Portrait von Kirsten Lühmann
Kirsten Lühmann
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Kirsten Lühmann zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Katja H. •

Frage an Kirsten Lühmann von Katja H. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Lühmann!

Als Mutter zweier Kinder mache ich mir große Sorgen um die mögliche Einführung der Masernimpfpflicht. Dazu habe ich folgende Fragen an Sie:
Droht mir und anderen Eltern der Entzug des Sorgerechtes, wenn wir unsere Kinder nicht, bzw. nicht mehr, impfen lassen?
Besteht in Deutschland die Möglichkeit, dass ungeimpfte Kinder von Polizisten aus der Kindertageseinrichtung abgeholt werden, wie in Italien?
Stimmt es, dass für die Masernimpfpflicht kein Einzelimpfstoff zur Verfügung gestellt wird und daher gleichzeitig auch gegen Mumps und Röteln geimpft werden muss, auch wenn der Impfling diese Krankheiten bereits durchgemacht hat?
Stimmt es, dass die als Komplikation von Masern gefürchtete SSPE Erkrankung auch gleichzeitig eine Komplikation der Masernimpfung darstellt?
Müssen wir Angst vor Zwangsmaßnahmen unserer Regierung haben, weil wir anderer Meinung sind?
Hat dies noch mit Demokratie zu tun oder steuern wir mit Zwangsmaßnahmen, die den menschlichen Körper betreffen, auf eine diktatorische Politik zu?
Bitte nehmen Sie sich die Zeit, mir eingehend zu antworten, ich danke Ihnen.

MFG Katja H.

Portrait von Kirsten Lühmann
Antwort von
SPD

Sehr geehrte Katja H.,

herzlichen Dank für Ihre Anfrage.

Die Frage einer Masern-Impfpflicht ist immer noch hochaktuell und wird weiter intensiv diskutiert. Als Politiker und Politikerinnen wägen wir dies gerade in allen Einzelheiten ab.

Gestatten Sie mir zunächst eine grundsätzliche Bemerkung. Impfungen sind aus meiner Sicht eine der wichtigsten und erfolgreichsten Maßnahmen in der Gesundheitsvorsorge. Es ist das Ziel einer Impfung, sowohl die geimpfte Person als auch seine Mitmenschen vor einer ansteckenden Krankheit zu schützen. Durch hohe Impfquoten können Krankheitserreger regional wirksam eingedämmt und letztlich sogar ausgerottet werden.

Die historische Bedeutung von Impfungen für die Gesundheit unserer Bevölkerung ist aus meiner Sicht als positiv zu bewerten. Impfungen haben dazu geführt, dass viele Krankheiten für den Menschen nicht nur keine Bedrohung mehr darstellen, sondern sogar nahezu ausgerottet worden sind.

Im Falle der Masern ist dies in Gefahr. Die Impfquoten sind hier vielfach nicht ausreichend, insbesondere bei der wichtigen zweiten Impfung. Das ist eine Bedrohung für viele Menschen und besonders gefährdet sind die, die sich nicht impfen lassen können.

Eine Impfpflicht lehne ich dennoch ab. Ich bin der Auffassung, dass Eltern die Wahlfreiheit haben müssen, ob sie ihr Kind impfen lassen oder nicht. Eine Impfung stellt einen Eingriff in das Immunsystem dar und sie ist natürlich auch mit möglichen Nebenwirkungen verbunden. Die individuelle Abwägung etwaiger Risiken ist aus meiner Sicht Aufgabe der Eltern.

In diesem Zusammenhang wird den Eltern nicht mit dem Entzug des Sorgerechts gedroht, wenn ihre Kinder nicht oder nicht mehr geimpft sind.

Betretungsbeschränkungen oder Aufnahmeablehnungen in Kindertagesstätten für Nichtgeimpfte halte ich allerdings für verantwortbar. Das ist ein sinnvolles Mittel zur Verminderung von Infektionszahlen zum Beispiel im Falle eines Ausbruches. Ich bin überzeugt, dass dort wo viele Menschen zusammenkommen in solchen Frage auch eine besondere gesellschaftliche Verantwortung besteht. Die individuelle Entscheidung der Eltern gilt, aber dort, wo andere Menschen in ihrer Entscheidung in unverantwortlichem Maße beeinträchtigt sind, muss es sinnvolle Maßnahmen zur Begrenzung von Risiken geben.

Was Einzelimpfstoff gegen Masern angeht, gibt es in der Tat in Deutschland derzeit keinen zugelassenen Einfach-Impfstoff gegen Masern. Wir werden uns im parlamentarischen Verfahren damit auseinandersetzen müssen, was das für die beabsichtigte Masern-Impfpflicht bedeutet. Impfstoffe werden wie alle anderen Arzneimittel in Deutschland durch den jeweiligen Hersteller und nicht etwa den Bundesgesundheitsminister in den Verkehr gebracht. Es kommt also darauf an, ob und wann ein Hersteller die Zulassung für einen Einfach-Impfstoff gegen Masern bei der zuständigen Arzneimittelbehörde beantragt und erhält.

Das Paul-Ehrlich-Institut prüft und bewertet fortlaufend anhand aktueller wissenschaftlicher Daten den Nutzen und das Risiko von Impfstoffen und dokumentiert jährlich die Meldungen des Verdachts einer Impfkomplikation oder einer Nebenwirkung nach Impfung. Nach Aussage des PEI wurde SSPE als Nebenwirkung der Masernimpfung diskutiert. Fallzahlen dazu gibt es in Deutschland nicht. Die Sicherheit der Impfstoffe wird aber auch Thema der Anhörung vor dem Gesundheitsausschuss im Oktober sein.

Zum Schluss möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenken, dass alle hoheitlichen Maßnahmen, die wie die Masernimpfpflicht ein Grundrecht einschränken, nach einer Abwägung der unterschiedlichen Rechts- und Verfassungsgüter verhältnismäßig sein müssen. Diese Grundrechtsprüfung hat die Bundesregierung vorgenommen. Wir werden darüber im parlamentarischen Verfahren auch noch weiter beraten.

Mit freundlichen Grüßen,
Kirsten Lühmann, MdB