Frage an Kirsten Lühmann von Dietmar S. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Lühmann,
viele deutsche Reeder haben ihre Schiffe ausgeflaggt, um deutschen Steuern und deutschen Arbeitsgesetzen zu entfliehen. Gleichwohl wollen sie, dass ihre Schiffe auf deutsche Kosten von deutschen Soldaten vor Piraterie geschützt werden.
Auf dem Umweg über die EU ist ihnen das auch gelungen.
Tun Sie oder ihre Fraktion etwas dagegen, dass deutsche Steuergelder zum Schutz von Schiffen, die z.B. unter der Flagge des Karibikstaates Antigua und Barbuda fahren, verschwendet werden?
Oder finden sie diese Regelung - keine Steuern Zahlen, aber Leistungen vom deutschen Staat fordern und erhalten - richtig?
Falls ja, warum dann nicht auch auf deutsche Kosten chinesische oder iranische Schiffe schützen?
Mit freundlichen Grüßen
Dietmar Siefert
Sehr geehrter Herr Siefert,
vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Piraterie. Deutschland ist die drittgrößte Schifffahrtsnation der Welt. Nach dem Grundgesetz und nach dem internationalen Seerechtsübereinkommen ist die Bundesregierung in der Verantwortung Seeleute auf Schiffen deutscher Reeder und die deutsche Handelsschifffahrt wirksam zu schützen.
In vielen Staaten wie Frankreich und Japan gibt es bereits Gesetze, die einen besseren Schutz vor Piratenangriffen möglich machen - und zwar unabhängig von der Flagge, die das französische oder japanische Handelsschiff führt.
Beim Kampf gegen Piraterie geht es unter andere darum Handelswege, die für eine Exportnation wie Deutschland von grundlegender Bedeutung sind, zu sichern.
Insofern sehe ich die dafür eingesetzten Gelder auch im Hinblick auf gleichgelagertes Handeln befreundeter Nationen nicht als verschwendet an.
Gegen die Ausflaggungswelle hat die Rot-grüne Regierung unter Gerhard Schröder das Maritime Bündnis für Beschäftigung und Ausbildung im Jahre 2003 ins Leben gerufen. Die damalige Bundesregierung hatte Zusagen zur Senkung der Lohnnebenkosten gegeben, ver.di einer Flexibilisierung bei Schiffsbesatzungen zugestimmt. Der Verband Deutscher Reeder sagte im Gegenzug zu, bis Ende 2005 den Bestand international agierender Handelsschiffe unter deutscher Flagge auf mindestens 400 Schiffe zu steigern und die Ausbildung zu verstärken. Mit der Halbierung der Fördermittel für die Seeschifffahrt im Bundeshaushalt für das Jahr 2011 hat die jetzige CDU/CSU und FDP -Bundesregierung diese Verabredungen nun jedoch infrage gestellt. Die Aussage des Maritimen Koordinators, die Bundesregierung bestehe nicht mehr darauf, dass die deutschen Reeder bis Ende 2010 mindestens 600 Handelsschiffe unter deutsche Flagge führen, bestätigt diesen neuen Kurs. Die SPD-Bundestagsfraktion ist über diese Entwicklung sehr besorgt und schaut mit Spannung auf die Maritime Konferenz in Wilhelmshaven, mit welchen Initiativen die Bundesregierung die Ausflaggung gestoppt werden soll.
Zum Thema Piraterie herrscht unter den beteiligten Bundesministerien zurzeit Uneinigkeit über die weitere Vorgehensweise. In der vergangenen Woche hat der Deutsche Reederverband nach ergebnislosen Spitzengespräch beim Maritimen Koordinator der Bundesregierung die Gespräche abgebrochen und beschlossen, nur noch direkt mit Vertretern aus dem Verteidigungsministerium zu verhandeln. Die SPD-Bundestagsfraktion ist der Meinung, die Bundesregierung muss endlich Farbe bekennen und genau darlegen, wie sie den Reedern gegen die Piratenangriffe vor allem am Horn von Afrika helfen will. Die Verlängerung der EU-Mission "Atalanta" im Dezember 2010 ist ein wichtiger Schritt im Kampf gegen die Piratenangriffe, reicht aber allein nicht aus. Wir lehnen außerdem eine Privatisierung staatlicher Kernaufgaben ab.
Für uns steht außer Frage, dass sich eine Lösung im Kampf gegen die Piratenangriffe nicht auf die militärische Komponenten beschränken darf. Es ist wichtig, die Stabilisierung der staatliche Strukturen in Somalia und der gesamten Region zu unterstützen, dies betrifft zum Beispiel den Aufbau staatlicher Institutionen, die für die Seeraumüberwachung so ausgestattet sind, dass eine Perspektive für den Abzug der Schiffe der internationalen Streitkräfte entwickelt werden kann.
Mit freundlichen Grüßen
Kirsten Lühmann