Frage an Kirsten Tackmann von Jens G. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrte Frau Dr. Tackmann ,
als Milcherzeuger habe ich folgende Frage an Sie. Halten Sie die gegenwärtige Milchmarktpolitik für sinnvoll und verantwortungsbewusst. Ich kann den Sinn dieser auf völlige Liberalisierung ausgerichteten Politik nicht begreifen von der nur sehr wenige profitieren werden . Diese Politik wird Existenzen bei Milcherzeugern innerhalb der EU wie auch außerhalb der EU vernichten. Am Ende dieser Entwicklung könnte eine von wenigen Konzernen gelenkte Landwirtschaft stehen. Wollen wir das ?
Sehr geehrter Herr Gerloff,
wir sind da einer Meinung: weder die Milchmarktpolitik der EU, der Bundesregierung oder des Bundesrates waren in den vergangenen Wochen und Monaten sinnvoll oder verantwortungsbewusst. Mit der von der EU - Kommission ausgehenden Deregulierungspolitik auf den Agrarmärkten werden die europäischen und insbesondere die einheimischen Betriebe an die Wand gedrückt - nicht nur, aber aktuell besonders die Milcherzeuger. Sie führt zu einem gnadenlosen Verdrängungswettbewerb, der über kurz oder lang viele Existenzen vernichtet und Eigentum enteignet. Im Wettbewerb um die billigsten Produktionsbedingungen können die Bäuerinnen und Bauern in Deutschland und Europa nicht mithalten. Aus Sicht der LINKEN sollten sie das auch nicht, denn die Agrarwirtschaft soll auch soziale und ökologische Verantwortung im Interesse der Gesellschaft übernehmen können.
Die Milch-Exportstrategie der Bundesregierung einschließlich Exportsubventionen sind keine Lösung. Im Gegenteil: sie lösen das einheimische Angebot-Nachfrage-Problem nicht, fördern aber dafür den Dumpingwettbewerb und bedrohen die Existenzen landwirtschaftlicher Betriebe in vielen anderen Teilen der Welt. Unter den durch die Welthandelsorganisation (WTO) und der Europäischen Kommission fixierten Wettbewerbsbedingungen werden letztlich zehntausende, europaweit womöglich hunderttausende Existenzen bedroht bzw. vernichtet. Damit werden hunderttausende Arbeitsplätze gefährdet und in vielen Regionen der Entwicklung in den ländlichen Räumen geschadet. Diese Agrarpolitik lehnt die LINKE ab.
Wir unterstützen alle Forderungen die dazu beitragen, zu gerechten Erzeugerpreisen zu kommen. Ein Mengensteuerungssystem, mit dem sich die Milcherzeugung stärker an der Nachfrage orientiert, kann dazu beitragen. Unter den aktuellen politischen Rahmenbedingungen dürfte das wohl nur auf europäischer Ebene erreichbar sein. Hier in Deutschland müssen gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die einem politischen Ziel dienen: der Sicherung der flächendeckenden Milcherzeugung. Wie beim Wein gehört Milch und die Milcherzeugung zu einem Kulturgut, das prägenden Charakter für viele Regionen hat und dazu beiträgt, viele soziale und ökologische Leistungen im Interesse der gesamten Gesellschaft zu erbringen. Milchproduktion ist arbeitsintensiv und trägt zum Erhalt von Grünland bei. Deshalb macht eine flächendeckende Milcherzeugung mit Rückkopplung auf die Nachfrage Sinn. Die erpresserische Position von Lebensmitteleinzelhandel und Molkereien gegenüber den Erzeugerbetrieben muss durch Stärkung der Rechte der Milcherzeuger beendet werden!
Die LINKE setzt sich für einen agrarpolitischen Richtungswechsel ein. Weg vom unregulierten, auf Dumpingpreise orientierten Weltagrarmarkt, hin zu einer Stabilisierung der regionalen Märkte mit kostendeckenden Erzeugerpreisen. Wir wollen aus sozialen und ökologischen Gründen eine Milchproduktion in den Regionen halten, die sich an der Nachfrage orientiert. Dazu wird dringend mehr Wertschöpfung durch Verarbeitung und Veredelung gebraucht - am besten in den Regionen selbst. Neue Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen sind also erforderlich.
Ein alternatives, an der wirklichen Nachfrage orientiertes Mengenregulierungssystem kann aus unserer Sicht zu kostendeckenden Preisen beitragen. Darüber hinaus brauchen wir weitere begleitende Maßnahmen, zum Beispiel eine (kartell-) rechtliche Stärkung der Erzeugerbetriebe gegenüber den Verarbeitern und dem Handel, Bündelungsstrukturen auf der Angebotsseite und zielgenauere Förderinstrumente in der Agrarförderung mit gesellschaftlich gewollter Steuerwirkung.
Für DIE LINKE ist klar: Auch eine Milcherzeugerin oder ein Milcherzeuger muss von der eigenen Arbeit leben können!
Ich hoffe, dass ich Ihnen hiermit meine Position zu der von Ihnen gestellten Frage nachvollziehbar machen konnte, wünsche Ihnen weiterhin alles Gute und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Dr. Kirsten Tackmann, MdB