Frage an Kirsten Tackmann von Reinhold B. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrte Frau Tackmann,
wie sie wissen ist die deutsche Milchwirtschaft in einer schweren Kriese. EU weit möchten die Milchbauern eine flexsibele Quotenregelung die einen fairen Milchpreis ermöglicht. Weiterhin soll die Quote nach 2015 bestehen bleiben-so die Forderungen der Milchbauern.
Leider sieht das die Politik anders. Sie will die Quote abschaffen und wir Milchbauern sollen dann zu Weltmarktpreisen produzieren. Ich sehe da einen erneuten Preisverfall der Milch, da mir noch niemand sagen konnte wie es nach 2015 weitergehen soll.
Frage: Wie kann Ihrer Meinung nach ein vernünfiger und gerechter Milchpreis für Verbraucher und Milchbauern erreicht werden?
Wie stehen Sie zu einer flexiblen Quotenregelung des Milchmarktes?
Mit freundlichen Grüßen Reinhold Bert
Sehr geehrter Herr Bert,
vielen Dank für Ihre Anfrage zur Milchpolitik. Darauf möchte ich gerne antworten, denn speziell die Debatte zu fairen (oder eben unfairen) Erzeugerpreisen für Milchbäuerinnen und Milchbauern begleite ich schon seit Monaten sehr intensiv. So habe ich zum Beispiel den Protest der Milchbäuerinnen vor dem Bundeskanzleramt unterstützt und viele interessante Gespräche mit den engagierten Frauen geführt. Ich bin bei meiner „Wege über’s Land“-Tour (seit dem 13. Juli 2009) auch in den landwirtschaftlichen Betrieben des Wahlkreises, in dem ich kandidiere und wohne, unterwegs und kenne daher die konkreten Probleme sehr genau.
Seit Sommer 2008 gibt es – nach kurzem Zwischenhoch – wieder katastrophal niedrige Milchpreise. Landwirtinnen und Landwirte erhalten so wenig Geld für ihre Milch, dass sie ihre Kosten nicht mehr decken können. Um 20 Cent für den Liter sind gerade halb so viel wie nötig wäre. Deshalb gehen Bäuerinnen und Bauern auf die Straße, blockieren Molkereien und streiken. Die Berufsverbände sind sich leider uneinig. Unterstützung finden die Betriebe bei den LINKEN.
Die ruinösen Milchpreise haben viele Ursachen. Aber vor allem trägt das irrsinnige Streben der EU-Kommission auf den unregulierten Weltagrarmarkt und die Machtkonzentration in Handel und Verarbeitung dazu bei. Wenn sich daran nichts ändert, wird die Preisspirale nach unten so weit gedreht, dass europäische Landwirtschaftsbetriebe zu Preisen und Produktionsbedingungen produzieren müssten wie im klimatisch begünstigten Neuseeland.
Doch Milch ist mehr als nur ein Getränk. Milch ist Kulturgut. Sie erhält Wiesen und Weiden. Sie schafft Arbeit und Einkommen. Sie ist gesund. Sie wird in Europa unter hohen Arbeits- und Umweltstandards produziert. Das alles muss honoriert und darf nicht dem Preisdumpingwettbewerb geopfert werden. Die Milch braucht eine wirkliche Zukunft. Dazu brauchen wir faire Bedingungen und keinen ruinösen Wettbewerb.
DIE LINKE fordert faire Milchpreise. Wir wollen eine flächendeckende Milchversorgung und -produktion. Das heißt bezahlbare Preise für Verbraucherinnen und Verbraucher und kostendeckende Preise für die Landwirtschaftsbetriebe. Von Rügen bis zum Allgäu.
Die produzierte Milchmenge muss sich am tatsächlichen Bedarf ausrichten, anstatt überschüssige Milch mit Steuermitteln subventioniert dorthin zu exportieren, wo sie die regionale Milchwirtschaft zerstört und bäuerliche Existenzen gefährdet.
Um auf Ihre erste Frage zu kommen: Ein sinnvolles Milchmengensteuerungssystem muss sichern, dass das Milchgeld auf Augenhöhe zwischen Landwirtschaftsbetrieben, Molkereien und Handel ausgehandelt wird. Politisch starr festgelegte Produktionsmengen haben nicht funktioniert und zur heutigen Situation beigetragen. Die flexible Anpassung der Milcherzeugung an den Verbrauch kann nur durch die Reduzierung der produzierten Milchmenge erfolgen. Weniger Milch bringt in Verbindung mit reguliertem Import (Außenschutz) bessere Preise.
Die vom Deutschen Bauernverband, der Milchindustrie und der Bundesregierung propagierte Exportstrategie ist dagegen riskant und berücksichtigt keine Preis- und Einkommensziele für die hiesigen Produzentinnen und Produzenten. Die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise zeigt ja ganz eindrucksvoll die Risiken einer neoliberal begründeten Exportpolitik.
Bisher sollte eine Anpassung der Milchmenge an den Markt über die Vergabe von Milchquoten erreicht werden, die 2015 abgeschafft werden sollen. Allerdings lagen und liegen die Quoten über der EU-Nachfrage und wer zu viel produzierte wurde durch die Saldierung letztlich belohnt. Die Superabgabe für die Quotenüberlieferung wurde quasi wirkungslos. Zudem hat die EU-Kommission die Quote auch noch um 2% zwangsweise erhöht. Allein das Signal der organisierten Überproduktion führte zu geringen Erzeugerpreisen. Manche Betriebe versuchen mit noch mehr Milch fehlende Einnahmen zu kompensieren oder die entwertete Quote anderer Betriebe zu kaufen. Die Folge: Noch mehr Milch und noch schlechtere Preise. Die Milchquote wird sich – wenn die Beschlüsse bleiben wie sie sind – bis 2015 weiter erhöhen und dann wegfallen. Auf diesem Weg kommt es praktisch zu einer Enteignung der Betriebe durch Verbilligung der Quote infolge des Überangebots.
Ich persönlich denke, eine flexible Quote im Sinne der oben erwähnten Milchmengenreduzierung macht dann Sinn, wenn sie entsprechend zwischen Handel, Landwirtschaft und Verarbeitung auf Augenhöhe ausgehandelt worden ist. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen, insbesondere im Kartellrecht müssen dafür erst noch geschaffen werden. Modelle für eine faire Preisbildung gibt es bereits, siehe Schweiz, Kanada oder Finnland! Aus Sicht der LINKEN muss an einem System „fairer“ Preisbildung für die Erzeugerinnen und Erzeuger gearbeitet werden.
DIE LINKE fordert eine Abkehr von der neoliberalen Agrarpolitik der Verdrängung. Wir fordern eine flächendeckende, nachfrageorientierte Milchproduktion. Die Quote darf nicht weiter erhöht werden. Inaktive Quote gehört in die staatliche Reserve. Wir wollen vielfältige Produktionsformen, hohe Umwelt- und Produktionsstandards und eine flächendeckende Landbewirtschaftung. Wir geben die ländlichen Räume nicht auf – Milch hat überall eine Zukunft!
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Kirsten Tackmann (MdB)