Frage an Kirsten Tackmann von Reinhard G. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Schon heute werden in Deutschland große Mengen des Pflanzenschutzmittels Glyphosat verwendet, dass eng mit der Gentechnologie verbunden ist. Bestimmte Genpflanzen sind so gezüchtet, dass die Pflanze selbst das Glyphosat erzeugt. Seit Jahren sagen unabhängige Gutachten, dass Glyphosat erbgutschädigend und krebserregend sei. Es gibt dazu einige Dokumentationen, die Missbildungen an Tieren in Deutschland und an Kindern in Lateinamerika zeigen. Dort werden die meisten Futtermittel für die deutsche Fleischindustrie angebaut. Sie sind in der Regel gentechnisch verändert und werden mit immer größeren Mengen von Glyphosat besprüht. Das Unkraut wird immer resistenter. In Teilen der USA kann durch sogenanntes „Superweed“ kein Mais oder Soja mehr angebaut werden. Inzwischen gibt es endlich! auch Warnungen der WHO vor Glyphosat. 2015 soll die Zulassung von Glyphosat planmäßig neu geprüft werden. Wie und von wem wird das geprüft? Nach welchen Rechtsgrundlagen kann derzeit ein Produkt wie Glyphosat sofort vom Markt genommen werden?
Auf welchen Wege könnte ein Produkt wie Glyphosat in Europa verboten werden oder eine Kennzeichnungspflicht für Fleisch, dass mit gentechnisch veränderten Futtermittel erzeugt wurde beschlossen werden, wenn TTIP oder CETA unterzeichnet wird? Wie können wir dann noch unsere Umweltstandards anheben? Der Fall Glyphosat ist ein Beispiel, das zeigt, dass es dringend notwendig ist, unsere Standards anzuheben.
Unsere Landwirtschaft ist derzeit nicht gegen die Agrarkonzerne der USA konkurrenzfähig, die auf riesigen Flächen mit wenigen Arbeitskräften ihre gentechnisch veränderten „Lebensmittel“ anbauen. Wäre es nicht sinnvoll, eine Agrarwende in Europa umzusetzen, statt die Art, Landwirtschaft zu betreiben, von den USA zu übernehmen? Letzteres ist langfristig teurer und kostet immer mehr Geld für Pflanzenschutzmittel. Kostet sie nicht vor allem zunehmend die Gesundheit von Tier und Mensch? Zerstört sie nicht nachhaltig in wenigen Jahrzehnten den Ackerboden?
Sehr geehrter Herr Großmann,
vielen Dank für Ihre agrarpolitische Anfrage. Sie haben einige gute Argumente benannt, warum TTIP oder CETA abgelehnt werden müssen. Aus meiner Sicht als Abgeordnete gehören dazu unbedingt auch die Schiedsgerichte und die regulatorische Kooperation, die uns als Gesetzgeber daran binden sollen, Profite der Investoren zu sichern. Das greift tief in die Unabhängigkeit der parlamentarischen Demokratie und des Rechtsstaats ein. Das ist für DIE LINKE inakzeptabel!
Wir sind uns auch einig, dass über das TTIP weder die Tür für das Agrarmodell der USA in der EU geöffnet, noch die Absenkung von Umwelt- oder Verbraucherstandards zugelassen werden dürfen. Daher engagiert sich DIE LINKE seit Jahren gegen das geplante EU-US-Freihandelsabkommen (www.ttip-stoppen.de). Wir fordern die Institutionen der Europäischen Union und ihre Mitgliedsstaaten dazu auf, die Verhandlungen mit den USA über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) zu stoppen, sowie das umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) mit Kanada nicht zu ratifizieren. Über 1,6 Millionen Menschen haben die Europäische Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA mit ihrer Unterschrift bereits unterstützt.
Was das Unkraut-Vernichtungsmittel Glyphosat (Wirkstoff) konkret angeht: DIE LINKE hatte 2014 im Bundestag, aufgrund verschiedener geäußerter Zweifel an der bis dahin angenommenen Unbedenklichkeit des Wirkstoffes, den Antrag gestellt, nach dem Vorsorgeprinzip zumindest die um sich greifende Praxis der Vorerntebehandlung und die Anwendung im Privatbereich zu untersagen. Kleinere Anwendungsbeschränkungen wurden tatsächlich im vergangenen Jahr vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) verfügt. Im Januar 2015 legten im Rahmen des aktuell laufenden Verfahrens zur Zulassungsverlängerung des Wirkstoffs (Zulassungen sind in der EU grundsätzlich auf 10 Jahre begrenzt) die zuständigen Bundesbehörden (Deutschland ist bei Glyphosat Berichterstatterstaat bei der EU-Lebensmittelsichherheitsbehörde EFSA) umfassend dar, dass Kritik an Glyphosat im Wesentlichen unangemessen sei und gegen eine erneute Zulassung des Wirkstoffes nichts spräche. Lediglich das Bundesamt für Naturschutz (BfN) hatte – allerdings auch nur kleinere - Bedenken aufgrund ökologischer Nebenwirkungen. Kürzlich war von der Weltgesundheitsorganisation jedoch Gegenteiliges zu hören: „wahrscheinlich krebserregend“! Ich fragte bei der Bundesregierung nach, welche Folgen dies für das Wiederzulassungsverfahren für den Wirkstoff habe (zu finden auf www.kirsten-tackmann.de). Man werde das noch mal anschauen und prüfen, aber man vertraue auf die bereits vorliegende Einschätzung der Bundesbehörden, war sinngemäß die Antwort. Ich finde das angesichts des dargestellten Risikos vollkommen unzureichend und fordere eine sofortige Aufklärung dieser Bedenken. Sollte nur der geringste Zweifel bleiben, muss – schon alleine aus Vorsorgegründen – Glyphosat vom Markt genommen werden. Wir werden daher der Bundesregierung genau auf die Finger schauen.
Aus Sicht der Bundestagsfraktion DIE LINKE haben wir aber mehr Probleme in der Landwirtschaft. Der Begriff „Agrarwende“ ignoriert allerdings die erfolgreichen Bemühungen in vielen konventionellen und Ökobetrieben um Verbesserungen und den Druck, dem die Betriebe durch die herrschende marktradikale Politik ausgesetzt sind. Es muss sich in unserem Land mehr ändern, um nachhaltig wirtschaftende Agrarbetriebe zu unterstützen. Wir wollen einen PLAN B für die Landwirtschaft (siehe: www.plan-b-mitmachen.de). Landwirtschaft soll sich wieder mehr auf die regionale Versorgung mit Lebens- und Futtermitteln und erneuerbaren Energien konzentrieren, also – zugespitzt - mehr am Wochenmarkt orientieren, statt zu Dumpingbedingungen den Weltmarkt zu beliefern – koste es die Gesellschaft, was es wolle.
Weitere Informationen über unsere Agrarpolitik erhalten Sie auch regelmäßig auf www.nachhaltig-links.de
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Kirsten Tackmann, MdB