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Frage von Ilona Elisabeth S. •

Frage an Kirsten Lühmann von Ilona Elisabeth S. bezüglich Recht

Arbeitsbedingungen von Polizisten im Schichtdienst

Guten Tag, Frau Lühmann,

ich möchte Sie ansprechen als Volksvertreterin, als ehemalige Beamtin im Polizeidienst und als Gewerkschafts-Funktionärin für o.a. Berufsgruppe:

Ausgehend von der Annahme, dass Sie den Bezug zur Realität täglich pflegen, möchte ich von Ihnen wissen:

a) Halten Sie die Belastungen der o.a. Polizeibeamten im Hinblick auf Sondereinsätze, Ausstattungen und die sog. Arbeitszeit-Konten für menschenwürdig?

b) Was tun Sie, damit mehr Polizisten - auch hier rede ich von denen im Schichtdienst, die zu Demos fahren, am Fußballstadion Dienst haben, Atommülltransporte bewachen etc. etc. - eingestellt werden?

c) Was tun Sie, damit künftig Fragebogen zur Erforschung von "Gewalt geg. Polizisten" nicht ins Gegenteil verkehrt werden und die Polizisten nicht in eine Rechtfertigungsposition komme?

Mir ist durchaus klar, dass hier Länderangelegenheiten angesprochen werden. Diese föderale Besonderheit schließt m.E. nicht aus, zu den von mir gestellten Fragen eine Meinung zu haben.

Ich bedanke mich im voraus.

Mit freundlichen Grüßen
Ilona E. Schmidt

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Schmidt,

da ich selbst bis vor kurzem als Polizistin gearbeitet habe, bin ich mit den Problemen in der alltäglichen Polizeiarbeit gut vertraut. Zu Ihren Fragen:

a) Halten Sie die Belastungen der o.a. Polizeibeamten im Hinblick auf Sondereinsätze, Ausstattungen und die sog. Arbeitszeit-Konten für menschenwürdig?

Unter dem Gesichtspunkt der Menschenwürde, wie er Art. 1 GG zugrunde liegt, wird man hinsichtlich der Aspekte, die Sie ansprechen, generell keinen Verfassungsverstoß feststellen können. In Einzelfällen, etwa bei länderübergreifenden (ggf. über mehrere Tage dauernden) Großeinsätzen, stellt sich aber in der Tat die Frage, ob z.B. die von Land zu Land unterschiedliche Zeitvergütung mit den berechtigten Interessen der eingesetzten Polizeibeamtinnen und -beamten vereinbar ist.

Bei Einsätzen anlässlich von Castor-Transporten etwa handelt es sich regelmäßig um besonders belastende Einsätze, die mit Kräften der allgemeinen Aufbauorganisation nicht zu bewältigen sind. Die zeitliche Dauer liegt deutlich höher als 24 Stunden, eine unfriedliche Entwicklung ist nicht auszuschließen und aus einsatzökonomischen Gründen müssen regelmäßig auch Einsatzkräfte geschlossener Einheiten in einem Schichtdienst eingesetzt werden. Dass hier die Vergütung der Einsatz-, Bereitschafts- und Ruhezeiten in den Ländern und beim Bund unterschiedlich gehandhabt wird, ist von den Polizeigewerkschaften wiederholt zu recht kritisiert worden.

Was die persönliche (Schutz-)Ausstattung angeht, so ist in den letzten Jahren einiges getan worden. So sind z.B. zum Schutz der Polizeibeamtinnen und -beamten vermehrt persönliche Schutzwesten dienstlich beschafft worden. Die technische Ausstattung orientiert sich zwar stets an den vorhandenen Möglichkeiten und dem polizeilichen Bedarf, wenngleich - nicht zuletzt aus Kostengründen - die zeitliche Realisierung zuweilen zu wünschen übrig lässt.

Insgesamt müssen die Dienstherren eher an ihre (einfach gesetzlich geregelte) Fürsorgepflicht gegenüber Polizisten erinnert werden, als dass ihnen konkret ein (verfassungsrechtlich relevanter) "Menschenrechtsverstoß" vorgeworfen werden könnte.

b) Was tun Sie, damit mehr Polizisten - auch hier rede ich von denen im
Schichtdienst, die zu Demos fahren, am Fußballstadion Dienst haben,
Atommülltransporte bewachen etc. etc. - eingestellt werden?

Die Einstellung von Polizisten ist ein zentrales Thema – nicht nur angesichts zahlreicher Altersabgänge (Pensionierungen), sondern auch im Hinblick auf den stetigen Aufgabenzuwachs (etwa im Bereich der Bekämpfung des internationalen Terrorismus). In den vergangenen Jahren wurden in den meisten Bundesländern erhebliche Stelleneinsparungen im Polizeivollzugsdienst vorgenommen (in einer Größenordnung von etwa 10.000 Stellen in den letzten 10 Jahren), die sowohl im Einzeldienst als auch bei der Bereitschaftspolizei zu personellen Engpässen und Mehrbelastungen durch Überstunden führen.
Wie Sie wissen, fällt die Polizei in die Zuständigkeit der Länder. Ich setze mich aber gemeinsam mit den Polizeigewerkschaften dafür ein, dass es keinen weiteren Stellenabbau bei der Bundespolizei gibt und entsprechend zusätzliche Planstellen geschaffen werden.

c) Was tun Sie, damit künftig Fragebogen zur Erforschung von "Gewalt geg.
Polizisten" nicht ins Gegenteil verkehrt werden und die Polizisten nicht in
eine Rechtfertigungsposition komme?

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass die vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen vorgesehene Studie nach dem Ausstieg zahlreicher Bundesländer und der Bundespolizei von der Aussagekraft her nur noch regionale Bedeutung haben wird.

Ich teile Ihre Bedenken, dass eine Veröffentlichung von Einzelergebnissen ohne wissenschaftliche Auswertung gegen Polizisten und Polizistinnen verwandt werden könnte. Diese Studie eignet sich nicht dafür, in der Öffentlichkeit diskutiert zu werden.
Dennoch halte ich sie für zwingend erforderlich, um die Ausbildung und den Schutz der einzelnen Polizeibeamten und –beamtinnen optimieren zu können.
Die Personalräte und Gewerkschaften müssen dafür sorgen, dass die Einzelergebnisse zum Schutz der Kollegen und Kolleginnen nicht an die Öffentlichkeit geraten, und die Ergebnisse nicht für populistische Stammtischparolen missbraucht werden können. Gleichzeitig müssen sie dafür sorgen, dass die Ergebnisse nicht in den Ministerien versickern, sondern in konkrete Maßnahmen münden.

Mit freundlichen Grüßen

Kirsten Lühmann