Frage an Kirsten Lühmann von Jürgen S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Lühmann,
welche Meinung haben Sie über das neue Meldegesetz?
Gruß
Jürgen Schliemann
Sehr geehrter Herr Schliemann,
mit ihrem wenige Tage vor den abschließenden Beratungen vorgelegten Änderungsantrag zum neuen Meldegesetz hat die schwarz-gelbe Koalition dem Datenschutz einen schweren Schlag versetzt. Anders als im Regierungsentwurf vorgesehen, soll für Auskünfte zu Zwecken der Werbung oder des Adresshandels nicht mehr die Einwilligung des Betroffenen erforderlich sein, die Bürgerinnen und Bürger sollen lediglich der Datennutzung zu diesen Zwecken widersprechen können.
Es ist absurd, dass ich als Bürgerin erst erklären muss, dass ich mein Recht auf Datenschutz auch wirklich wahrnehmen will, bevor dem Rechnung getragen wird. Viel logischer und verbraucherfreundlicher wäre es, dass ich erklären kann, dass ich auf mein Recht verzichte, und meine Daten gerne zum Zweck der Werbung und des Adresshandels verwenden lassen will. Darüber hinaus soll nach dem Willen der schwarz-gelben Koalition der Widerspruch gegen die Weitergabe von Daten für Werbung und Adresshandel insoweit unwirksam sein, als „die Daten ausschließlich zur Bestätigung oder Berichtigung bereits vorhandener Daten verwendet werden“. Hier sind die Kollegen und Kolleginnen von der CDU/CSU offenbar vor der Werbelobby eingeknickt.
Wir als SPD-Fraktion haben im zuständigen Innenausschuss am 27. Juni 2012, einen Tag vor der spätabendlichen Abstimmung im Plenum, bereits unmissverständlich gegen das Einknicken der schwarz-gelben Koalition vor der Adresshandelslobby Stellung bezogen, wurden aber von der schwarz-gelben Regierungsmehrheit überstimmt. Da die Mehrheitsverhältnisse im Innenausschuss die gleichen sind wie im Plenum, bleibt uns als Opposition nur der Weg, das zustimmungspflichtige Gesetz im Bundesrat zu stoppen. Über die Länder, in denen die SPD die Regierung führt oder an ihr beteiligt ist, wollen wir verhindern, dass der Bundesrat dem Gesetz in der jetzigen Fassung zustimmt. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Medien unsere Pressemitteilung vom 29. Juni 2012 zur 2./3. Lesung des Gesetzentwurfs offenbar erst mit einwöchiger Verspätung zur Kenntnis genommen haben.
Dass sich Verbraucherschutz-Ministerin Aigner nun plötzlich vom neuen Melderecht ihrer eigenen Koalition distanziert, ist schon eine ganz erstaunliche Kehrtwende. Es war ein gemeinsamer Änderungsantrag von CDU/CSU und FDP, mit dem der ursprünglich datenschutzfreundliche Gesetzentwurf ins Gegenteil verkehrt wurde. So zu tun, als wäre dieser Antrag dem Innenausschuss aus dem Nichts zugeflattert, ist schlechterdings unredlich.
Die SPD wird sich weiter dafür einsetzen, dass die Rechte der Bürgerinnen und Bürger auf den sorgsamen Umgang mit ihren Daten gewahrt bleiben und nicht von Schwarz-Gelb leichtfertig Lobbyinteressen geopfert werden.
Mit freundlichen Grüßen
Kirsten Lühmann