Es wird wieder ein Antrag der Grünen zum Verbot der Homöopathie als Kassenleistung gestellt. Wie stehe Sie dazu?
Sehr geehrte Frau Kappert-Gonther,
solch einen Antrag hatten wir bei den letzten Bundestagswahlen von Seiten der Grünen, initiiert durch Hr. Tim Demisch und die Argumente sind gleich geblieben, es soll eine potenziell lebensgefährliche Therapie sein, da es Patienten gäbe, die auf "wirksame Therapien" verzichten würden. In unserem Kreis von Homöopathen arbeiten wir seit über 35 Jahren für die Gesundheit unserer Patienten zu erhalten bzw. wiederherzustellen und dies geschieht in enger Zusammenarbeit mit den Ärzten und Krankenhäuser der Region. Wir verzichten nicht auf schulmedizinische Abklärung der Symptome unserer Patienten und raten unseren Patienten immer, sich auch durch die verschiedenen Fachärzte untersuchen und begleiten zu lassen, wenn es die Erkrankung erfordert. Wir möchten ein Miteinander und nicht eine Ausgrenzung, wir suchen immer die bestmögliche Therapie für unsere PatientInnen. Der Patient muss die Therapiewahl frei entscheiden können, da es ein demokratisches Recht ist.

Sehr geehrter Herr M. E.,
die Problemfelder in unserem Gesundheitswesen liegen aus meiner Sicht derzeit an anderen Stellen. Es gibt erhebliche Versorgungsprobleme für schwer und chronisch Kranke, der Zugang zu guter Geburtshilfe ist nicht flächendeckend gewährleistet. Es gibt Landstriche, wo Haus- oder Kinderärzt*innen nicht mehr unproblematisch erreichbar sind. Erhebliche Summen werden zu Lasten der Versicherten beispielsweise für Über- und Fehlversorgung verschwendet.
Auch wenn die Wirkung homöopathischer Arzneimittel nicht über den Placebo-Effekt hinausgeht, erleben viele Patient*innen diese als sehr hilfreich. Gerade chronisch Kranke, Eltern mit kleinen Kindern und Schwangere greifen zu homöopathischen Mitteln. Gerade in Fällen weniger schwerwiegender und nicht-akuter Erkrankungen ist die Komplementärmedizin eine sinnvolle Ergänzung zur Schulmedizin und kommt etlichen Patient*innen nebenwirkungsfrei zugute. Die Erstattung etwa über freiwillige Leistungen (Satzungsleistungen) der Krankenkassen ist derzeit gut geregelt und spiegelt den Wunsch der Mehrheit der Versicherten wieder.
Wahlfreiheit im Gesundheitswesen bedeutet, dass Versicherte die Möglichkeit haben, sich im Krankheitsfall zwischen unterschiedlichen qualitätsgesicherten Angeboten und Therapien zu entscheiden. Dafür braucht es Therapievielfalt und das Selbstbestimmungsrecht der Patient*innen. Im Sinne der Wahlfreiheit spielen auch Angebote der anthroposophischen Medizin eine Rolle. Sie stellen für zahlreiche Menschen eine Ergänzung zur Schulmedizin dar. Dort, wo Komplementärmedizin die Schulmedizin wirksam ergänzen kann, sollte dies fortgeführt werden. Das große Interesse einiger Patient*innen an anthroposophischer Medizin ist auch eine Reaktion auf die mangelnde Zuwendung und Patientenorientierung in der Medizin und Ausdruck eines Bedürfnisses nach einem ganzheitlichen Ansatz. Dem muss sich die Gesundheitspolitik stellen und die Bedingungen für eine den Menschen zugewandte Versorgung verbessern. Im Sinne der bestmöglichen Versorgung aller Bürger*innen treten wir außerdem für eine stärkere Förderung der Grundlagenforschung sowie klinischer Studien, Versorgungsforschung und translationaler Studien in der Medizin ein.
Anders als häufig dargestellt werden homöopathische Leistungen nicht grundsätzlich von allen Kassen als Regelleistung übernommen. Vielmehr handelt es sich um eine freiwillige Zusatzleistung, die einige Kassen anbieten. Das deutsche Gesundheitssystem sieht vor, dass Krankenkassen diejenigen Leistungen erstatten dürfen, die einen nachweisbaren gesundheitlichen Nutzen für Patient*innen haben. Ob ein solcher Nutzen vorliegt, entscheiden die Gremien der Selbstverwaltung nach intensiver Prüfung.
Vor diesem Hintergrund halte ich die Frage um die Finanzierung von Naturmedizin und homöopathischer Arzneimittel nicht für ein zentrales Problem der Gesundheitsversorgung – die so hitzig geführte Debatte erweckt leider zuweilen den gegenteiligen Eindruck.
Allerdings ist es erforderlich, einheitliche Standards festzulegen, auch im Bereich des Angebots von Komplementärmedizin. Es muss für Patient*innen klar erkennbar sein, welche Qualifikation die behandelnde Person hat und ob es sich um eine ärztliche Tätigkeit handelt oder nicht. Wir sprechen uns für eine Weiterentwicklung des bestehenden Heilpraktiker*innenrechts mit dem Ziel aus, die Anforderungen an die Tätigkeiten der Heilpraktiker*innen bundesweit zu überprüfen und zu vereinheitlichen.
Mit freundlichen Grüßen
Kirsten Kappert-Gonther