Frage an Kirsten Lühmann von Friedrich M. bezüglich Verkehr
Sehr geehrte Frau Lühmann,
zu dienstlichen Zwecken reise ich sehr häufig vom südlichen Ende Deutschlands in den Norden der Republik. Für die Verbindung stehen mir die üblichen Wege offen: Das Flugzeug, der Zug oder der PKW. In vertretbarer Zeit bringt mich eigentlich nur das Flugzeug ans Ziel. Mit dem Zug oder dem PKW geht ein ganzer Arbeitstag pro Wegstrecke verloren - das ist keine Option. Für (junge) Erwachsene, die sich über ihren Einfluss auf unseren Planeten durchaus Gedanken machen, ist das Flugzeug für diese Verbindungen aber eigentlich nicht die erste Wahl. Und noch gibt es eine Alternative. Den Nachtzug.
So gaben Sie in einer Lesung zum Thema Nachtzüge am 06.03.2015 zu Protokoll es für eine Gute Nachricht zu halten, dass die verbleibenden Nachtzug-Verbindungen bis zur Vorstellung des neuen Betriebskonzepts der Bahn erhalten bleiben. Nun ist das neue Betriebskonzept vorgestellt und sieht eine Abschaffung der klassischen Nachtzugverbindungen bis Ende 2016 vor. Die vorgestellten "Nacht ICEs" und Bus-Verbindungen sind für Geschäftsreisende, und sicher auch für viele andere Bahn-Kunden, keine Alternative zum Flugzeug. Übermüdet am Morgen ankommen, nach einer langen Reise im Sitzen und dann noch Arbeite ist nicht vorstellbar. Wieder wäre ein ganzer Arbeitstag praktisch verloren. Daher stelle ich mir folgende Fragen.
Stehen Sie und Ihre Fraktion für eine Klimaverträgliche Mobilität auch im 21. Jahrhundert? Werden Sie, nach der Entscheidung der Deutschen Bahn sich aus dem Nachtzuggeschäft zurückzuziehen, Konsequenzen über die Subventionierung und Besteuerung der Schiene im Vergleich zum Luftverkehr auf Bundesebene einsetzen? Und werden Sie versuchen die Bahn zum Umdenken zu bewegen oder zu zwingen?
Oder können Sie, Frau Lühmann, können Sie einem jungen Erwachsenen einen Vorschlag machen, wie er seine Geschäftsreisen auch zukünftig mit verträglicher Energiebilanz absolvieren kann?
Mit freundlichen Grüßen
Friedrich Mütschele
Sehr geehrter Herr Mütschele,
vielen Dank für Ihr Frage vom 5. Juni 2016, in dem Sie auf die Einstellung der Nachtzüge durch die Deutsche Bahn AG (DB AG) verwiesen haben.
Um ein detailliertes Bild zur Beurteilung der Situation zu bekommen, hat die SPD-Bundestagsfraktion unmittelbar nach Ankündigung der Streichungspläne durch die DB AG im Jahr 2014 zunächst einen Bericht des zuständigen Bundesministeriums angefordert (siehe Anlage) und sich für die Durchführung einer Anhörung zu diesem Thema ausgesprochen. Diese Anhörung fand am Mittwoch, den 14. Januar 2015 statt. Mit Herrn Homburg als zu diesem Zeitpunkt zuständigem Vorstand des Personenverkehrs der DB ML AG, war auch ein Vertreter der DB AG anwesend, der Auskunft gab.
Als Ergebnis der Anhörung ergibt sich folgendes Bild:
Die Rahmenbedingungen für Auto- und Nachtzüge haben sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten stark verändert. Bei den Nachtreisezügen ist die Nachfrage zwar stabil und die Kapazitäten sind weitgehend ausgelastet. Trotzdem ergibt sich für die beiden Jahre 2013 und 2014 eine Unterdeckung von rund 20 Mio. Euro im Jahr.
Die ersten Hochrechnungen für das Jahr 2015 deuten bei einem voraussichtlichen Ertrag von rund 90 Mio. Euro sogar auf einen Verlust von ca. 32 Mio. Euro hin.
Auch müsste die DB AG in ihrem Fuhrpark massive Investitionen tätigen. Investitionstätigkeiten in diesem Maße sind aber nur dann vertretbar, wenn mittelfristig eine tragfähige wirtschaftliche Perspektive vorhanden ist.
Im Übrigen ist folgender Aspekt zu beachten: Von 1994 bis 2013 wurde die für den Hochgeschwindigkeitsverkehr nutzbare Schieneninfrastruktur mehr als verdoppelt und die Hochleistungsverkehre massiv ausgebaut.
Zu beachten ist ebenfalls, dass auch der der intermodale Wettbewerbsdruck in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Mit der Liberalisierung der Fernbusse, weichen viele Kunden auf das dadurch entstandene Billigpreissegment aus.
Hier beklagt im Übrigen die DB AG zu Recht die ungleichen Wettbewerbsbedingungen, die dem Schienenverkehr mit der Maut (Trassenpreise), Mehrwertsteuer und Stromsteuer auferlegt werden. Auch die Fernbusanbieter werden sich – wie in unseren Anträgen immer gefordert – in Zukunft vermehrt an den Infrastrukturkosten beteiligen müssen.
Insbesondere aber auch bei den grenzüberschreitenden Nachtzugreisen ist zu berücksichtigen, dass Länder wie Frankreich und Belgien ihre Trassenpreise für den Bahnverkehr massiv erhöht haben. Beträgt der durchschnittliche Trassenpreis in Deutschland für den Fernverkehr rund 7 Euro, so ist er in Frankreich mittlerweile zweistellig.
Damit wird deutlich, dass insbesondere die für Kunden attraktiven grenzüberschreitenden Nachtzugverkehre immer weniger wirtschaftlich sind. Eine zukunftsfähige Lösung kann daher nur in einem gesamteuropäischen Konzept gefunden werden.
Aber auch die DB AG muss sich im Sinne der rund 1000 direkten und indirekten Beschäftigten und der Kunden um ein zukunftsfähigeres Konzept bemühen. Bei den veralteten Wagons und dem fehlenden Service (kein Frühstück, kein Bistrowagen, kein WLAN) fehlt den Fahrgästen derzeit die Bereitschaft, einen kostendeckenden Preis zu bezahlen. Die DB AG als eigenwirtschaftliches Unternehmen ist angehalten, mit einer entsprechenden Strategie das einmalige Produkt „Reisen im Liegen“ entsprechend zu vermarkten und auch für einen gewissen Komfort zu sorgen.
Nach nochmaliger interner Überprüfung hat die DB AG dem Aufsichtsrat am 16.12.2015 folgende Strategie unterbreitet:
Um den Kundenbedürfnissen und den wirtschaftlichen Anforderungen zu entsprechen, sieht das neue Konzept eine Überführung der klassischen Nachtzugverkehre in ein neues Nachtreiseangebot vor. Eine Weiterführung des klassischen Nacht-zugs auf der Schiene durch die DB ist nicht vorgesehen.
Im Rahmen dieses neuen Nachtreisekonzeptes ist geplant, die Anzahl an Nacht-ICE zu erhöhen. In den nachfragestarken Sommermonaten soll dieses Grundangebot an Nacht-ICE zudem um zusätzliche ICE-Züge ergänzt werden. Derzeit laufen die betrieblichen Prüfungen dieses Konzeptes.
Auf grenzüberschreitenden Verbindungen in das europäische Ausland soll das Angebot an Nacht-ICE zudem durch IC Busse der DB ergänzt werden. Die DB unterstützt zudem die Fortführung von klassischen Nachtzugverkehren auf weiteren Verbindungen in und aus Deutschland. Hierzu werden derzeit unter anderem Gespräche mit der Österreichischen Bundesbahn (ÖBB) geführt. Die DB beabsichtigt, die Umstellung der Nachtzugverkehre Ende 2016 vorzunehmen. Ziel der DB AG ist es, dass dem Fahrgast zu diesem Zeitpunkt nahtlos ein Alternativprodukt zur Verfügung steht.
Auch ich habe mit meiner Familie die Fahrten mit Auto-und Nachtreisezügen genossen und bedauere selbst, dass dies nun der Vergangenheit angehört. Hier steht die DB AG aber im Wort. Sie muss bis zum Ende des nächsten Jahres adäquate Alternativverbindungen anbieten. Nach den ersten Medienberichten zur Folge, stößt das Angebot der DB AG bei der ÖBB auf reges Interesse. Es bleibt jetzt aber abzuwarten, welche Strecken von der ÖBB ggf. übernommen werden.
Im Übrigen wird sich die SPD darüber hinaus auch weiterhin für faire Rahmenbedingen im Verkehr und für den Abbau von Wettbewerbsverzerrungen gegenüber dem Schienenverkehr einsetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Kirsten Lühmann