Frage an Kirsten Lühmann von Ines H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Unterstützen Sie das bedingungslose Grundeinkommen? Wie wollen Sie sich dafür einsetzen?
Sehr geehrte Frau Horstmann,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Seit einigen Jahren hat die Diskussion um ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) eine neue Dynamik bekommen. Die SPD-Bundestagsfraktion lehnt ein BGE ab.
Es gibt einige unterschiedliche Modelle zum BGE; alle Modelle haben jedoch die gemeinsame Annahme zur Grundlage, dass es in unserer Gesellschaft nicht mehr genügend Arbeit gibt, so dass die soziale Grundsicherung neu ausgerichtet werden muss. Wesentliches Element der meisten Ansätze ist, dass die Grundleistung an keine Bedingung geknüpft ist.
Arbeit bleibt für uns die Grundlage von Wohlstand und sozialer Sicherheit. Arbeit gibt es in der Gesellschaft genug, z.B. im sozialen Bereich. Sie muss organisiert und gerecht verteilt werden. Deswegen halten wir an der Forderung der Vollbeschäftigung fest. Wer sagt, es gäbe nicht mehr genug Arbeit, schiebt Menschen in die Perspektivlosigkeit ab und nimmt ihnen damit auch ein Stück ihrer Würde. Das Grundeinkommen wäre somit eine Stillhalteprämie.
Ein BGE entwertet die Leistung der arbeitenden Menschen und damit auch ihre Lebensleistung, weil - gerade im Bereich der Alterssicherung - die soziale Sicherung nicht mehr Ergebnis des eigenen Arbeitens ist. Ein BGE ist kaum finanzierbar. Je nach Berechnung und Modell wird im krassesten Fall das gesamte Bruttoinlandsprodukt BIP umverteilt, das heißt wir reden über den Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen, die innerhalb eines Jahres innerhalb der Landesgrenzen einer Volkswirtschaft hergestellt wurden.
Wir fordern Mindestlöhne statt staatliche Lohnsubvention. Menschen, die Arbeit und Existenz sichernde Löhne haben, brauchen kein Grundeinkommen.
Außerdem sind soziale Problemlagen heute vielschichtiger - Armut ist nicht nur auf materielle Armut reduzierbar und deshalb nicht ausschließlich über soziale Transfers zu bekämpfen. Der Sozialstaat besteht nicht nur aus sozialen Transferleistungen. Der Sozialstaat stellt soziale Dienstleistungen, wie z.B. Beratungen, Familienhilfen und Jugendeinrichtungen, zur Verfügung. Fehlende Bildungschancen werden z.B. durch ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht bekämpft. Die Teilhabe am Erwerbsleben wird sogar erschwert - das bedingungslose Grundeinkommen wirkt ausgrenzend.
Die SPD tritt stattdessen dafür ein, die bestehende Grundsicherung weiter zu entwickeln, damit die Bürgerinnen und Bürger abgesichert sind, die Existenz sichernde Unterstützung brauchen. Darüber hinaus entwickeln wir den Sozialstaat in seiner ganzen Breite weiter, damit er die Bürgerinnen und Bürger unterstützen kann, ihre Perspektiven und Chancen zu verwirklichen.
Sehr geehrte Frau Horstmann,
ich hoffe ich konnte Ihnen verständlich machen, warum ich mich nicht für das BGE einsetzen werde.
Mit freundlichen Grüßen
Kirsten Lühmann