und dies, obwohl nach Meinung vieler Experten und sogar der Auskunftsberechtigten selbst ziemlich unklar ist, welche Daten denn das überhaupt sein sollen.

Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hält den Gesetzentwurf für verfassungsrechtlich problematisch.

Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 29.Januar 2008 ganz klar festgestellt, dass der Gesetzgeber keine Pflicht zur Mitteilung personenbezogener Daten, selbst im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens, vorsehen muss. Die Koalition hat nun einen Auskunftsanspruch gegen Dritte auch bei personenbezogenen Daten geregelt, und das nicht nur bei anhängigen Gerichtsverfahren, sondern schon bei „offensichtlichen Rechtsverletzungen“ (was die Richtlinie sowieso nicht fordert). Was eine offensichtliche Rechtsverletzung ist, kann ein Internetprovider schwer wissen – und trotzdem soll er Auskunft erteilen.

Personen, die in „gewerblichem Ausmaß“ handeln, sollen nicht nur die gewerblich oder geschäftlich Handelnden sein, sondern auch Mitglieder in Tauschbörsen. Das wollte die Koalition schon immer. Weil sie aber fand, es sei nicht hinreichend klar, hat sie es nun ganz offiziell im Gesetzestext klargestellt: Den Inhalt einer Auskunft sollen nicht nur Personen darstellen, die ganz viele Filme tauschen, sondern es sollen auch solche Personen erfasst sein, die einen einzigen (!) brandneuen Film auf ihrem Computer gespeichert haben und in eine solche Tauschbörse gehen. Damit werden die Schulhöfe weiter kriminalisiert und bereits kleinste Kopien für private Zwecke (Privatkopie) verboten. Und das, obwohl es die Pauschalvergütung für die Privatkopie gibt, die jede/r zahlt. Aber die Privatkopie ist gegen Schutzmaßnahmen nicht durchsetzbar.

Den riesigen Unterschied zwischen den Vorgaben der Richtlinie und der Umsetzung durch die Koalition bestreitet keiner mehr ernsthaft. Bis vor kurzem behauptete die Koalition zwar noch, es sei notwendig, den Auskunftsanspruch gegen Provider zur Mitteilung personenbezogener Daten festzuschreiben. Nachdem nun aber selbst der EuGH sagt, dass das falsch ist, hat die Koalition das Visier hochgeklappt: SPD, CDU und CSU sagen jetzt klar und deutlich: Wir müssen die Internetprovider zwar nicht verpflichten, die Namen und Adressen ihrer privaten Kunden auf Anfrage des Filmemachers preiszugeben – aber wir wollen es; wir bekennen uns dazu, dass Eigentum vor Datenschutz geht.

Diese Position teilt DIE LINKE. nicht.

Die Koalition argumentierte darüber hinaus, dass durch den zivilrechtlichen Auskunftsanspruch der Weg über die Staatsanwaltschaften – also Anzeige und dann Akteneinsicht – nicht mehr notwendig sei und dann die Rechteinhaber nicht mehr Anzeige erstatteten, weil sie ja nur ihre zivilrechtlichen Ansprüche durchsetzen wollen. Dagegen spricht schon, dass ein Zivilanspruch die Möglichkeit der Anzeigeerstattung im Strafverfahren überhaupt nicht beschränkt. Außerdem ist der zivilrechtliche Anspruch mit Richtervorbehalt auf Auskunft unter Verwendung von Verkehrsdaten, der gegen Internetprovider geltend gemacht werden kann, ziemlich teuer. Es wurde schon gesagt, man müsse sich mal überlegen, ob man diesen Weg geht.

Alles in allem: Für DIE LINKE. steht Datenschutz hier an erster Stelle. Daher hat sie den Gesetzentwurf abgelehnt.

Ich hoffe, dass ich damit Ihre Frage beantworten konnte, wünsche Ihnen weiterhin alles Gute und verbleibe

mit freundlichen Grüßen
Dr. Kirsten Tackmann, MdB