Frage an Kirsten Lühmann von Christoph W. bezüglich Recht
Sehr geehrter Frau Lühmann,
mich würde interessieren, wie sie zum aktuellen Entwurf des Infektionsschutzgesetzes stehen? Diese schränkt ja künftig auf Grund fehlender Impfung oder eines Immunitätsnachweis die jeweiligen Grundrechte, wie z.b. Demonstrations- und Versammlungsfreiheit ein. Wie ist dies noch mit der Demokratie vereinbar?
Zahllose Virologen und Epidemiologen sehen die Zahlen und Einschränkungen die auf Empfehlung vom RKI und Herrn Drosten gemacht werden als kritisch an. Trotzdem werden diese Themen nicht diskutiert, sondern diese Fachleute in den Medien als "Verschwörungstheoretiker" diskreditiert. (z.B. Dr. Wolfgang Wodarg; SPD; ex MdB, Prof. Bhakdi). Sind wir schon so weit von der Demokratie weg, dass man diese Diskussionen nicht mehr in der Öffentlichkeit führen darf? Die Meinungsfreiheit ist doch eine der wichtigsten Eckpunkte der Demokratie, dazu gehört auch, dass andere Meinung betrachtet und öffentlich diskutiert werden müssen.
Mit freundlichen Grüßen
C. W.
Sehr geehrter Herr Welker,
bereits im März haben wir im Bundestag mehrere Gesetze beschlossen, um das Funktionieren des Gesundheitswesens bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite sicherzustellen und um die mit dieser besonderen Situation verbundenen negativen finanziellen Folgen der Gesundheitsversorgung abzumildern.
Letzte Woche haben wir ein Zweites Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage nationaler Tragweite beraten, mit dem die bereits getroffenen Regelungen und Maßnahmen weiterentwickelt und ergänzt werden. Unter anderem soll die epidemiologische Überwachung verbessert und der öffentliche Gesundheitsdienst gestärkt werden. Testungen in Bezug auf Corona werden erleichtert und symptomunabhängig in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen. Auch vom öffentlichen Gesundheitsdienst vorgenommene Testungen können bei Versicherten über die Gesetzliche Krankenversicherung abgerechnet werden. Außerdem schaffen wir die Voraussetzungen dafür, dass Beschäftigte in der Pflege einen finanziellen Bonus für ihre aufopferungsvolle Tätigkeit in dieser schwierigen Zeit erhalten.
Dies sind aus meiner Sicht viele wichtige Maßnahmen zur Bewältigung der aktuellen Lage.
Als SPD-Fraktion haben wir uns zudem gegen die Regelung einer Immunitätsdokumentation für SARS-CoV-2 in diesem Gesetz ausgesprochen. Generell ist es ist für Medizinerinnen und Mediziner nichts Ungewöhnliches, Immunität zu bestätigen, denn auch heute können entsprechende Befunde, zum Beispiel für Röteln oder Hepatitis im Impf- oder Mutterpass dokumentiert werden. Wir müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass derzeit für SARS-CoV-2 kein gesicherter Nachweis der Immunität möglich ist. Auch nach einem ggf. möglichen und positiven Antikörpertest wissen wir heute nicht, ob und wie lange die konkrete Person tatsächlich immun ist. Wenn sie immun wäre, wissen wir nicht, ob die Person trotzdem das Virus weiter trägt und damit auch weitergeben kann. Solange die Frage der Infektiosität nicht geklärt und eine Immunität nicht sicher nachweisbar ist, kann und darf sie auch nicht dokumentiert werden.
Sollte zukünftig eine wissenschaftlich gesicherte Aussage zur Immunität und Infektiosität bezüglich SARS-CoV-2 möglich sein, hätte die Person, die einen entsprechenden Test durchführen lässt, einen Anspruch auf die Dokumentation seines Ergebnisses, sofern sie das möchte. So ist das auch bei jedem anderen medizinischen Testbefund und auf der Grundlage der datenschutzrechtlichen Bestimmungen der Fall. Entscheidend ist, dass daraus keine Stigmatisierung entstehen darf. Der Gesetzgeber hat dann darauf zu achten, dass für diese Personen keine anderen Einschränkungen der Freiheits- oder Persönlichkeitsrechte gelten. Und das werden wir auch tun.
Zur Seriosität einzelner Stimmen innerhalb der fachlichen Debatte kann ich als Verkehrspolitikerin zwar kein abschließendes Urteil abgeben, allerdings vertraue ich wie unsere Bundesregierung auf die Auswertungen und Analysen wissenschaftlicher Institutionen wie dem Robert-Koch-Institut oder dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung.
Ich stimme Ihnen zu, dass wissenschaftliche wie politische Diskussionen ergebnisoffen und unter Berücksichtigung verschiedener Meinungen geführt werden müssen. Herr Wodarg oder Herr Bhakdi dürfen ihre Meinungen zum Glück dank der geltenden Meinungsfreiheit in unserem Land öffentlich äußern, sonst wären sie der Öffentlichkeit wohl kaum bekannt. Jedoch bedeutet Meinungsfreiheit auch, dass einer geäußerten Meinung widersprochen werden darf und ihr nicht die uneingeschränkte Aufmerksamkeit entgegengebracht werden muss.
Wir sind uns jedoch in dem Punkt einig, dass kontroverse Dialoge und Abwägungen mit Augenmaß auf wissenschaftlicher und politischer Ebene wichtig sind, um zu guten Lösungen zu kommen und gemeinsam diese schwierige Situation zu bewältigen.
Mit freundlichen Grüßen
Kirsten Lühmann, MdB