Frage an Kirsten Tackmann von Andreas B. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Hallo Frau Dr. Tackmann
Im Vergleich zu den Verhältnissen vor etwa 40 Jahren geht es den Nutztieren in deutschen Ställen besser als je zu vor. Das weiß ich, weil ich mich täglich damit auseinandersetzen muss. Für mich steht fest, dass es nirgendwo auf der Welt den Nutztieren, deren Produkte für den Export bestimmt sind, besser geht als denen, die in deutschen Ställen untergebracht sind. 1. Frage: Wie wollen Sie verhindern, dass Produkte von Nutztieren auf den deutschen (europäischen) Markt gelangen, die unter (deutlich) schlechteren Bedingungen gehalten werden? Dazu zähle ich auch das Verabreichen von Hormonen (Milchwirtschaft und Rindermast in den USA) und den Einsatz von Antibiotika (kann man in Südamerika im Supermarkt kaufen).
Jede Verbesserung von Standards sind zu begrüßen, aber es ist sicher nicht sinnvoll, wenn hohe Anforderungen durch noch höhere ersetzt werden, die aber von Dritten unterlaufen werden (CETA und TTIP) und am Ende eine Verschlechterung der Bedingungen für die Tiere bedeuten, die oder deren Produkte auf unseren Tellern liegen. 2. Frage: Ist ein deutscher Alleingang durch das Wettbewerbsrecht allein innerhalb der EU nicht ausgeschlossen?
MfG.
Andreas Bähr
Sehr geehrter Herr Bähr,
vielen Dank für Ihre Nachfrage und Ihr Interesse am Themenkomplex Tierhaltung.
In Deutschland wurden in den vergangenen Jahren einige Fortschritte bei den Tierhaltungsbedingungen erreicht. Die öffentliche Sensibilität für das Thema ist gewachsen. Dennoch bleibt Einiges zu tun für eine gesellschaftlich akzeptierte Tierhaltung. Darauf hat vergangenes Jahr das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarfragen der Bundesregierung hingewiesen ( http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Ministerium/Beiraete/Agrarpolitik/GutachtenNutztierhaltung-Kurzfassung.pdf?__blob=publicationFile ) und auch der Bericht des Tierschutzkompetenzkreises der Bundesregierung hat dies bestätigt. Für uns LINKE darf es in dieser Diskussion aber nicht nur um das Wohl der Tiere im Stall gehen sondern auch um bessere Arbeits- und Entlohnungsbedingungen für die Menschen, die sie betreuen und um die Frage, dass sich die Handels-, Molkerei- und Schlachthofkonzerne stärker an der Finanzierung hoher Standards beteiligen müssen. Als LINKE wollen wir eine landwirtschaftliche und flächengebundene Tierhaltung. Megaställe und zu hohe Viehdichten in Regionen lehnen wir ab, deshalb wollen wir eine Deckelung der Bestandsgrößen für Standorte und Regionen.
Ihre erste Frage möchte ich wie folgt beantworten:
Der wirkungsvollste und beste Weg zur Nachweisbarkeit guter Tierhaltung für Verbraucherinnen und Verbraucher ist aus Sicht von DIE LINKE ein staatliches Siegel. Neben der Angabe der Haltungsform muss für die VerbraucherInnen auch die Herkunft der tierischen Bestandteile ersichtlich sein. Die Kennzeichnungspflicht für tierische Produkte ist ein wichtiges Mittel, um den Verbraucherinnen und Verbrauchern die Wahl zwischen Produkten die tiergerecht und eben nicht tiergerecht produziert wurden zu ermöglichen. Bisher gibt es eine solche Möglichkeit nur für Frischeier (Käfighaltung, Bodenhaltung, Freilandhaltung, Bio-Eier). Mit einer Ausweitung auch auf verarbeitete Eier wäre dieser Weg zur Unterstützung tierwohlgerechterer Haltungsbedingungen noch erfolgreicher. aber der in Bezug auf Gentechnik bzw. bei Verbänden mit entsprechenden Richtlinien, wie beispielsweise Naturland.
Natürlich wäre es gut, die Verbesserung der Tierhaltungsbedingungen europaweit voranzubringen, damit alle Länder die Chance haben eine entsprechende Vermarktung zu organisieren und gleichzeitig sozial verträgliche Preise zu sichern, damit die nationale Bevölkerung tierische Lebensmittel erstehen kann. Solang das aber (noch) nicht gelingt, sollte es doch selbstverständlich sein, dass höhere soziale und Tierschutzleistungen ein Qualitätsmerkmal sind – das allerdings dann auch von den Verarbeitungs- und Handelskonzernen auch angemessen gezahlt werden. Mit einer faireren Gewinnverteilung in der Wertschöpfungskette muss damit das Lebensmittel auch nicht zwangsläufig teurer werden. Denn die Höhe des Lebensmittelpreises hat wenig mit den Erzeugungskosten zu tun, sondern ist vor allem Ausdruck einer erpresserischen Marktübermacht gegenüber den Erzeugerbetrieben.
Ihre Sicht auf die Gefahren durch die Freihandelsabkommen CETA und TTIP teilen wir. Unsere Hauptkritik richtet sich zwar gegen die undemokratischen und intransparenten Entscheidungsprozesse und –gremien, aber natürlich geht es auch darum, nationale Standards nicht zugunsten internationaler Partnerschaften zu verkaufen. Gerade im Bereich Landwirtschaft gelangen immer wieder Verhandlungseingeständnisse zugunsten anderer Branchen, wie der Automobilindustrie, an die Öffentlichkeit, gegen die wir uns mit aller Macht wehren. Die sensible Produktion von Lebensmitteln als Verhandlungsspielball einzusetzen ist unverantwortlich und wir werden alles dafür tun, dass Deutschland bei seiner proklamierten Position der Unverhandelbarkeit nationaler Standards bleibt. Das Vorsorgeprinzip als ein zentrales Element der Gesetzgebung in der EU darf nicht unterhöhlt werden.
Was Ihre zweite Frage betrifft gibt es immer wieder den Versuch, höhere soziale, ökologische oder ethische Standards als so genannte nicht-tarifäre Handelshemmnisse zu definieren und zu verbieten. Allerdings hat sich hier die Debatte unterdessen auch bewegt. Selbst bei der WTO ist jetzt im Zusammenhang mit Robben-Produkten erstmals ein Handelsverbot aus ethischen Gründen anerkannt worden. Allerdings bleibt die Frage, wie mit Drittlandimporten umzugehen ist. Unsere Position ist da eindeutig: sie müssen den gleichen oder zumindest vergleichbaren Standards entsprechen und wir brauchen eine klare und wahre Kennzeichnung der Lebensmittel.
Ich bedanke mich für Ihre Zuschrift, bei weiterem Interesse an unserer Arbeit, besuchen Sie gerne meine Website: http://www.kirsten-tackmann.de
MfG,
Dr. Kirsten Tackmann
Agrarpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion DIE LINKE.