Frage an Kirsten Lühmann von Lucie R. bezüglich Recht
Hallo Frau Lühmann,
Wir, der Politik-Leistungskurs des Hölty-Gymnasiums Celle, haben 2 Fragen und würden uns sehr freuen, wenn Sie Zeit finden sie zu beantworten.
In ihrem Abstimmverhalten haben wir gesehen, dass sie gegen eine Verkürzung oder Abschaffung der Bundeswehr stimmen, was sind ihre Hauptargumente zu ihrem Standpunkt?
Außerdem ist es gerade für die Schüler unseres Kurses interessant, wann eine mögliche Aussetzung der Wehrpflicht abzusehen ist? Betrifft es uns schon?
Danke
Mit freundlichen Grüßen
Die SchülerInnen des Politik-Leistungskurs
Liebe Schüler und Schülerinnen des Hölty-Gymnasiums,
wir hatten ja bereits Gelegenheit, bei Ihrem Besuch in Berlin über die Wehrpflicht zu diskutieren, wenn auch nicht erschöpfend. Daher beantworte ich Ihre Fragen hier noch einmal schriftlich.
Seit 1990 wurde die Truppenstärke der Bundeswehr bereits um die Hälfte reduziert (von 500.000 auf heute 250.000 Soldatinnen und Soldaten). Nun soll sie weiter verkleinert werden. Das hat zwangsläufig Konsequenzen für die Zukunft von Wehr- und Zivildienst.
Schon heute werden nur rund 15 Prozent eines Jahrgangs zum Wehrdienst eingezogen. Mit jeder weiteren Reduzierung der Truppenstärken wird sich das Problem der Wehrgerechtigkeit weiter verschärfen, der Rechtfertigungsdruck auf die Wehrpflicht wird steigen.
Eine Verkürzung des Wehrdienstes ist aus meiner Sicht keine Lösung. Erstens bleibt das Problem der Wehrgerechtigkeit bestehen, zweitens reicht eine sechsmonatige Ausbildung nicht aus, um die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln, drittens schafft sie bei der Bundeswehr einen Riesenaufwand wegen der nötigen Umstrukturierungen – mit wenig Effekt.
Die SPD hat deshalb schon auf ihrem Hamburger Parteitag 2007 beschlossen, einen freiwilligen Wehrdienst einzuführen und zugleich die freiwilligen sozialen Dienste zu stärken.
Der Beschluss von Hamburg war zukunftsweisend für den Wehr- und Zivildienst. Eine Freiwilligenarmee mit Zeit- und Berufssoldaten sowie freiwillig Wehrdienstleistenden hätte gegenüber einer reinen Berufsarmee vor allem einen zentralen Vorzug: Die Möglichkeit, den notwendigen Nachwuchs für die Bundeswehr aus allen Teilen der Gesellschaft zu rekrutieren. Die Bundeswehr bliebe damit in der Mitte der Gesellschaft verankert.
Für junge Menschen, die der Bundeswehr aufgeschlossen gegenüberstehen, bietet der freiwillige Wehrdienst eine Möglichkeit zu prüfen, ob sie dauerhaft in die Bundeswehr eintreten wollen. Die Bundeswehr öffnet damit eine Tür für alle, die sich nicht von vornherein und dauerhaft für den Beruf des Soldaten entscheiden wollen oder können.
Mit der Abschaffung der Wehrpflicht fiele auch der Zivildienst in seiner heutigen Form weg. Wir plädieren dafür, als Alternative die Freiwilligendienste weiter auszubauen.
Jugendfreiwilligendienste sind eine besondere Form des bürgerschaftlichen Engagements. Sie sind Bildungsdienste und ermöglichen neue Lernerfahrungen, berufliche Orientierung, vermitteln wichtige fachliche und soziale Fähigkeiten. Sie stärken Selbständigkeit, Selbstbewusstsein und Verantwortung.
Sie sind bereits jetzt beliebt, ihre Attraktivität müsste aber noch gesteigert werden.
Um junge Männer und Frauen für einen freiwilligen Dienst an der Gemeinschaft, bei der Bundeswehr oder in einem Jugendfreiwilligendienst zu gewinnen, muss die Bundesregierung attraktive Anreize setzen, wie zum Beispiel
-Bonusregelungen beim Zugang zu weiterführenden Bildungseinrichtungen (Wartesemester),
-BAföG-Vergünstigungen in Form eines Darlehenserlasses,
-die Anrechnung von Dienstzeiten auf die Rentenversicherung,
-verbesserte Lern- und Bildungsangebote im Rahmen des Dienstes sowie die Möglichkeit, Zusatzqualifikationen zu erwerben,
-eine bessere Anrechenbarkeit von Dienstzeiten z.B. als Pflichtpraktika und erworbene Zusatzqualifikationen für künftige Ausbildungen,
-sowie speziell für junge Menschen bei der Bundeswehr die Möglichkeit des Führerscheinerwerbs während der Dienstzeit bei der Bundeswehr
-eine Erweiterung der Berufsförderungsansprüche für Soldatinnen und Soldaten.
Die Bundesregierung plant mittlerweile, die Wehrpflicht auszusetzen. Angekündigt ist dies zum 1. Juli 2011.
Sie hatten außerdem gefragt, ob der Andachtsraum des Bundestages auch von Nicht-Christen genutzt wird. Zur Zeit ist dies nach meinen Informationen nicht der Fall.
Mit freundlichen Grüßen
Kirsten Lühmann