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Frage von Dietmar S. •

Frage an Kirsten Lühmann von Dietmar S. bezüglich Menschenrechte

dpa und zahlreiche Zeitungen berichten fast wortgleich von einer Stellungnahme des ehemaligen Vorsitzenden des Richterbundes Jens Gnisa:
„Man sieht mich selten fassungslos. Aber nun ist es so weit“, schreibt der auf seiner Facebook-Seite. Er sei „entsetzt“, die Pläne des Bundes hätten „mit meinem Demokratieverständnis nichts mehr zu tun“. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) plant mit dem neuen Gesetz unter anderem, ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 an drei aufeinanderfolgenden Tagen in ganz Deutschland die sogenannte Notbremse durchzusetzen. Gnisa schreibt dazu: „Ab einer Inzidenz von 100 nächtliche Ausgangssperren zu verhängen, obwohl von Gerichten deren Wirksamkeit angezweifelt wurde, ist eine Nichtachtung der Justiz.“ Der Jurist weiter: „Eltern ab einer Inzidenz von 100 zu verbieten, ihre Kinder zu treffen, entspricht für mich auch nicht dem Bild des Grundgesetzes.“ Die angestrebten Maßnahmen seien in dieser Umsetzung „nicht der Brücken-Lockdown von zwei oder drei Wochen, der diskutiert wird“, sagt Gnisa. Sondern „ein nicht mehr einzufangender Dauer-Lockdown“.

Teilen Sie die Einschätzung von Jens Gnisa?
Werden Sie gegen die geplante Änderung des Infektionsschutzgesetzes stimmen?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Siefert,

ich danke Ihnen für Ihre Frage zu meinem Abstimmungsverhalten anlässlich der Änderung des Infektionsschutzgesetzes und der Einführung der sogenannten „Bundesnotbremse“. Ich teile die von Ihnen zitierten Einschätzungen nicht und habe die Änderung mit meiner Stimme unterstützt.

In Anbetracht steigender Infektionszahlen traf den Staat eine Schutzpflicht. Eine Überlastung des Gesundheitssystems musste im April verhindert werden, damit eine medizinische Versorgung der Bürgerinnen und Bürger weiterhin gewährleistet werden konnte. Wir sind uns bewusst, dass die Einschränkungen, die wir im Infektionsschutzgesetz vereinbart haben, nach den langen schwierigen Monaten in der Pandemie für alle Menschen in Deutschland eine weitere Belastung darstellten. Doch sie waren notwendig, um die Gesundheit von uns allen bestmöglich zu schützen und den Erfolg der Impfkampagne abzusichern.

Die Maßnahmen der Notbremse waren verhältnismäßig. Die Notbremse griff erst bei besonderem Infektionsgeschehen mit einer Inzidenzzahl von 100 als maßgeblichem Schwellenwert und damit deutlich oberhalb des zuvor für ähnliche Maßnahmen zu Grunde gelegten Schwellenwertes. Zudem wurde das Eingriffsgewicht der Maßnahmen durch eine Vielzahl von Faktoren wie dem „atmenden Mechanismus“ der Notbremse, einer Befristung und Ausnahmeregelungen auf den Regelungszweck zugeschnitten. Und: auf Druck der SPD wurde in den Verhandlungen erreicht, dass diese Bundesverordnungen nur mit Zustimmung des Bundestages und Bundesrates erlassen werden können. Das Parlament hätte somit bei weiteren Verschärfungen immer das letzte Wort gehabt.

Die weit überwiegende Zahl der verwaltungsgerichtlichen und verfassungsgerichtlichen Entscheidungen hat die Zulässigkeit von Ausgangsbeschränkungen nicht in Frage gestellt. Es handelt sich nicht um eine Freiheitsentziehung, sondern lediglich um eine Einschränkung der persönlichen Bewegungsfreiheit zu regelmäßigen Ruhens- und Schlafenszeiten. Das bereits vor der Abstimmung geltende Infektionsschutzgesetz sah die Möglichkeit von Ausgangsbeschränkungen in § 28a Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 28a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 IfSG vor. Eine wirksame Eindämmung des Infektionsgeschehens ab einem Inzidenzwert von 100 wäre ohne Ausgangsbeschränkung erheblich gefährdet gewesen. Sie war geeignet, das Infektionsgeschehen einzudämmen, da durch eine nächtliche Ausgangsbeschränkung private Zusammenkünfte (insb. Feiern in größeren Gruppen) vermieden wurden. Sie war erforderlich, da ein milderes Mittel zur effektiveren Durchsetzung der Kontaktbeschränkungen im privaten Bereich nicht ersichtlich war. Sie war auch verhältnismäßig, da sie auf einen engen zeitlichen Rahmen im Tagesverlauf beschränkt war und Ausnahmen nicht nur für Notfälle, sondern auch zum Zwecke der körperlichen Bewegung bis Mitternacht möglich waren. Zudem war dieses Instrument von Beginn an auf einen sehr engen Zeitraum bis zum 30. Juni 2021 befristet.

Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen meine Motivation für mein Abstimmungsverhalten schlüssig dargelegt zu haben. Auch rückblickend halte ich die mit der Bundesnotbremse beschlossenen Maßnahmen für richtig, da sie im Frühjahr 2021 zu einer wirksamen Eindämmung der Pandemie beigetragen haben.

Mit freundlichen Grüßen

Kirsten Lühmann