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Frage von Rudolf S. •

Frage an Kirsten Lühmann von Rudolf S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag Frau Lühmann,

Andrea Nahles hat mich bzgl. meiner Frage hier im Portal an die AG "Verkehrspolitik" verwiesen - ich wende mich nun an Sie, als Sprecherin der AG "Verkehr und digitale Infrastruktur". Die von Frau Nahles bezeichnete AG finde ich nicht.

Es geht mir um die in meinen Augen und in den Augen derer, die zu vielen tausend trotz eines verantwortungsbewussten Umgangs mit Cannabis als Genussmittel, unter der Repression der Verwaltungsbehörden leiden müssen.
Meine Frage: Wo ist eine Schlechterstellung zu Alkoholkonsumenten denn überhaupt gerechtfertigt? (und war sie es denn jemals?) Weil wir gaschromatographisch auch das letzte Zehntel Nanogramm an Carbonsäuren bestimmen können, also schlicht "weil wir es können"? Liegt es an den wirtschaftlichen Interessen, die die alkoholproduzierende und -vertreibende Industrie derzeit noch lobbyiert?

Es ist erlaubt, nach Alkoholgenuss, der zu einer Atemalkoholkonzentration von < 0,3 Promille führt, aktiv am Straßenverkehr teilzunehmen. Hier hat der Fahrer mit keinerlei Sanktionen zu rechnen, wohingegen ein mehrere Tage zurückliegender Cannabisgenuss mit ziemlicher Sicherheit zu schwersten verwaltungsrechtlichen Konsequenzen führt (Fahrverbote, erhebliche Geldbußen, Punkte; am schlimmsten trifft einen dann die Verwaltungsmühle mit Zwangsverordnungen zu verkehrspsychologischen Sitzungen, die für die einhergehende MPU zwingend erforderlich sind)
Die damit verbundenen Kosten gehen für die Betroffenen in die tausende. Existenzen werden durch die monatelangen, teilweise jahrelangen Einschränkungen bedroht. Und dies aufgrund einer Substanz, die mittlerweile auch in führenden Industriestaaten anerkannt wird.
Wie fänden Sie es, einen angemesseneren Umgang mit diesen Bürgern zu pflegen? Würde dadurch unsere Sicherheit beeinträchtigt, oder gar die Anarchie auf deutschen Straßen ausbrechen?

Für Ihre Antwort bedanke ich mich vorab recht herzlich,

R S.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr S.,

herzlichen Dank für Ihre Frage zum Thema Cannabiskonsum und Straßenverkehr.

Es gibt zwei große Unterschiede zwischen dem Konsum von Alkohol und Cannabis: erstens ist Alkohol eine legale Substanz und zweitens lassen sich Abbauprodukte von Cannabis und die damit einhergehende Rauschwirkung nicht so leicht berechnen wie dies bei Alkohol der Fall ist.

Ich bin nicht der Ansicht, dass eine Aufweichung der Regeln für Cannabis in einer theoretischen Angleichung an die Regeln für Alkoholkonsum der richtige Weg ist. Vielmehr plädiere ich für ein weiteres Umdenken beim Thema legale und illegale Drogen und Straßenverkehr: wer sich berauschen will – oder durch die Einnahme von Medikamenten wie zum Beispiel medizinischem Cannabis berausche muss - und sei es auch nur in geringem Maße – hat auf der Straße nichts zu suchen. Das gilt für alle Drogen, auch für Alkohol.

Der Verkehrsgerichtstag Goslar hat sich im vergangenen Jahr auch mit der von Ihnen beschriebenen Frage der Sanktionen beschäftigt. In der entsprechenden Empfehlung heißt es dazu:

"Die Fahrerlaubnis-Verordnung bedarf im Hinblick auf Arznei- und berauschende Mittel einer Überarbeitung durch den Verordnungsgeber. Der Arbeitskreis ist der Auffassung, dass der erstmalig im Straßenverkehr auffällig gewordene, gelegentliche Cannabiskonsument nicht ohne Weiteres als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen wird, sondern lediglich Zweifel an seiner Fahreignung auslöst, die er mittels einer MPU ausräumen kann."

Derzeit wird die Frage auch durch das Bundesverwaltungsgericht geprüft, nachdem das bayerische Verwaltungsgericht von der bisherigen Linie der Rechtsprechung entsprechend abgewichen war und auch davon ausgeht, dass bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten die Fahrerlaubnisbehörde nach einer erstmaligen, als Ordnungswidrigkeit geahndeten Fahrt mit einem Kraftfahrzeug unter der Wirkung von Cannabis grundsätzlich nicht gemäß § 11 Abs. 7 FeV ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen von der Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgehen kann. Sondern vielmehr sehe § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV hierfür die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung im Ermessenswege vor.

Ich halte es zumindest für überlegenswert, hier etwas mehr Spielraum zu schaffen, um die unnötigen Härten, die von Ihnen mit Bezug auf einen Teil der Fälle durchaus zu Recht beklagt werden, abzumindern.

Mit freundlichen Grüßen
Kirsten Lühmann