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Kirsten Kappert-Gonther
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Berkay B. •

Guten Tag! Warum haben wir in Deutschland kein Präsidialsystem wie in den USA oder Türkei? Diese Präsidenten sind total mächtig, unser Bundespräsident hat dagegen überhaupt keine Macht. Mfg

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr B.,

die größten Unterschiede zwischen parlamentarischer und präsidentieller Demokratie liegen im Verhältnis zwischen der Regierung und dem Parlament. In einer Demokratie ist die Regierung (Exekutive) für die Gesetzesausübung zuständig. Das Parlament (Legislative) ist für die Gesetzgebung verantwortlich. Das Parlament wird direkt vom Volk gewählt.

In einer präsidentiellen Demokratie wird zudem der*die Präsident*in als Oberhaupt der Exekutive direkt vom Volk gewählt. In parlamentarischen Demokratien wird die Exekutive durch das Parlament bestimmt, d. h. in Deutschland sind der*die Bundeskanzler*in und die Bundesregierung von einer Mehrheit im Parlament gewählt. In präsidentiellen Systemen können unterschiedliche Mehrheitsverhältnisse zwischen dem Parlament und der Exekutive das Risiko einer gegenseitigen Blockade bergen. Parlamentarische Systeme ermöglichen dem Parlament mehr Einfluss.

Die politische Ordnung der Bundesrepublik Deutschlands ist im Grundgesetz geregelt. Dies trat am 24. Mai 1949 in Kraft. Nach der ersten Republik Deutschlands, die durch den Beginn der NS-Diktatur beendet wurde, sollten seine verfassungsrechtlichen Lücken in der neuen politischen Ordnung behoben werden.

Schon die Weimarer Republik hatte viele Elemente einer parlamentarischen Demokratie. Gleichzeitig lag viel Macht beim Reichspräsidenten, die zum Ende der Republik verhängnisvoll genutzt wurde und damit die Entwicklung der NS-Diktatur begünstigte. Eine Person oder Gruppe sollte nicht länger extrem viel politische Macht besitzen.

Daher verteilt sich in der Bundesrepublik die Macht auf verschiedene Ämter. Der Bundespräsident ist das Staatsoberhaupt. Er wird anders als in den USA oder der Türkei nicht vom Volk direkt gewählt, sondern von der Bundesversammlung, die sich aus Vertreter*innen des Bundes und der Länder zusammensetzt. Er ist weder Teil der Exekutive, der Legislative noch der Judikative. Das Bundesverfassungsgericht beschrieb die Kompetenzen des Bundespräsidenten in einem Urteil von 2014 wie folgt: "Der Verfassungsgeber hat im Grundgesetz das Amt des Bundespräsidenten aufgrund der Erfahrungen mit der Weimarer Reichsverfassung konzipiert. Nach der Ausgestaltung seines Amtes ist er nicht einer der drei klassischen Gewalten zuzuordnen. Er verkörpert die Einheit des Staates. Autorität und Würde seines Amtes kommen gerade auch darin zum Ausdruck, dass es auf vor allem geistig-moralische Wirkung angelegt ist." (Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 10. Juni 2014, 2 BvE 2/09).

Der Bundeskanzler ist das Oberhaupt der Exekutive und damit das Oberhaupt der Bundesregierung. Der Bundespräsident übernimmt zwar keine Aufgabe im parlamentarische politischen Geschehen, dennoch besitzt er einige exklusive Machtinstrumente, wie die Ernennungen, Entlassungen und Berufungen von Personen in verschiedene Ämter wie die Ernennung des gewählten Kanzlers und der Bundesminister*innen und der Bundesrichter. Außerdem müssen verabschiedete Gesetze vor in Kraft treten vom Bundespräsidenten unterzeichnet werden. Seit 1949 ist es erst achtmal vorgekommen, dass eine Unterschrift vom Bundespräsidenten verweigert wurde.

Unser politisches System ist das Ergebnis historisch gewachsener Erfahrungen und Erkenntnisse über die Funktionsfähigkeit und Stabilität einer Demokratie.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Kirsten Kappert-Gonther

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