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Kirsten Tackmann
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Frage von Ingo Bading, M. •

Frage an Kirsten Tackmann von Ingo Bading, M. bezüglich Familie

Liebe Frau Dr. Tackmann,

Sie haben jüngst gesagt "Mit Erwerbstätigkeit sicherten sich Frauen finanzielle Unabhängigkeit. "

Das ist ja exakt richtig und vielen Dank für diese Klarstellung. Genau das ist ja die zentrale Forderung von Christa Müller. Ich verstehe gar nicht, warum Sie das im Widerspruch zu Christa Müller formulieren. Und so mehr das klar ist, daß Kinderbetreuung für Männer wie Frauen schlicht ebenso Erwerbstätigkeit ist wie jede andere, also bspw. für die Kindergärtnerinnen, um so überschaubarer werden alle Zusammenhänge gesamtgesellschaftlich, gesamtwirtschaftlich, sozialpolitisch, und indiviualpsychologisch. Es entspricht allein dem Gerechtigkeitsempfinden des einzelnen.

Niemand wirft Kindergärtnerinnen vor, sie würden sich "ernähren" lassen. Nein, sie gehen ihrer Erwerbstätigkeit nach. Und niemand fragt herablassend (oder schlimmer), ob sie ihr verdientes Geld in Kneipen oder an Zigaretten-Automaten ausgeben. Und Eltern tun schlichtweg nichts anderes als Kindergärtnerinnen.

Ihre rattenschlechte Bezahlung gegenüber Kindergärtnerinnen mußte - da ihr Beruf nicht so leicht und unverbindlich an den Nagel zu hängen ist, wie der der Kindergärtnerin - zu jenem Gebärstreik der Kinderlosen und Eltern führen, den es seit Jahrzehnten gibt.

So wie es jedem Menschen früher schon aufgrund der wirtschaftlichen Zusammenhänge klar war, daß (eigene) Kinder Rentenversicherung sind, so wird dies auch nur durch die schliche wirtschaftliche Eingliederung der Tätigkeit des Kinderaufziehens das wieder voll bewußt gemacht dem einzelnen und der Gesamtgesellschaft.

Kinder sind erwünscht und wir lassen sie uns etwas kosten, indem wir die Eltern für ihre Tätigkeit - selbstverständlich - bezahlen.

Anstelle der in Deutschland nicht "produzierten" Kinder die Kinder im Ausland "herstellen" zu lassen (in "Billiglohnländern"), führt zur Verzerrung aller normalen wirtschaftlichen und sozialpsychologischen Zusammenhänge.

Sehen Sie das nicht genauso?

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Bading,

Vielen Dank für Ihre Anfrage auf Abgeordnetenwatch. Ich bitte Sie um Entschuldigung, dass die Antwort sehr lange gedauert hat. Allerdings ist nach dem Postausgang meines Büros die Antwort bereits im November 2007 mit `erledigt´ vermerkt und ich bin davon ausgegangen, dass Sie die Antwort auch schon erhalten haben müssten. Aus Gründen, die ich im Moment leider nicht mehr nachvollziehen oder rekonstruieren kann, war dies aber nicht der Fall. Das ist mir sehr unangenehm und ich bitte Sie um Verständnis für die zeitliche Verzögerung.

Nun zu Ihrer Anfrage: Leider kann ich ihre Sichtweise persönlich nicht teilen. Sie ist auch nicht mit der Beschlusslage der Linksfraktion im Bundestag vereinbar. Sozial gerechte Familienpolitik bedeutet für die Mehrheit in der Bundestagsfraktion und nach meiner Wahrnehmung auch in der Partei DIE LINKE, Bedingungen zu beseitigen, in denen sich für Frauen und Männer ein erfülltes Familienleben und berufliche Integration sowie individuelle Existenzsicherung immer öfter ausschließen, denn genau das ist das alltägliche Erleben von vielen. Das hat mit tatsächlicher Förderung der Gleichstellung der Geschlechter nichts zu tun.

Zur Verwirklichung des Ziels realer Gleichstellung der Geschlechter erheben wir als Linksfraktion im Bundestag vier Kernforderungen:

1. Kinderkrippenausbau vorantreiben: Kinderbetreuung ist für uns ein sozialer Rechtsanspruch. Kinderkrippen und Kindergärten, sind Orte der Bildung und Erziehung und müssen allen Kindern zugänglich sein. Öffentliche Betreuungsangebote können am Abbau sozialer Ungleichheit oder familiärer Defizite mitwirken. Sie sind für viele Kinder die Tore in die Gesellschaft und soziale Lernorte. Daher fordern wir eine flächendeckende, umfassende und gebührenfreie ganztägige vorschulische Betreuung für alle Kinder anzubieten bzw. aufzubauen. Der Rechtsanspruch ist auf alle Kinder unter drei Jahren auszuweiten und bis 2010 in einen uneingeschränkten Ganztagsanspruch umzuwandeln.

2. Elterngeld sozial ausgestalten: Wir schlagen vor, das Elterngeld zu einem Elterngeldkonto weiterzuentwickeln. Wir wollen jedem Elternteil einen individuellen und nicht übertragbaren Anspruch auf 12 Monate Elterngeld gewähren (bei Alleinerziehenden 24 Monate). Für uns gibt es keine „Vätermonate“, sondern einen individuellen Anspruch jedes Elternteils auf Elterngeld, um längere Berufsunterbrechungen nur eines Elternteiles zu vermeiden. Die Lohnersatzrate des aktuellen Elterngeldes von 67% bleibt auch bei unserem Elterngeldkonto bestehen, allerdings wird das Mindestelterngeld auf 450 Euro angehoben. Das Elterngeld kann ab der Geburt des Kindes bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres in Teilabschnitten von mindestens 2 Monaten in Anspruch genommen werden. So werden die Gestaltungsmöglichkeiten von Familien im Vergleich zur aktuellen Situation deutlich verbessert – auch spätere kurzzeitige Erwerbsunterbrechungen (etwa zu Schulbeginn) werden ermöglicht. Finanzieren wollen wir das Elterngeld (statt wie bisher aus Steuermitteln) durch eine paritätisch finanzierte BürgerInnenversicherung.

3. Unternehmen in die Verantwortung für eine familienfreundliche Arbeitswelt nehmen: Wer gute und sichere Arbeitsleistung abverlangt, muss die Probleme der Familien mitdenken. Da das meist nicht freiwillig geschieht, wollen wir eine Stärkung der ArbeitnehmerInnenrechte und eine deutliche Verbesserung der Rahmenbedingungen für das Handeln von Gewerkschaften und betrieblichen Interessenvertretungen erreichen. Wir schlagen vor, als einen ersten Schritt die Rückkehr in den Beruf zu erleichtern, familienfreundliche Arbeitszeiten möglich zu machen und den Kündigungsschutz für Eltern zu verbessern.

4. Finanzierung familienpolitischer Leistungen sozial gerecht aufbringen: Wir sehen Investitionen in Familienpolitik als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Auch die finanzielle Beteiligung der Arbeitgeber muss deshalb verbessert werden. Durch den Verzicht auf Steuergeschenke an Unternehmen könnten Milliarden für Familien zur Verfügung gestellt werden – was wiederum den Unternehmen mittelfristig zugute kommt.

Die Einführung eines Erziehungsgehaltes ist aus meiner Sicht ein Irrweg, da er den Verzicht auf Erwerbsarbeit voraussetzt und somit Frauen an „Haus- und Herd“ bindet. Es kann kein Interesse der LINKEN sein, die zunehmend familien- und kinderfeindliche Arbeitswelt, die Diskriminierung von Frauen im Erwerbsleben und die schlechten finanziellen Bedingungen für viele Eltern und Alleinerziehende mit einer Retraditionalisierung der Geschlechterverhältnisse ausgleichen zu wollen. Kinder brauchen eine Familie – aber diese Verantwortung wieder vollständig zu privatisieren kann aus meiner Sicht nicht Ziel linker Politik sein.

Erlauben Sie mir noch eine Anmerkung zu den Einkommen von Kindergärtnerinnen. Sie schreiben, dass „Kinderbetreuung für Männer wie Frauen schlicht ebenso Erwerbstätigkeit ist wie jede andere, also bspw. für die Kindergärtnerinnen“. Eine solche Sichtweise trägt dazu bei, dass klassische Frauenberufe – fast 97% der Erzieherinnen in Kitas sind Frauen – als „Jede-Frau-Qualifikation“ gelten und auch deshalb nach wie vor unterbezahlt werden. Nach einer Ausbildung an der Fachschule bekommt eine Erzieherin derzeit ein Einstiegsgehalt von 1.764 Euro (brutto) im Monat bei Vollzeit. Aber zwei Drittel der Erzieherinnen müssen aktuell Teilzeit arbeiten, obwohl nach einer aktuellen GEW-Studie fast 40 Prozent der Erzieherinnen gerne Vollzeit arbeiten würden. Mit den paar hundert Euro, die ihnen dann für ihre hochqualifizierte, anspruchsvolle Tätigkeit bleibt, ist ein würdevolles Leben nicht möglich.

Zum Abschluss möchte ich Ihnen noch in einem Punkt Recht geben. Kinder sind erwünscht und wir sollten sie uns als Gesellschaft etwas kosten lassen. Daher fordern wir eine bedarfsorientierte und individuelle Kindergrundsicherung als eigenständiges soziales Sicherungssystem, die durch einen schrittweisen Ausbau und eine Neuausrichtung der existierenden Instrumente Kindergeld und Kinderzuschlag eingeführt werden sollte. Ich hoffe, dass ich damit Ihre Fragen beantworten konnte, wünsche Ihnen weiterhin alles Gute und verbleibe

mit freundlichen Grüßen
Dr. Kirsten Tackmann, MdB